Im Schatten des Wolfes. H.E. Otys

Im Schatten des Wolfes - H.E. Otys


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es nicht gewusst hättest?«

      Wulf packte ihn am Kragen, doch Harold konnte sich erstaunlich gut wehren. Sie rangen, stemmten sich gegeneinander.

      »War der Bastard von dir?«

      »Was glaubst du denn? Von Leif etwa? Der kann nicht mal ...«

      Wulf stieß ihn an die hintere Wand. Harold holte mit dem Kopf aus, um ihn gegen den seines Bruders zu rammen. Wulf wich dem aus, dadurch konnte Harold sich etwas freimachen und sie schwankten durch den Raum, wo sie in der Mitte einen Moment voneinander ließen.

      Robyn stand mühselig auf, um ihnen aus dem Weg zu gehen. Harolds Hand schnellte nach ihr, griff ihre Haare.

      »Sie gefällt mir, Bruder«, rief er, »wir können sie uns teilen ... vielleicht bringst du es ja diesmal fertig, dass die Nachkommen von dir sind ...«

      Er stieß Robyn über die Bank vor dem Feuer. Diesmal blieb sie reglos liegen. Wulf nutzte seine kurze Unaufmerksamkeit, rammte ihm den Ellenbogen erst in den Unterleib und dann ins Gesicht. Er hörte den Knochen splittern, sah das Blut aus Harolds Nase schießen. Dieser Schmerz würde ihn lange genug betäuben. Harold krümmte sich vor Schmerz, seine Nase gab rasselnde Geräusche von sich. Für den Moment gab er sich geschlagen. Wulf fasste seine Schultern und zog ihn nach draußen in die Kälte, wo Harolds Pferd in der Nähe harrte. Harolds massiger, vom Met aufgedunsener Körper bereitete Wulf keine Schwierigkeiten. Er hievte ihn auf das Pferd, wo er nach vorn kippte und Halt am Hals des Pferdes fand.

      »Scher dich nach Hause, Bruder. Geh zu deinem Met. Und vergifte weiter das Ohr unseres Vaters ...«

      »Zum Teufel mit dir«, stieß Harold hervor.

      »Nein, zu ihm nicht. Ich werde in Walhalla sein und warten, dass wir Verrätern wie dir den Hals umdrehen.«

      Er berührte die Kruppe des Pferdes, worauf es sich in Bewegung setzte. Es würde seinen Weg zum Dorf und zur Halle allein finden.

      Wulf wandte sich ab. Der Rappe stand abwartend vor dem Eingang, im Lichtschein der Tür, wo er ihn stehengelassen hatte, als er ins Haus gestürmt war. Ihre Schreie hatten durch den Wald gehallt. Sie hatte die ganze Zeit nicht geschrieen, keinen Ton von sich gegeben, trotz allem. Die Reise, die Abneigung der Nordmenschen, wortlos hatte sie alles über sich ergehen lassen, hatte ihre Schmerzen verborgen, die Zähne zusammengebissen.

      Doch jetzt hatte sie geschrieen.

      Und ihm war plötzlich nach Lachen zumute. Doch es war bitter. Und es schien nie anders gewesen zu sein. Er konnte sich nicht mehr erinnern, je anders gelacht zu haben.

      Die Nixe, wer immer sie war, hatte verweigert, was wenige Frauen hier ausgeschlagen hätten. Vor allem hatte es Dora nicht. Vor allem sie nicht.

      Der Rappe wandte ihm den Kopf zu, als er nähertrat. Wulf fuhr kurz über die Stirn des Pferdes.

      »Ah, Sleip, wir waren zu lange fort«, murmelte Wulf.

      Der Rappe ließ ihn nicht aus den Augen. Das Feuer drinnen schien auf sie, umrahmte sie gegen den dunklen Wald hinter ihnen.

      Ohne die Zügel des Pferdes aufzunehmen, ging Wulf zum Stall, wohin ihm Sleip folgte. Er öffnete die Tür, ließ das Pferd an seinen angestammten Platz gehen, wo Arnulf ihm bereits am Morgen Wasser und Heu hingetan hatte. Wulf streifte ihm Sattel und Trense ab. Er legte das Zaumzeug achtlos an die Wand. Er würde sich später darum kümmern. Sleip war gut versorgt, so dass er durch die zweite Tür zurück ins Haus ging. Nachdem er die andere Tür auch geschlossen hatte, stand er für kurze Zeit am Feuer und blickte auf seine Frau. Die Unordnung, die der Kampf angerichtet hatte, interessierte ihn nicht. Er sah nur sie.

      Sie hatte ihre Wahl getroffen. Seinen Bruder abzuweisen, bedeutete alle hier abzuweisen. Zumindest die meisten. Wenige hielten zu Wulf. Sie respektierten ihn, aber trauten ihm nicht. Und Wulf erging es ebenso.

      Sie würde keine Sklavin sein. Aber seine Frau zu sein, war nicht bedeutend einfacher.

      Doch sie hatte sich entschieden.

      Er wickelte das Bündel auf, nahm den Armreif.

      Als er sich zu ihr niederließ, zögerte er noch kurz, ergriff dann aber ihr Handgelenk. Der Verschluss klickte kurz, das Licht des Feuers brach sich im Gold. Sie würde den Reif nie selbst abnehmen oder abstreifen können, er war zu eng, der Verschluss nur mit beiden Händen zu öffnen.

      Er betrachtete den Reif kurz, ihren Arm. Er hatte sie in Arnulfs Haus so gesehen. Mit dem Reif. Es schien richtig.

      Wulf umfasste ihre Schultern mit dem einen, ihre Beine mit dem anderen Arm und zog sie zu sich heran. Ihr Kopf lehnte an seinem Oberarm.

      Trotz Harolds Übergriff roch sie gut. Seife schien ihr kein Fremdwort. Selbst ihr Haar fiel feucht über ihre Schultern. Er bemerkte die geraden Enden. Jemand schnitt ihr das Haar. Keine der Nordfrauen hier tat das, sie ließen es wachsen. Obwohl sie während der Fahrt nur Suppe zu sich genommen hatte, spürte Wulf, dass sie gut genährt war. Kein Zeichen von Armut. Und sie sprach nicht das Angelsächsisch der niederen Leute. Wulf konnte unterscheiden, er hatte unter dem Kaiser von Byzanz lange mit Angelsachsen gedient. Er hatte ihre Sprache gelernt, ihre Kultur und gesellschaftliche Gliederung.

      Der Daumen jener Hand, die ihre Beine hielt, strich über ihre nackte Haut. Sie war weich, so weich wie jene der adligen Frauen in Byzanz, die ihre Zeit in Bädern und bei Massagen verbrachten.

      Wulf atmete lang und tief aus.

      Diese Angelsächsin hätte einiges Geld eingebracht, hätte man sie weiterverkauft. War sie zudem in der Lage, einen Mann zufriedenzustellen, stieg ihr Preis ins Unermessliche. Dies herauszufinden, würde er später Gelegenheit haben.

      »Menschen leben, um zu sterben ...«

      Wulfs Blick schnellte zu ihren Lippen. Die Worte waren leise, doch deutlich. Ihr Blick war starr, auf das Feuer geheftet, dessen Wärme sie nun, da die Tür wieder verschlossen war, erreichte und ihre Füße und Beine wärmte. Sie sprach noch immer angelsächsisch, wissend, dass auch er sie verstand.

      »Wir leben, um zu büßen ... Wir werden ewig für meine Rettung büßen ... Du hättest mich sterben lassen sollen ... sterben ...«

      »War es das, was du wolltest?« Seine Worte veranlassten sie, ihren starren Blick zu lösen. Ihren dunklen Augen sahen ihn einen Moment lang an.

      »Was glaubst du?« Da war kein Vorwurf in ihrer Stimme. Sie erwartete auch keine Antwort.

      »Nixe«, sagte er dann, »was auch immer ich vom König halte, ich werde mich seinem Willen beugen. Und das solltest auch du tun. Es gibt kein Zurück mehr.«

      »Muss ich mich dem Willen deines Bruders etwa auch beugen?« Diesmal war es ein Vorwurf.

      Er antwortete nicht, stieß nur verärgert die Luft aus.

      »Verzeih«, sagte sie müde. Sie krallte eine Hand in sein Hemd, um sich in eine bequemere Position zu bringen. Sie musste nach ihrem Ohr greifen, lehnte sich mit der Hand daran wieder kraftlos an ihn.

      »Bist du gesprungen, bevor das Boot unterging?«, wollte er wissen. Er trug ihr den Vorwurf nicht nach.

      »Ja.«

      »Sie haben dich geraubt?«

      Sie nickte leicht.

      »Wo?«

      »Jorvik.«

      Wulf ließ die Antwort kurz auf sich wirken. Ein langer Weg lag hinter ihr. Sie war fernab ihrer bekannten Welt. Es gab kein Zurück mehr. Nicht jetzt, nicht im Frühjahr. Niemals.

      Er sah, dass sie ihr Handgelenk betrachtete, es leicht hin und her bewegte.

      Dann blickte sie ihn fragend an.

      »Später, Nixe. Wenn die Zeit gekommen ist.«

      Sie sagte nichts darauf, schwieg einen Moment, als müsse nun sie etwas wirken lassen. Robyn wusste, dass es eine Hochzeitsgabe


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