Ein Schloss im Meer - Gästebuch der Familie von Hütterott. Detlef Gaastra
Hanna zum Katholizismus konvertiert haben. Die gewünschte Fenstergestaltung wäre logisch. Über den Verbleib des Fensters ist nichts bekannt, angeblich wurde es 1950 von dem damaligen Direktor des Hotels an einen Slowenen verschenkt.
Es existiert auch aus 1906 wieder ein umfangreicher Bestand an Briefen, die überwiegend von der Mutter Louise Keyl aus Frankfurt stammen. Bei dem Inhalt der Schreiben handelt es sich hauptsächlich um die Erörterung familiärer Ereignisse. Am interessantesten ist die Suche nach einer geeigneten Erzieherin für Barbelis, die sich fast über das ganze Jahr erstreckt. Dieses sind wohl die ersten Hinweise, dass es sich bei Barbelis um einen etwas schwierigen Charakter handelte. Gefunden wurde schließlich ein gewisses Fräulein Katharina Tilsner, der Barbelis eine lebenslange Anhänglichkeit bewahrte, wie späterer Schriftverkehr belegt. Die Dame war später als Prinzenerzieherin im Hause der Fürsten zu Wied tätig und entwickelte sich zu einer strammen Nationalsozialistin. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ihre Erziehung auch einen Gewissen Einfluss in dieser Richtung auf Barbelis ausübte.
Barbelies und Frl. Tilsner auf der Terrasse der Villa Adele
Dalmatienreise, Oktober, an Bord der „Gödöllö“, Curt Netto, Alex Kessler
1907
Blatt 37–39
Dieses Jahr beginnt mit einer zur Hälfte freien Seite. Vermutlich sollte hier der Bericht über den Winter in Triest stehen. Es ist rätselhaft, warum die Seite nicht ausgefüllt wurde, da weitere Berichte folgen und auch 1908 das Gästebuch mit dem Winterrückblick beginnt.
Georg von Hütterott macht in Begleitung von Arthur Krupp und Paul von Schoeller eine 12-tägige Autofahrt durch Tirol. Für uns ist das heute nichts Außergewöhnliches, aber zur damaligen Zeit war eine so lange Autoreise, besonders im Gebirge, ein größeres Abenteuer als eine Seereise mit eigener Yacht. Paul von Schoeller und Arthur Krupp waren Geschäftspartner im Bereich des Maschinenbaus, und über diese Verbindung bestand Kontakt zum Stabilimento Tecnico Triestino. Hanna und Marie von Hütterott verbrachten diese Zeit in dem Jagdrevier der Familie Krupp in der Walster, an der Grenze zwischen Niederösterreich und der Steiermark. Margarete Krupp, die Ehefrau von Arthur, hatte im Jahre vorher anlässlich ihrer silbernen Hochzeit als Geschenk für ihren Mann dort große landschaftliche Veränderungen vorgenommen.
Nach der Familienchronik war Georg Hütterott im Jahre 1879 mit 27 Jahren aufgrund seiner überragenden Leistungen als junger erfolgreicher Handelsherr zum ersten japanischen Konsul in Europa ernannt worden. Die Fernostreise 1883/84 könnte demnach auch eine konsularische Reise gewesen sein, da Kontakte mit Hofbeamten des Kaisers belegt sind. Der japanische Militärattaché ist mehrmals auf der Insel zu Gast. Im September besucht ein japanischer Flottenverband Triest, und von Hütterotts Anwesenheit ist natürlich notwendig. Erstmalig wird dabei eine gesellschaftliche Aktivität in Triest erwähnt, nämlich ein Dinner und eine Abendgesellschaft, zu der auch die Töchter eingeladen sind.
Ende des Monats fährt Georg von Hütterott zum Stapellauf eines rumänischen Kriegsschiffes, welches der Stabilimento Tecnico Triestino in Galatz baute. Voller Stolz wird im Gästebuch vermerkt, dass die Familie von König Carol I. anwesend war, und alles sehr befriedigend verlaufen ist.
Am 7. Oktober findet der schon traditionelle Besuch von Erzherzog Karl Stefan statt (der aus seiner Familie nur seine Tochter Eleonora mitbringt), dieses Mal aber in Begleitung der bayerischen Verwandtschaft: Prinzessin Maria Theresia mit ihren Töchtern.
Am 3. November (sehr spät) wird das letzte Seebad genommen, und am 9. November findet bei ganz schlechtem Wetter die Rückreise nach Triest statt.
Aus diesem Jahr liegen nur wenige Briefe vor. Drei davon sind von Georg an seine Frau geschrieben. Er berichtet von seinem Aufenthalt in Wien anlässlich der Sitzungsperiode des Herrenhauses. Privat verkehrt er vorwiegend mit alten Freunden, die als regelmäßige Besucher der Insel bekannt sind (Schoeller, Seybel, Krupp, Economo, Graf Kielmansegg usw.). Krupp, den er in den Briefen immer nur „Herr Krupp“ nennt, ist er beim Kauf einer Hochseeyacht behilflich. Über Fahrten mit diesem Schiff finden sich aber keine Hinweise in den Unterlagen. Neben den Sitzungen bemüht er sich aber auch um neue Aufträge für die Werft, hauptsächlich natürlich Kriegsschiffe. Überschwänglich berichtet er über die Reaktionen auf seine im Herrenhaus gehaltene Rede, die ihn plötzlich zu einem „geachteten und beliebten“ Parlamentarier gemacht hat. Eine Wertung von Georgs Tätigkeit als Abgeordneter würde den Umfang dieses Berichtes sprengen. Darum ist ihr ein eigenes Kapitel gewidmet.
Interessant ist, dass Marie und ihre Töchter fast täglich eine Nachricht an ihn schreiben (Karten oder Briefe), er selber aber nur einmal wöchentlich einen kurzen Bericht gibt.
Es liegen noch zwei weitere Schriftstücke vor, einmal die Absage des k.u.k. Statthalters Fürst Hohenlohe, nicht an einem Ausflug, wahrscheinlich mit der „Suzume“, teilnehmen zu können. Dieser Brief zeigt, wie Hütterotts bemüht sind, Anschluss an die „feine“ Gesellschaft in Triest zu halten. Ein zweites Dokument ist gar nicht an Hütterott gerichtet, sondern an den Erzherzog Karl Stefan. Der Militär-Veteranen-Verein „Erzherzog Karl Stephan“ in Rovigno schreibt an den Erzherzog und bittet um eine Spende zur Errichtung eines Vereinshauses. Vermutlich hat der Erzherzog diesen Originalbrief an seinen Freund Georg weitergereicht, mit dem unausgesprochenen Auftrag, gefälligst „Wohltäter“ des Vereins zu werden. Diese Vereinigung umfasste ca. 1000 Mitglieder, wovon aber nur 255 Aktive (also Veteranen) waren. Den größten Teil der Mitglieder (650) stellte das Musikkorps. Man könnte diesen Zusammenschluss von Bürgern Rovinjs auch als Musikverein bezeichnen. Von diesem Verein liegen aus den nachfolgenden Jahren noch mehrere Schreiben vor, die dann auch direkt an Georg von Hütterott gerichtet sind. Erstaunlich ist dabei, dass nur der Brief an Karl Stefan auf Deutsch geschrieben ist. Die nachfolgenden Schreiben sind in Italienisch verfasst worden. Es scheint sich somit wohl weniger um eine österreichische, als vielmehr um eine italienische Organisation gehandelt zu haben. Die Arbeiterkrankenkasse bedankt sich in einem Schreiben für die Anwesenheit Georgs bei einem Fest zu Gunsten des Sozialfonds. Er hat die Veranstaltung nicht nur durch seine Anwesenheit aufgewertet, sondern durch eine „überwältigende“ Festbeleuchtung der Insel einen Höhepunkt beigetragen. Leider fehlen Beschreibungen, wie diese Festbeleuchtung ausgesehen hat, bzw. wie die Bürger daran teilhaben konnten, da S. Andrea von der Stadt aus nicht zu sehen ist, sondern nur von der Punta Corrente, die als zum Besitz Hütterotts gehörig nicht öffentlich zugänglich war. Vielleicht handelte es sich um einen abendlichen Bootskorso, bei dem die Teilnehmer die Beleuchtung sehen konnten. Die kleine Stadt Rovinj hatte schon in der Vergangenheit ein reges und vielseitiges Vereinsleben. Es wäre sicherlich für die Lokalgeschichte interessant, dieses zum Thema einer selbstständigen Forschung zu machen.
Ein Konvolut von vier Briefen (es handelt sich dabei um Durchschläge von mit Maschine geschriebenen Briefen von Georg) beinhaltet die Vorbereitung zu einer Messe für die Sardellenfischer auf S. Giovanni. Der Franziskanerpater Giuliano da Valle des Klosters in Rovinj beabsichtigt, im Juni eine Messe auf S. Giovanni zu zelebrieren. Er bemüht sich sehr um die Anwesenheit der Familie. Auch der Stadtpfarrer Don Francesco Rocco schaltet sich ein und bemüht sich um Hütterotts Teilnahme. Georg nimmt zwar keine ablehnende Haltung zu dieser Veranstaltung ein, sagt aber sein Erscheinen auch nicht zu. Sein Auftreten in dieser Angelegenheit kann aber nicht als kooperativ angesehen werden, denn in sehr bestimmtem Ton behält er sich vor, in ausreichender Zeit vorher informiert zu werden, um ein Betreten der Insel zu gestatten. Er verbietet direkt eine Nutzung der auf S. Giovanni befindlichen Eremitage ohne seine ausdrückliche Genehmigung. Das ist in sofern erstaunlich, da er sich mit großem Engagement für die Fischer und das Fischereigewerbe in der österreichischen Adria einsetzt. Entsprechende Redebeiträge von ihm im Herrenhaus sind bekannt. Auch forcierte er eine soziale Sicherheit der Fischer und befürwortete eine Kranken- und Altersversicherung. Dass er einer Messe für die Sardellenfischer, die in besonderer Weise den Naturgewalten des Meeres ausgesetzt waren und des göttlichen Schutzes bedurft hätten, nicht großzügiger entgegen kam, verwirrt. Es liegt ein Foto vor, das die vollständige Familie auf S. Giovanni nach einer solchen Messe zeigt. Ob es sich dabei um das Jahr 1907 handelt oder um ein