Ein Schloss im Meer - Gästebuch der Familie von Hütterott. Detlef Gaastra

Ein Schloss im Meer - Gästebuch der Familie von Hütterott - Detlef Gaastra


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Dezember, Otto Seybels Esszimmer, Lulu Seybels Wohnzimmer

       1900

       Blatt 22

      Die Eintragungen beginnen am 11. September mit einem Bericht über einen Ausflug entlang der istrianischen Küste nach Lussin, wo sich die Sommerresidenz des Erzherzogs Karl Stefan befand. Äußerst devot wird der Besuch dort erwähnt. Das größte Ereignis des neuen Jahrhunderts wird natürlich auch besucht, die Weltausstellung in Paris, wohin die ganze Familie fährt, nur die erst dreijährige Barbara bleibt vermutlich in Triest. Für einen technisch Interessierten wie Georg von Hütterott war die Weltausstellung natürlich ein Pflichtbesuch. Aber Paris bot den Damen sicherlich auch genügend Abwechslung. In den nachfolgenden Jahren besucht der Vater häufig mit seiner Tochter entsprechende Veranstaltungen und Kongresse. Es hat den Anschein, dass er sie in entsprechenden Kreisen vorführt und nach einem standesgemäßen Ehemann Ausschau hält.

      Im September findet der Besuch von Arthur und Margarete Krupp statt. Krupp war ein Neffe von Alfred Krupp in Essen und an mehreren Fabriken (Eisenwaren und Munition) beteiligt. Von 1905 bis 1915 war er Vizepräsident der „Stabilimento Tecnico Triestino“ und somit 2. Mann nach Hütterott. Er besucht die Familie häufiger auf S. Andrea, Frau Krupp später auch allein, aber ein regelmäßiger oder freundschaftlicher Kontakt ist mittels des Gästebuches nicht nachzuweisen.

      Am 8. und 9. September fand der Stapellauf der „Habsburg“ statt. Von diesem großen gesellschaftlichen Ereignis ließ Hütterott von dem österreichischen Marinemaler Alexander Kircher ein großes Ölgemälde anfertigen, welches bis vor wenigen Jahren noch in der Eingangshalle des Schlosses hing, sich jetzt leider, aber aus verständlichen konservatorischen Gründen, im Depot des Museums in Rovinj befindet.

      Alexander Kircher (1867–1939) Stapellauf der SMS Habsburg

      Georg von Hütterott darf den Erzherzog auf seiner neuen Luxusyacht „Waturus“ auf einer Mittelmeerkreuzfahrt begleiten. In San Sebastian trifft der Erzherzog seine Schwester Marie Christine, die Königin von Spanien. Die Schwester sorgt 1918/1919 dafür, dass er die vom neuen polnischen Staat beschlagnahmten Güter zurückerhält. Am 17. Oktober kehrt die Reisegesellschaft nach Rovinj zurück. Neben der Signatur von Don Antonio Petrina (der sich auch noch ein zweites Mal im Gästebuch eingetragen hat) und den der Erzherzog vermutlich auch als „Bordkaplan“ mit auf seine Seereisen nimmt, ist auch vermerkt, dass Don Antonio eine Messe in der Kapelle auf dem Belvedere gelesen hat. Das bedeutet für die Insel, dass die Kapelle inzwischen wieder hergestellt wurde und vermutlich sogar geweiht und somit für religiöse Veranstaltungen benutzt werden konnte. Das ist insofern erstaunlich, da die Familie protestantisch war und der calvinistischen Gemeinde in Triest angehörte. Soweit den Berichten der Trauerfeier für Georg von Hütterott zu entnehmen ist, hat die Familie auch am Gemeindeleben der Triester Kirchengemeinde teilgenommen und ehrenvolle Ämter in der Kirchengemeinde sowie ihren Einrichtungen übernommen. Ich vermute, dass die Kirche auf der Insel wegen des katholischen (italienisch/kroatischen) Personals wieder entsprechend hergerichtet wurde.

      Von besonderem Interesse dürften auch zwei Briefe sein, die belegen, dass aus dem Revier Edlitz in Niederösterreich zwei Rehe und ein Bock zu Zuchtzwecken gekauft wurden. Vermutlich sollte auf dem Festland ein Jagdrevier angelegt werden. Soweit bekannt ist, frönte Georg, im Gegensatz zu seinem späteren Schwiegersohn Fritz Grabmayr, nicht der Jagdleidenschaft. Die Wildhege wäre somit ein Angebot an hochrangige Gäste gewesen.

      Ein Brief von Dr. Hermes, dem wissenschaftlichen Leiter des Aquariums in Rovinj, an Georg Hütterott belegt Kontakt und Interesse an dieser Einrichtung. Er hat sich in seiner Zeit als Parlamentsabgeordneter intensiv um die Belange der Fischer und ihre soziale Sicherheit (Krankenkasse und Altersversorgung) gekümmert und angeblich auch ein kleines Buch über den Fischfang als Wirtschaftszweig verfasst. Dr. Hermes bedankt sich für ein Grußtelegramm und bedauert, dass Georg nicht an dem Kongress teilnehmen konnte. Ein weiterer Brief enthält den merkwürdigerweise sehr kurzen Dank des Dr. Kien (Leiter des Seehospizes) für eine Spende, deren Höhe leider nicht genannt wurde. Es ist zu vermuten, dass Hütterotts alle sozialen Einrichtungen entsprechend mit Spenden bedachten. Ein karitatives Engagement wurde aber auch erwartet und war Grundlage für entsprechende Ehrungen durch das Kaiserhaus. Die Verleihung des „Elisabeth-Ordens“ 1908 an Marie von Hütterott war wohl mehr ein „Kauf“ als eine wirkliche Auszeichnung für Leistungen.

      Der interessanteste Brief den Jahres 1900 ist wohl ein Rundschreiben an die Teilnehmer des 1899 in Berlin abgehalten Familientages. Dabei geht es noch einmal um die „Wappenfrage“. Das heißt, Georg drängt der Familie „sein“ Wappen auf, indem er jede einzelne Familie mit einer gemalten Wappenscheibe als Fensterschmuck beglückt und den Damen ein Petschaft verspricht, das er aber noch nicht liefern kann, da ihm die bisherigen Modelle nicht gefallen haben. Außerdem möchte er die Siegelringe der Männer mit Änderungen versehen, wie sie auf dem Familientag besprochen wurden. Aus der Familienchronik der Hütterotts geht allerdings eindeutig hervor, dass keine Einigung über eine Veränderung des Wappens zustande kam, sondern sich besonders das eigentliche Familienoberhaupt, Dr. jur. Carl Hütterott in Kassel für die Beibehaltung des überlieferten Wappens einsetzte. Außerdem lässt Georg von einem Künstler in Wien einen silbernen Einbanddeckel für die Urkunde zur Familienstiftung anfertigen. Von den erwähnten Glasscheiben befindet sich zumindest eine im Besitz der Familie Hütterott in Gütersloh. Ob die Petschafte angefertigt und die Siegelringe verändert wurden, ist nicht bekannt. Herr Carl Theodor Hütterott in Gütersloh ist im Besitz eines Petschafts und Siegelrings mit Wappen. Ob es sich dabei um die in diesem Brief genannten Stücke handelt, ist nicht überliefert. Auch die Stiftungsurkunde befindet sich in Gütersloh.

      Semmering, Juli, Johanna u. Fritz von Hofstädtner, Herr von Bamberger, Lulu Seybel, Onkel Otto Seybel, Lili von Hofstädtner

       1901

       Blatt 23–24

      Die Eintragungen beginnen mit dem schon üblichen Rückblick auf den Winter in Triest sowie den Besuch in Frankfurt zu dem Familienfest anlässlich des 90. Geburtstages der Großmutter Hoffmann (Mutter von Frau Keyl und Großmutter von Marie, bzw. Urgroßmutter von Hanna und Barbara). In diesem Jahr wird die Insel bereits im Mai bezogen und erst im November wieder verlassen. Es ist der erste längere Aufenthalt auf S. Andrea. Unterbrochen wird der Aufenthalt allerdings durch einige Reisen per „Suzume“ in der Adria und zu Familienbesuchen in Deutschland. Auch Baden-Baden wird besucht, der seinerzeit luxuriöseste Kurort in Deutschland, womit wieder mein Verdacht genährt wird, dass die Familie Ausschau nach einem Ehemann für Hanna hält.

      Besonders erwähnenswerte Gäste sind für 1901 nicht mehr eingetragen. Auch der Erzherzog fehlt in diesem Jahre. Interessant ist der Brief eines Emil von Mayersbach aus Opatija, der Georg überreden will, auf seinen Inseln eine Gärtnerei zu errichten, die neue Obstsorten und Blumen züchten soll, um Wirtschaft und Kultur in Rovinj zu heben. Er hat viele Ideen, aber leider kein Geld zur Ausführung. Georg dürfte über diesen Brief schallend gelacht haben, denn in diesem Wirtschaftszweig war sein Vater schon erfolgreich tätig gewesen. Außerdem verfügte er selber über ausreichende Ideen, wie der Plan zur Errichtung einer mondänen Ferienkolonie bezeugt.

      Heidelberg, August, Urgroßmutter Clara Hoffmann, Tante Pauline Rasor

      Rippoldsau, Juli–August, Baronin Wechmar, Herr und Frau von Bohlen, Alex Kessler, Frau Kessler, Fred Babcock, Ida von Heyder, Frau von Gossler, Herr Österreich, Großmama Keyl

       1902

       Blatt 27–28

      Hier ist die Eintragung etwas durcheinander geraten, denn auf das Jahr 1901 folgt in der fortlaufenden Nummerierung 1904 und 1905. Vermutlich klebten die Seiten zusammen und Georg von Hütterott hat seinen Jahresbericht an der falschen Stelle begonnen.

      Vom 14. bis 17. Februar erlebt Triest unruhige Tage. Ausgelöst durch einen Streik der Heizer des Österreichischen Lloyd


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