Ein Schloss im Meer - Gästebuch der Familie von Hütterott. Detlef Gaastra
Gästebuch vermerkt. Im Januar 1888 meldet sich ein Herr Schönberger noch einmal, allerdings aus Wien, um den Hütterotts seine Rückkehr nach Europa mitzuteilen.
Die Briefe der Familienmitglieder, hauptsächlich von der Mutter in Frankfurt, sowie den Schwestern Emma und Clara, befassen sich mit den häuslichen Problemen, dem Nachwuchs, Krankheiten und dem Ärger mit dem Personal. Clara lebte in Frankfurt, wo ihr Mann Teilhaber des Bankhauses Metzler & Cie. war. Emma war mit ihrem Mann nach Trieb bei Lichtenfels in Oberfranken gezogen, wo vom ihm das Gut „Berghof“ bewirtschaftet wurde. Walter Benecke, der Schwager, hatte Landwirtschaft studiert und übernahm dieses Gut von seinem Vater, einem in England tätigen Kaufmann, der es schon Jahre vorher erworben hatte. In den Briefen der Mutter wurde dieses Anwesen immer als „Schloss“ bezeichnet, eine vielleicht nicht ganz zutreffende Bezeichnung, wenn mit Schloss der Sitz eines Herrschers gemeint ist. Es handelte sich aber um ein sehr stattliches Gebäude, das auch über entsprechende Gesellschaftsräume verfügte. Louise Keyl war jedenfalls sehr beeindruckt und verhehlt in den Briefen auch nicht ihren Stolz über diesen Besitz ihrer jüngsten Tochter. Vielleicht war Berghof ein Ansporn für Georg Hütterott, sich mit dem Erwerb von Obersontheim und S. Andrea ein entsprechendes Ansehen in der Familie zu erkaufen. Die Nobilitierung des Triester Familienzweiges scheint die engeren Familienmitglieder aber nicht besonders beeindruckt zu haben. Immer wieder wird auf Georgs Gesundheit Bezug genommen, der sich wohl ein chronisches Lungenleiden zugezogen hat. In den Wintermonaten war er vermutlich längere Zeit an das Haus gefesselt. Da Triest mit seiner Buchtlage und den umgebenden Bergen, die das feuchte Klima regelrecht speichern, für eine Erkrankung der Atemwege ein ungünstiger Platz ist, könnte der Kauf der Cissa-Inseln und die Pläne des Baues einer mondänen Ferienanlage mit den gesundheitlichen Problemen in Verbindung stehen.
Mit den Briefen scheinen auch immer Fotos der Kinder ausgetauscht worden zu sein, denn immer wieder wird darauf Bezug genommen. Alle vier (Marie und ihre beiden Schwestern Clara und Emma, sowie auch Georgs in Frankfurt lebende Schwester Carlotta) hatten inzwischen Kinder in annähernd gleichem Alter. Dadurch nehmen die Berichte über das Gedeihen der Sprösslinge, wie auch die Widrigkeiten des Zahnens und der üblichen Kinderkrankheiten einen breiten Raum ein. Unter den Geburtstagsgrüßen für Marie befindet sich auch einer von Röschen Hütterott. Bei ihr handelt es sich um eine Cousine Georgs, die mit ihren Eltern in Kassel lebt. Marie hat demnach auch Kontakte zu der übrigen Familie ihres Mannes gehalten. Aus späteren Jahren sind keine Briefe mehr vorhanden. Entweder handelt es sich wieder um Kriegsverluste, oder die Verbindungen wurden abgebrochen. Ich vermute Letzteres.
Besonders interessant sind die Briefe, die über die Hochzeit Elsie Metzlers berichten. Sie zeigen uns heute, wie die Frankfurter Gesellschaft zu dieser Zeit lebte und ihre Feste feierte. Marie konnte an diesem Fest nicht teilnehmen, was von der Braut sehr bedauert wurde. Leider können wir nicht feststellen, was diesmal einer Reise nach Frankfurt im Wege stand, da häufiger Besuche bei der Familie in Deutschland unternommen wurden.
In diesem Jahr ist auch Curt Netto nach Deutschland zurückgekehrt und meldet sich von nun an regelmäßig mit Briefen aus den verschiedensten Orten. Er scheint einer der langjährigen Freunde zu sein und besucht S. Andrea jedes Jahr bis 1907, zwei Jahre vor seinem Tode.
1887
Aus diesem Jahr liegen 25 Briefe vor. Nach dem Aufenthalt in Japan hat sich die Familie Hütterott wieder in Triest eingelebt. Der Kontakt (mit Ausnahme von Curt Netto und Richard Schönberger) zu den Freunden aus der Zeit des Fernostaufenthaltes scheint abgebrochen zu sein. Bei den vorhandenen Briefen handelt es sich um Nachrichten der Familie, die aber wenige Informationen über das Leben der Hütterotts in Triest verraten. In Bezug auf das Gästebuch ist ein Brief von Röschen Hütterott aus Bremen interessant. Sie besucht, vermutlich in Verbindung mit der Familie Vietor, Bekannte, Freunde oder vielleicht auch entfernte Familienmitglieder in England. Dabei wird von ihr auch Capt. Drury und seine Frau erwähnt. Der Captain wird später Admiral der britischen Mittelmeerflotte und besucht S. Andrea zusammen mit seiner Frau 1908. Es handelte sich bei diesem Besuch nicht um einen Zufall, sondern es war die Fortsetzung einer bereits über zwanzig Jahre vorher begonnenen Verbindung. Vielleicht war auch Hanna bei ihrem Aufenthalt in Bedford bei Drurys zu Gast gewesen.
Hervorzuheben ist ein in Englisch verfasster Brief. Vermutlich wurde er von der Tochter des Tiermalers Friedrich Wilhelm Keyl (1823 Kassel – 1871 London) an Marie geschrieben. Sie ist eine Cousine. Die beiden Frauen haben einander vielleicht bei dem Aufenthalt in London persönlich kennen gelernt. Die Familie Keyl war von Bordeaux nach London gezogen, vielleicht auf Vermittlung des genannten Tiermalers. Das Bürgerregister von Frankfurt vermerkt für Keyls „zugezogen aus London“. Spätere Treffen der beiden Cousinen sind nicht belegt. Auch scheint Hanna sie bei ihrem Aufenthalt in Bedford (1899) nicht besucht zu haben, da sonst sicherlich Fotos in den Alben vorhanden wären.
1888
Auch aus dem so genannten „Dreikaiserjahr“ haben sich viele Briefe erhalten, wobei der größte Teil auf die Korrespondenz mit der Familie entfällt. Der erste Brief stammt vom 6. Januar, und der letzte wurde am 29. Dezember geschrieben. Georgs Cousine „Röschen“ aus Bremen bedankt sich bei Marie für eine Geschenksendung von Wild, das sie mit weiteren Familienmitgliedern gegessen hat. Georg Hütterott sen. hat demnach seinen Bruder zu Weihnachten bedacht. Leider lässt sich nicht klären, ob es sich um erlegte Tiere aus der eigenen Jagd, oder um in Bremen gekauftes Wild handelte. Marie von Schwerzenbach schreibt einen Brief aus Algier, wo sie mit ihrem Mann die Wintermonate verbracht hat. Sie erwähnt dabei, dass Georg und ihr Mann so gute Korrespondenten seien und sie darum nicht so viel schreiben müsste. Das ist insofern erstaunlich, da sich im Archiv keine Briefe von Georg, oder ganz wenige an Georg erhalten haben. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Ehepaare ihren Schriftverkehr trennten und die Briefe des Hausherrn nicht mit nach S. Andrea genommen wurden. Durch die Bilder von der „Villa Adele“ wissen wir, dass Marie dort über ein „Schreibzimmer“ verfügte. Georg könnte seinen Schriftverkehr in seinem Büro abgewickelt haben. Dafür spricht z.B., dass die Samariterstiftung in Stuttgart einen mit Schreibmaschine geschriebenen Brief anlässlich der Verleihung des „Olga-Ordens“ erhalten hat. Vielleicht war, wie bei vielen, auch bei Georg Tradition, am Jahresende die Korrespondenz noch einmal zu sichten und dann zu vernichten. Das würde das Fehlen erklären.
Die Briefe scheinen innerhalb der Familie rege ausgetauscht worden zu sein, denn die Mutter Keyl, Emma, Clara, Carlotta und die Großmutter Hoffmann (die Mutter von Louise Keyl) nehmen regelmäßig Bezug auf die Schreiben aus Triest an die anderen Familienmitglieder.
Zwei Briefe haben sich erhalten, die in Italienisch verfasst und an Georgs Vater gerichtet sind. Inhaltlich geht es um sein Ausscheiden aus der Parlamentsarbeit. Demnach war auch er, wie später sein Sohn politisch im Wiener Parlament tätig und vertrat dort die Provinz Triest. Georg scheint einige dieser Ämter „geerbt“ zu haben. Sicherlich hat Georg Hütterott sen. viele Türen für seinen Sohn geöffnet.
Clara erwähnt in ihrem Brief vom 9. Juni 1888 eine kleine Bootsfahrt, die Hütterotts mit ihrem Segelboot unternommen haben. Dabei dürfte es sich um den Kutter „Nippone“ handeln, den Georg nach seiner Rückkehr aus Japan erworben hatte (daher sicherlich auch der Name). Marie berichtet nie über Reisen mit dem eigenen Boot. Im Gästebuch wird später die „Suzume“ erwähnt, meistens mit An- und Abreise von der Insel. Der Name „Suzume“ ist japanisch und bedeutet „Spatz“. Georg scheint seinen Booten immer japanische Namen gegeben zu haben, womit er vielleicht seine Bedeutung als Konsul dieses Landes unterstreichen wollte. Überhaupt wird selten von Reisen berichtet. Durch die zwei aufgetauchten Fotoalben sind wir aber über eine rege Reisetätigkeit in den Jahren von 1893 bis 1914 unterrichtet.
Im Privatbereich erfahren wir, dass Hanna keine öffentliche Schule besucht, sondern von ihrer Mutter privat unterrichtet wird. Sicherlich hätten Hütterotts sich einen Hauslehrer leisten können. Es hat aber den Anschein, dass Hanna nicht besonders „helle“ war. Auffallend ist, dass das Thema „Ausbildung“ in den Briefen vermieden wird. Wenn Hanna Erwähnung findet, dann meistens wegen ihres netten Aussehens, wie sie wieder gewachsen ist und dass sie vortrefflich mit ihren Vettern spielen könnte. In einem Brief vom 22. Dezember dieses Jahres erwähnt Emma Benecke, eine Schwester von Marie Hütterott, die Erkrankung des Vaters von