Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis

Mara und der Feuerbringer - Tommy Krappweis


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dürfte«, kam es nun wieder von dem Zweig. »Ich würde sagen, dass du versuchst, irgendwie an mich ranzukommen, und wir suchen uns ein stilles Eckchen. Ich muss dir nämlich ein paar sehr wichtige Dinge erzählen, Mara Lorbeer. Du bist doch Mara Lorbeer, oder?«

      Huii, der sprechende Zweig kannte ihren Namen. Was denn, natürlich kennt er den!, dachte Mara sofort, denn schließlich handelte es sich dabei ja um eine Wahnvorstellung in ihrem eigenen Kopf. Und diese Wahnvorstellung hatte natürlich auch alle Informationen zur Verfügung, die in Maras Kopf gespeichert waren – somit auch Maras Namen.

      Ich sollte mich wohl beeilen mit der Glatzen-Idee, überlegte Mara, bevor ich so bekloppt werde, dass ich den Langhaarschneider nicht mehr von einer Zucchini unterscheiden kann und versuche, mit einem Gemüse, das nach nichts schmeckt, Larissa den Kopf zu rasieren!

      »Hör auf damit!«, rief der Zweig und Mara schaute wieder zu ihm auf. »Du bist nicht verrückt, das musst du mir jetzt einfach glauben! Ich kann dir später alles erklären, aber jetzt musst du erst einmal aufhören mit diesem Unsinn! Bitte nicke einmal, wenn du einverstanden bist.«

      Mara nickte. Was hätte sie auch sonst tun sollen, denn offensichtlich konnte der Zweig ihre Gedanken lesen. War das der Grund, warum sonst niemand seine Stimme zu hören schien? Weil er irgendwie in Maras Kopf sprach? Oder war das noch ein weiterer Beweis dafür, dass Mara jetzt verrückt geworden war? Verrückte Menschen hörten doch auch Stimmen, wo keine waren …

      Und während Mara noch darüber nachdachte, was ihre nächsten Schritte sein würden, machten ihre Beine von alleine eben diese und trugen sie hinter Mama her durch die Haustür und die paar Treppen hinauf zu ihrer Wohnung im Erdgeschoss.

      »Also, was ist denn das?«, entfuhr es Maras Mutter, als sie sich im Spiegel neben den Garderobenhaken musterte und dann mit vorwurfsvollem Blick den Zweig aus ihrer Frisur zupfte. »Du hättest mir ja mal sagen können, dass ich den ganzen Weg hierher ausgesehen habe wie die Hottentotten!«

      Unter normalen Umständen hätte Mara vielleicht mit ihrer Mutter diskutiert, ob man mit nur einem einzigen Zweig im Haar schon aussah wie ein ganzer afrikanischer Volksstamm, der im Übrigen sicher völlig zu Unrecht als Sinnbild für Chaos und Unordnung gilt. Aber im Moment interessierte Mara nur eines: Sie musste unbedingt den Zweig wieder aus dem Müll fischen, ohne dass ihre Mutter es bemerkte.

      Nur 52 Sekunden später saß Mara schon an ihrem Schreibtisch und musterte den Zweig, der nun vor ihr in einem Stiftebehälter stand. Von ihrem Platz hatte Mara einen Blick in den Hinterhof und auf die große Esche, die zwar wenig Sonnenlicht in ihr Zimmer ließ, aber dafür vor den Blicken der Nachbarn schützte. Mara schaute auf den Zweig und irgendwie schaute der Zweig auch auf Mara, aber keiner sagte das erste Wort.

      Hatte sie sich das Ganze doch nur eingebildet? Oder sah es tatsächlich so aus, als würde der Zweig gerade ihr Zimmer inspizieren?

      Von seinem Platz auf dem Schreibtisch konnte er immerhin an ihr vorbei den ganzen Raum überblicken und plötzlich war Mara ihr alter Hello-Kitty-Bettbezug unangenehm. Eigentlich mochte sie den ganz gerne, aber nicht, wenn Besuch da war.

      Links neben dem Bett stand Maras klappriger Kleiderschrank, rechts davon ein kurzes Wandregal mit Büchern und neben dem Regal kam auch schon die Tür. Mehr passte in das kleine Zimmer beim besten Willen nicht hinein – zumindest nicht, wenn man irgendwo noch eine Mara unterbringen wollte.

      An allen Wänden und sogar an der Decke klebten Poster der Beatles. Mara war ein großer Beatles-Fan. Ganz besonders von Ringo, dem Schlagzeuger, denn der wirkte irgendwie immer gut gelaunt und auch ansonsten so ganz anders als Mara selbst. Außerdem hatte Ringo eine deutlich dickere Nase. Kannten Zweige die Beatles? Konnte man die Beatles nicht kennen? Machten Zweige Musik? Hilfe!

      Mara hielt es einfach nicht mehr aus.

      »Hast du jetzt gesprochen oder hab ich mir das nur eingebildet?«

      Der Zweig blickte sie an, als wolle er sagen: »Das ist eine alberne Frage.«

      »Das ist eine alberne Frage«, sagte der Zweig und es passte gut zu seinem Blick.

      Seine weiche, volltönende Stimme klang wie die eines erwachsenen Mannes, obwohl er gar nicht so alt wirkte. Aber das war bei Zweigen vermutlich etwas anders. Die bekamen ja auch keine grauen Haare und fanden auch nicht automatisch alles besser, was es seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr gab.

      »Entschuldigung«, murmelte Mara.

      »Schon in Ordnung«, sagte der Zweig. »Aber du solltest wissen, dass wir für so etwas leider keine Zeit haben. Genau genommen, haben wir höchstens noch vier bis fünf Stunden.«

      Mara blickte den Zweig so verständnislos an, wie man einen Zweig nur anblicken konnte, der Dinge sagte, die man nicht verstand.

      Der Zweig machte ein Geräusch, das wie ein Seufzer klang, und dabei schienen seine Blätter leise zu flattern.

      »Gut, dann stell dir mal einen Zweig vor, der mehr als ein paar Stunden von seinem Baum getrennt ist.«

      »Ah! Oh! Äh … soll ich dir vielleicht ein Glas Wasser holen?«, schlug Mara vor.

      »Das wäre wirklich nett von dir«, antwortete der Zweig in einem im wahrsten Sinne des Wortes trockenen Tonfall.

      Mara sprang so hektisch von ihrem Stuhl auf, dass der fast nach hinten umgefallen wäre, und nur 21 Sekunden später fand sich der Zweig in einem wohltemperierten Wasserglas wieder.

      »Ah … schon viel besser!«, sagte er und irgendwie drängte sich Mara der Vergleich zu einer Badewanne auf, als sich ihr Gast in dem Glas wohlig räkelte. Oder war das nur ein Luftzug gewesen?

      Aber Mara wollte darüber gar nicht weiter nachdenken, denn sie hatte ganz andere Fragen zu klären: »Was meintest du denn damit, dass wir keine Zeit haben? Für was denn?«

      »Nun, ich muss dir ein paar Dinge erklären, und du musst erst mal gar nichts machen, außer gut zuzuhören …«

      Mara wollte gerade nachfragen, was der Zweig mit erst mal meinte, als sich überraschend die Tür zu ihrem Zimmer öffnete.

      »Sprichst du mit irgendwem?«, fragte Maras Mutter und sah sich suchend im Zimmer um.

      Mara sprang auf und hätte dabei fast das Wasserglas umgeworfen.

      »Nein, nein, ich meine … na ja, fast … ich übe für … für das Schultheater!«, stotterte Mara, die nicht im Schultheater war.

      Das Gesicht von Maras Mutter erhellte sich schlagartig: »Du bist im Schultheater? Aber das ist ja großartig! Warum hast du mir das denn nicht erzählt?«

      »Ämpf«, machte Mara und fragte sich im selben Moment, was sie eigentlich hatte sagen wollen.

      Doch ihre Mutter lächelte sie an: »Ach, ist schon gut. Solange es das einzige Geheimnis ist, das du vor mir hast, mache ich mir keine Sorgen, haha!«

      »Ja. Haha. Ha«, sprach Mara und wusste, dass man sie so im Schultheater gleich wieder gefeuert hätte.

      Aber ihrer Mutter fiel das genauso wenig auf, wie ihr ja auch ansonsten nicht so viel auffiel. Also zog sie sich Mama-mäßig lächelnd zurück und die Tür hinter sich zu.

      »Ist ja leicht zu überzeugen, deine Mutter«, bemerkte der Zweig.

      »Meine Mama geht dich gar nix an!«, zischte Mara schärfer, als sie beabsichtigt hatte.

      Wie sie selbst über ihre Mutter dachte, war ganz allein ihre Sache. Andere hatten gefälligst nicht über Mama herzuziehen, und das galt auch für sprechende Pflanzen.

      »Schon gut«, antwortete der Zweig. »Tut mir leid. Setz dich bitte wieder hin.«

      Mara, die es hasste, wenn man sie herumkommandierte, setzte sich wieder hin, und der Zweig sprach weiter: »Vielen Dank. Nun ja, eigentlich war das alles ein bisschen anders geplant. Aber dummerweise habe ich den Wind falsch eingeschätzt und bin statt auf deinem Kopf neben deiner Mama auf dem Boden gelandet. Aber dafür haben die anderen sich alle richtig angestrengt und deiner Mutter eingeflüstert, dass


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