Hoffnung, die uns trägt. Rolf Pöhler
Kapitel 27 Endegut,alles gut ................................................................................................ 170
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Hoffnung, die uns trägt
Unterwegs im Glauben
Offenheit für neue Erkenntnisse
M
it etwa 30 Jahren war er zum Dekan der philosophischen Fakultät – einige
Jahre später zum Rektor – der ältesten Universität in Mitteleuropa ernannt
worden, die 1348 von Kaiser Karl IV. in Prag, der Hauptstadt des Heiligen Römi-
schen Reiches, nach dem Pariser Vorbild gegründet worden war. Daneben übte er
noch Priestertätigkeiten an der Bethlehem-Kapelle aus, wo er in der tschechischen
Volkssprache predigte. Die Rede ist von dem böhmischen Reformator Jan Hus (um
1370-1415), der durch seine Kritik an der verweltlichten Kirche, sein Bekenntnis
zur Autorität der Bibel und sein Eintreten für die Gewissensfreiheit in Konflikt mit
der Kirche seiner Zeit geriet.
Zunächst untersagte man ihm die Ausübung seiner priesterlichen Funktionen,
später wurde er mit dem Kirchenbann belegt. Schließlich sollte er sich vor dem
Konstanzer Konzil rechtfertigen. Trotz des Versprechens von König Sigismund auf
freies Geleit wurde Hus in Konstanz verhaftet, verurteilt und 1415 mitsamt seiner
Bücher auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Damit endete die Karriere des Prager
Theologieprofessors, der sich bereits in jungen Jahren eine Regel zu eigen gemacht
hatte, die ihn später Kopf und Kragen kosten sollte: „Vom Beginn meines Studiums
an habe ich es mir zum Grundsatz gemacht, dass ich, sobald ich eine richtigere
Meinung kennenlerne, sofort von meiner weniger richtigen ablasse und beschei-
den und freudig die besser begründete Ansicht annehme.“ Wer heute das Hus-
Museum in Konstanz besucht, kann diesen Text als Inschrift am Hus-Haus wieder-
finden.
Nicht immer endet die Lebensgeschichte der mutigen Bekenner des Glaubens auf
dem Scheiterhaufen. Hundert Jahre später entging Martin Luther diesem
Schicksal, doch die Haltung war dieselbe, die er auf dem Reichstag zu Worms vor
Kaiser und Fürsten an den Tag legte: „Wenn ich nicht mit Zeugnissen der Schrift
oder mit offenbaren Vernunftgründen besiegt werde, so bleibe ich von den
Schriftstellen besiegt, die ich angeführt habe, und mein Gewissen bleibt gefangen
in Gottes Wort. Denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, weil es
offenkundig ist, dass sie öfters geirrt und sich selbst widersprochen haben.“
Hoffnung, die uns trägt
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Präambel
Jan Hus wurde 1415 mitsamt seiner Bücher in Konstanz auf
dem Scheiterhaufen verbrannt – vermutlich an dieser Stelle,
wo heute ein Gedenkstein daran erinnert.
Im Glauben wachsen
Was für Päpste und Konzilien zutrifft, gilt auch für theologische Konferenzen und
kirchliche Synoden: Sie können irren (und sie haben geirrt). Dabei ist das
Eingeständnis eines Fehlers eigentlich kein Makel. Im Gegenteil: Wer seine Fehler
erkennt und eingesteht, hat an Einsicht gewonnen und meist eine neue Erkenntnis
dazu. Deshalb ist dem englischen Dichter und Schriftsteller Alexander Pope zuzustim-
men, der meinte: „Niemand sollte sich jemals schämen zuzugeben, dass er sich geirrt
hat; denn das bedeutet nichts anderes, als dass er heute weiser ist als gestern.“
Der englische Theologe John Henry Newman (1801-1890) – der Aufsehen erregte,
als er von der anglikanischen zur katholischen Kirche übertrat – drückte eine ähnliche
Erkenntnis aus: „Leben heißt sich ändern, und vollkommen sein heißt, sich oft geän-
dert haben.“ Gerade aus christlicher Sicht ist die Bereitschaft zur Veränderung eine
wichtige Voraussetzung für ein gesundes Wachstum im Glauben. „Wachset in der
Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Retters Jesus Christus!“ schrieb Petrus an
die Gläubigen (2 Ptr 3,18 EÜ*), während sich Paulus über die Christen in Thessalonich
freute, „denn euer Glaube wächst ständig“ (2 Ths 1,3 Hfa). Nur wer sich in seinem
Denken verändern lässt, kann den Willen Gottes erkennen (Röm 12,2).
Bereits Jesus hatte seine Jünger darauf hingewiesen, dass es für sie auch später
noch manches zu lernen geben würde: „Ich hätte euch noch viel mehr zu sagen,
aber ihr könnt es jetzt noch nicht begreifen. Wenn aber der Geist der Wahrheit