Ein Schloss im Meer - Gästebuch der Familie von Hütterott. Detlef Gaastra

Ein Schloss im Meer - Gästebuch der Familie von Hütterott - Detlef Gaastra


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erst im September bezogen werden, einem Zeitpunkt, zu welchem sich in heutiger Zeit die Tourismussaison bereits dem Ende zuneigt. Erst Mitte November kehrt die Familie nach Triest zurück.

      Neben diversen Gästen, die uns auch in den nächsten Jahren begegnen werden, fällt eine Persönlichkeit auf, der auch ein Gedenkstein gewidmet wurde (den ich aber leider nicht mehr gefunden habe): Prof. Dr. Virchow aus Berlin (biographische Angaben zu ihm im Personenregister). Es gibt verschiedene Gründe, die Virchow nach Rovinj geführt haben könnten. Er war befreundet mit Prof. Dr. Theodor Billroth aus Wien, der den Sommer regelmäßig in Opatija verbrachte und vermutlich auch mit dem Krankenhaus in Rovinj in Verbindung stand. Außerdem war Virchow naturwissenschaftlich interessiert und hatte sicher auch Kontakt zum Aquarium (vielleicht gibt dort noch vorhandenes Archivmaterial entsprechende Auskunft), und letztlich war er auch ein Experte der frühgeschichtlichen Forschung und Archäologie, womit auch die zu dieser Zeit einsetzenden Ausgrabungen sein Interesse an den Illyrern erregt haben dürfte. Ein zusätzlicher gesellschaftlicher Gewinn dürfte gewesen sein (genau wie es Kupelwieser auf Brioni tat), sich mit einem bedeutenden Wissenschaftler zu schmücken. In dem kleinen Museum in der Kirche auf S. Andrea befand sich eine Gipsbüste von Virchow, die durch Feuchtigkeit allerdings stark beschädigt war. Zwischenzeitlich ist sie aber durch eine Neuanfertigung der Staatlichen Gipsformerei Berlin ersetzt worden.

      Erstmalig tauchen im Gästebuch Bürger aus Rovinj auf, nämlich Matteo Guiseppe Campitelli, der Gründer der Tabakfabrik des Ortes und Dr. Benussi-Moro, ein Mitglied des Gemeinderates und späterer Bürgermeister.

      Am 2. Dezember beschließt Erzherzog Karl Stefan den Reigen der Gäste für 1893.

       1894

      Blatt 10–13

      Am 27. Januar ist der Erzherzog wieder der erste Gast auf der Insel. Eine Zeit, die nicht unbedingt als die günstigste zu bezeichnen ist. Hier stellt sich die Frage, ob das Schloss immer bewohnt wurde, also ob Personal, Verwalter, Gärtner etc. immer anwesend waren und einen so hohen Gast entsprechend bedienen konnten oder ob ein Familienmitglied extra aus Triest anreiste. Vielleicht gibt der noch zu erforschende Schriftwechsel darauf eine Antwort.

      Von geschichtlichem Interesse sind die den Erzherzog begleitenden Personen, nämlich K. Banfield, Gustav Ritter von Brosch und Maximilian von Sterneck. Diese drei hatten alle an der Seeschlacht von Lissa teilgenommen. Die beiden letztgenannten waren sogar in den Admiralsrang aufgestiegen und maßgeblich am Aufbau der k.u.k. Kriegsmarine beteiligt. Banfield war sicherlich der älteste und wegen seiner Abstammung (er kam aus Irland und war bereits als Kapitän in den österreichischen Dienst getreten) nicht in höhere Ränge aufgestiegen. Er war der Vater von Gottfried Banfield, dem „Adler von Triest“. Es hat den Anschein, dass die „Seehelden von Lissa“ einen Betriebsausflug nach S. Andrea unternehmen. Für Georg Hütterott war in der Phase der Aufrüstung, an der Admiral Sterneck maßgeblichen Anteil hatte, der Kontakt zu dieser Gruppe von höchstem Interesse. Beflügelte doch der Sieg von Lissa wesentlich das Interesse an der Marine, die für den Binnenstaat Österreich bis zu diesem Zeitpunkt nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte.

      Im April, vermutlich zu Ostern, kommt wieder japanischer Besuch aus Wien. Am 8. Oktober trägt sich eine Gruppe Akademiker ein, die aus verschiedenen deutschen Universitätsstädten kommen. Bei diesen Gästen könnte es sich auch wieder um eine Verbindung zum Aquarium handeln.

      Erstmalig wird hier eines der Schiffe Hütterotts genannt, die Dampfyacht „Suzume“. Nach den zugänglichen Unterlagen hat er zwei Schiffe besessen, die „Tornado“ und die „Suzume“. Die „Tornado“ taucht in dem Gästebuch nicht auf und es scheint sich um ein kleineres Schiff gehandelt zu haben. Die „Suzume“ muss erheblich größer und luxuriöser gewesen sein. Der Name kommt aus dem Japanischen und bedeutet in der Übersetzung „Spatz“. Eine Bezeichnung, die für ein größeres Seeschiff ungewöhnlich ist.

      Im Oktober-November ist ein 10-tägiger Besuch der Emma Freifrau von Lutteroth vermerkt. Diese Dame muss für die österreichische Marine von Bedeutung gewesen sein, denn der Seeheld Admiral v. Tegetthoff hat mit ihr einen umfangreichen Schriftwechsel unterhalten. Ich hoffe, nähere Angaben vom Marinearchiv zu erhalten. Frau von Lutteroth macht in den nachfolgenden Jahren regelmäßige Besuche auf S. Andrea.

      Im November kommt der Erzherzog mit einem Teil seiner Familie, nämlich der Erzherzogin Marie Therese und seinen Kindern Eleonora, Renata und Carl. Außerdem befindet sich in seiner Begleitung das Prinzenpaar von Sachsen-Coburg, verwandtschaftlich verbunden mit dem englischen Königshaus.

      Bei den letzten Gästen der Insel handelt es sich um eine 10-köpfige Delegation aus Rovinj. Ab diesem Jahr bis 1907 bildet eine solche Delegation aus den Honoratioren der Stadt die letzten Besucher auf der Insel.

      Da nach 1910 keine solchen Besuche mehr verzeichnet sind, ist anzunehmen, dass sie ausschließlich dem Hausherrn gegolten haben, obwohl belegt ist, dass Marie von Hütterott als Wohltäterin in der Stadt auch weiterhin höchstes Ansehen genossen hat.

      Erst kurz vor Weihnachten kehrt die Familie nach Triest zurück. Georg Hütterott war in dieser Zeit erkrankt. Leider ist über die Art des Leidens nicht bekannt. In den folgenden Jahren werden aber Krankheiten und Kuren erwähnt, aber auch dann nicht genau benannt.

       1895

      Blatt 14–16

      Auf Einladung des Erzherzogs darf Georg an der Einweihung des „Nord-Ostsee-Kanals“ teilnehmen. Dort vertritt sein Gastgeber Erzherzog Karl Stefan Kaiser Franz Joseph persönlich. Für das Deutsche Kaiserreich war diese Kanaleröffnung von großer nationaler Bedeutung und entsprechend ist auch die Teilnahme Hütterotts zu bewerten. In dem Bremer Familienarchiv hat sich ein Brief erhalten, den Georg an seine Tante (Hannchen) geschrieben hat. Unter Umständen wurde dieser Brief als eine „Familienreliquie“ betrachtet, belegte er doch, dass ein Mitglied der Familie Hütterott Seiner Majestät, Kaiser Wilhelm II. einmal ganz nahe gewesen ist. Da Briefe von der Hand Georgs sehr selten sind, dieser Brief aber einen sehr interessanten und auch amüsanten Inhalt hat, soll er hier vollständig wiedergegeben werden:

       An Bord S. M. S. „Kaiserin Königin Maria Theresia“

       Nordsee, 25 Juni 1895

       Meine liebe, liebe Tante!

       Längst schon war es mein Wunsch Dir mal wieder zu schreiben und dennoch bin ich schon lange nicht mehr dazu gekommen und musste, mit allerlei Angelegenheiten überhäuft, die ganze Privat – Correspondenz meiner lieben Marie überlassen. Von ihr weißt Du denn auch, wie es uns ergangen ist. Aber jetzt, wo ich die Nordsee durchkreuze u. so nah u. doch so weit an Euch vorüberfahre, benutze ich gerne ein freies Stündchen, um Dir, liebste Tante u. Euch lieben Bremern Allen recht herzliche Grüße zu senden u. bitte nur gleich ob meiner schlechten Schrift um Entschuldigung. Aber bei eiskaltem Nordwind u. hoher See, rollen wir ganz gehörig u. bei dem fortwährenden Balanciren geht das Schreiben schlecht.

       Noch habe ich Dir nicht selbst gesagt, welch innige Freude Du auch mir mit des lieben Onkels, des Unvergeßlichen, Photos gemacht hast. Georg's Aufnahme ganz besonders ist so lieb u. lebenswahr, (2) dass ich sie immer wieder ansehen muß. Es scheint mir immer noch kaum wahr dass wir den geliebten Mann verloren haben, der mir ein zweiter Vater gewesen ist. Und wie schwer mußt erst Du, geliebte Tante, seinen Verlust alltäglich empfinden. Mein Gedanken u. treuen Wünsche weilen gar oft bei Dir und ich habe mich sehr gefreut, dass Du mit dem glücklichen jungen Paar schöne Wochen im Süden zubringen konntest, wie es uns ebenso eine große Freude gewesen ist, von der Besserung in Léon's Gesundheit zu hören.

       Uns ist es seit letztem Herbst, mit Ausnahme einiger leichter Influenza, immer recht gut gegangen. Das Frühjahr brachte uns mancherlei Unruhe u. die Regatta Woche in Pola, welcher ich mit Marie auf unserer „Suzume“ beiwohnte. Dann waren wir 10 Tage in Venedig, auch auf der „Suzume“ u. augenblicklich befinde ich mich als Gast Sr. Kais. Hoheit des Erzherzogs Karl Stefan, der als Admiral die oesterr. Escadre commandirt, auf seinem Flaggschiff auf der Rückreise von Kiel nach Pola. Se. Kais. Hoheit ist so gütig gewesen mich (3) einzuladen die Feste zur Eröffnung des Nordostseecanals


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