Akte »M-S-K«. Jens Rübner
ist nicht verwunderlich, wenn Sie den Namen (noch) nicht kennen, denn die Arbeit des Leipziger Kunsttischlers ist der breiten Masse bisher nicht bekannt. Dabei ist sein Leben und Wirken allemal interessant und ein Teil der sächsischen und vor allem Leipziger Geschichte.
Der spätere Kunsttischler ist auf dem Rittergut Puschwitz bei Belgern in Sachsen geboren und kommt 1758 als 17jähriger Tischlergeselle nach Leipzig. Währenddessen findet er im Barfußmühlhaus auf dem Fleischerplatz vor dem Ranstädter Tor Unterkunft. Der Sachse entwickelt sich schnell zu einem Propheten des neuen Stils: Er wandelt die nach französischem Vorbild entworfenen Barock- und Rokokomöbel um, indem er den Protz reduziert und nach englischem Vorbild einfacher und klassischer gestaltet. So nimmt er beispielsweise schlichtes Birnbaumholz, wertet es optisch durch edle Furnierung auf. Damit genügt es repräsentativen Ansprüchen, schont aber den Geldbeutel. Dies kommt bei den solventen Bürgern gut an.
Im 18. Jahrhundert gibt es noch keine Versandhäuser, die Möbel nach Hause liefern. Das bringt den Leipziger Kunsttischler Friedrich Gottlob Hoffmann auf eine Idee. 1789 lässt er den ersten Möbelkatalog im deutschsprachigen Raum drucken und bringt ihn während der dreimal im Jahr stattfindenden Messen an den Mann. Was wir heute als selbstverständlich hinnehmen, war zur damaligen Zeit ein absoluter Coup. Die aufwendig illustrierten Verzeichnisse kosteten in der Herstellung zwischen ein bis drei Taler. Doch anders als heute wanderten diese nicht kostenlos in die Briefkästen der Kunden, sondern konnten gegen bar gekauft werden. Dieser Schachzug machte Hoffmann zu einem der erfolgreichsten deutschen Möbelhersteller.
Eine weitere geniale Idee war, dass Hoffmann, anders als zur damaligen Zeit üblich, auf Vorrat produzierte und nicht nur einzelne Auftragsstücke anfertigen ließ. In seiner Werkstatt am Thomaskirchhof, nahe seinem neuen Familienheim erfand er immer wieder neue Funktionselemente und ging dabei vor allem auf die Bedürfnisse seiner Kunden ein. Seine hilfreichen Methoden, Verfahren und Handlungsoptionen sind groß. Elegant sind seine Werke und haben das gewisse Etwas. So wirkt beispielsweise eine vermeintliche Kommode nach außen weltmännisch repräsentativ. Doch wer sie öffnet, findet im Inneren, höchst privat und intim, Bad, WC und Bidet. Die verborgene Raffinesse – ein Markenzeichen von Friedrich Gottlob Hoffmann.
Hoffmanns fortschrittliche Arbeitsweise und der weltumspannende Ruf der Leipziger Messestadt brachten ihm zahlreiche Kunden sowohl im Bürgertum als auch aus dem Adel. Ja, selbst der Dichterfürst von Goethe kaufte bei ihm. Doch heute wie auch damals hat alles seine zwei Seiten. So hatte Tischlermeister Hoffmann nämlich auch Widersacher unter den Handwerkern in der Stadt der Linden und immerzu Ärger mit der Leipziger Tischlerinnung. Man warf ihm unter anderem vor, dass er sich nicht an die (Spiel)Regeln hält und auch mehr Gesellen beschäftigte, als erlaubt waren.
Abhilfe schuf seine Ernennung zum „chursächsischen Hoftischler“, die ihn fortan von allen Einschränkungen befreite.
Ich hatte das große Glück, mich im Grassi-Museum für angewandte Kunst vor Ort im Rahmen einer Sonderausstellung über die Visionen und die Kreativität des Hoftischlers und Unternehmers Friedrich Gottlob Hoffmann überzeugen zu dürfen. Zumal sich ein großer Teil der Exponate in Privatbesitz befindet und bisher noch nie öffentlich zugänglich waren.
Ein „Tastenficker“ in Leipzig
Promis auf der Buchmesse sind nichts Besonderes. Doch am Samstag, dem 14. März 2015, war zumindest in meinen Augen eine außergewöhnliche Persönlichkeit in meiner Heimatstadt zu Gast. Die Berliner Band „Rammstein“ macht gerade eine kreative Pause. Diese Zeit nutzte Keyboarder „Flake“ alias Christian Lorenz, um seine Autobiografie „Der Tastenficker – An was ich mich so erinnern kann“ in Leipzig vorzustellen.
„Tastenficker“ wurden im Osten die Keyboarder genannt. Flake ist wohl der bekannteste unter ihnen. Es war ein Erlebnis ihn einmal außerhalb der Musik-Bühne kennen lernen zu dürfen. Auch wenn das Geschehen nur von kurzer Dauer war. Die Konzerte seiner Band Rammstein begeistern Fans weltweit und sorgen für ausverkaufte Hallen. Auf der Bühne gibt „Flake“ den Kasper, derjenige, der in den Kessel gesteckt und vom gebürtigen Leipziger Sänger Till Lindemann über die Bühne getrieben wird. Aber wie ist „Flake“ privat?
Das fängt damit an, dass „Flake“ natürlich nicht das ist, was 1966 in der Geburtsurkunde stand. Aber was willst du machen, wenn du als Kind dermaßen stotterst, dass du deinen eigenen Namen nicht aussprechen kannst, weil du in Wahrheit Christian Lorenz heißt, doch jedes Wort, das mit einem K-Laut anfängt, ist eine unüberwindbare Hürde. Du legst dir also in deinen Kindertagen einfach einen anderen zu. Den von dem Wikingerdorf aus der Trickfilmserie „Wickie und die starken Männer“. Christian „Flake“ Lorenz, geboren 1966, wuchs in Berlin – Prenzlauer Berg auf. In den 80er Jahren spielte er in der Punkband „Feeling B“, bevor er 1994 bei „Rammstein“ einstieg.
Eine kleine Kostprobe aus seiner Autobiografie gab er am späten Samstagnachmittag am vollbesetzten Messestand, so erfuhren ich und die Anwesenden, dass er aus einem Haushalt kommt, wo grundsätzlich nie über Gefühle gesprochen wurde, und dass er mit seinen Jungs von Rammstein insbesondere in den Augen der älteren Generation eigentlich nur Krach macht. Unbekannt war mir bis dato, dass er ursprünglich Arzt werden wollte, was ihm jedoch in der DDR verwehrt blieb, weswegen er aber von den Fans und seinen Bandkollegen trotz alledem „Doktor Lorenz“ genannt wird. Des Weiteren gestand der schmächtige, normal wirkende, uneitle Mann mit der großen Brille, dass sein bisheriges Leben von Ängsten geprägt sei. Schon seit der Kindheit hatte er Furcht vor Verkehrsmitteln, vor Menschen, vor Krankheit, Dunkelheit und – Achtung – vor lauten Geräuschen. Das passt ja super zu einem Rockmusiker! Dazu kamen Flugängste, was besonders hinderlich bei Langstreckenflügen war. Über seine Anfänge als Musiker, seinem Handel mit Oldtimern und amerikanischen Straßenkreuzern bei dem er viel Geld verlor – all dies und noch viel mehr beschreibt er in seiner lockeren, selbstironischen Autobiografie. Ein Weg vom spillrigen Streberkind zum immer noch spillrigen Keyboarder der weltweit bekannten deutschen Band.
„Flake“ Lorenz der sich gern an seine Zeit im Osten, der DDR erinnert. Seine Sicht auf die Dinge nachzeichnet ohne jemanden vorschreiben zu wollen, wie er zu leben hat.
„Der Tastenficker – An was ich mich so erinnern kann“ erschienen im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf. Ein sehr empfehlenswertes Buch nicht nur für Musikfreunde und Kenner, da diese Autobiografie nicht von Schweinereien im Backstage Bereich erzählt.
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