Wölfe im Schafspelz. Edin Løvås

Wölfe im Schafspelz - Edin Løvås


Скачать книгу
Argumenten, die ihnen helfen, ihre Position auszubauen.

      Sind diese Menschen krank? Ich bin mir nicht ganz sicher. Es ist möglich, dass ihre Seele einem Auto mit verbogenem Rahmen gleicht. Meiner Ansicht nach geht es aber in erster Linie um eine eingefahrene Handlungsorientierung, eine „Kontinuierlichkeit der Sünde“ (Kierkegaard). In Jakobus 1,14 - 16 ist von der „Versuchung zur Sünde“ die Rede. Da heißt es:

      „Wer versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt. Wenn die Begierde geschwängert ist, gebiert sie die Sünde; wenn aber die Sünde reif ist, gebiert sie den Tod“ (Vers 15).

      Um welche Art von Sünde geht es bei Machtmenschen? Wenn wir Jakobus 3,16 und 4,1 - 2 nachlesen, werden dort Neid, Selbstbehauptung und Machtlüsternheit genannt; ihre Folge sind Streit und Unfriede. Hier sind wir am Kern der Sache. Gewisse Menschen sind zur Machtbegierde disponiert, so wie andere Menschen für andere Sünden besonders anfällig sind. Alle Menschen sind solchen Neigungen ausgesetzt. Deswegen steht im 1. Petrusbrief: „Haltet euch frei von selbstsüchtigen Begierden, die gegen die Seele streiten!“ (1. Petr. 2,11.) Hat jemand eine latente Machtbegierde und gibt er ihr in seiner Phantasie und in seinen Gefühlen Raum, wird die Begierde „geschwängert“ und gebiert die Sünde. In diesem Fall bedeutet das, dass sich ein Mensch dem schlimmsten aller Rauschzustände ausliefert: dem Machtrausch. Wer dem Machtrausch fortgesetzt nachgibt, wird nach und nach sein Sklave, „denn von wem jemand überwunden ist, dessen Sklave ist er geworden“ (2. Petr. 2,19). Soweit ich es als Christ und Seelsorger beurteilen kann, wird ein Mensch gewöhnlich auf diese Weise zum Machtmenschen.

      Kann solch ein Mensch Christ sein? Ich will mich mit meinem Urteil zurückhalten, zumal es Menschen gibt, die keine Vollblut-Machtmenschen sind, aber machtlüsterne Tendenzen erkennen lassen. Ihre Lebensführung und ihre Haltung weisen eine Reihe von Zügen auf, die zum Gesamtbild des Machtmenschen passen.

      Dennoch ist es sehr ernst zu nehmen, wenn Jakobus den zitierten Worten hinzufügt: „Wenn die Sünde reif ist, gebiert sie den Tod.“ Das entspricht dem, was in 1. Johannes 5,16 - 17 steht: „Es gibt Sünde, die zum Tode führt …

      Alles Unrecht ist Sünde; aber es gibt Sünde, die nicht zum Tode führt.“ In 2. Petrus 2,12 ist von Menschen die Rede, die an ihrer eigenen Verdorbenheit zugrunde gehen.

      Es kann geschehen, dass sich der Machtmensch so lange dem Machtrausch hingibt, bis dieser die Steuerung seiner gesamten Persönlichkeit übernimmt. Dann besteht die Gefahr, dass es zum geistlichen Tod kommt.

      Machtmenschen müssen immer im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Sie lieben Situationen, in denen ihre Umwelt über sie redet. Sie genießen es, wenn die Leute die Köpfe zusammenstecken oder in den Ecken über sie tuscheln. Es macht ihnen wenig aus, ob gut oder schlecht über sie geredet wird, solange sie das allgemeine Interesse auf sich konzentrieren können.

      Sobald sich die Situation beruhigt hat und sie aus irgendeinem Grund nicht mehr im Rampenlicht stehen, ärgert sie das. Dann bemühen sie sich, irgendetwas Dramatisches zu tun, damit sich die Lichtkegel auf sie richten und sie wieder in aller Munde sind. Handelt es sich um einen Gemeindeleiter, kann er zum Beispiel Intrigen und Klatsch inszenieren. Es kann zu einer Fülle von Anschuldigungen kommen. Solch ein Leiter kann sich aus heiterem Himmel mitten in einer Gemeindeversammlung erheben und verkünden, dass er gewissen Leuten die Masken vom Gesicht reißen oder gewisse Missstände entlarven werde. Er sieht den Splitter im Auge der anderen, aber nicht den Balken im eigenen Auge.

      Machtmenschen können aber auch die genau entgegengesetzte Methode verfolgen. Sie können mit einer solchen „Geistlichkeit“ auftreten und sich als große Propheten und Helden aufspielen, sodass sie bei den Leuten deswegen ins Gerede kommen. Jesus hat etwas über die Pharisäer gesagt, was – mit zeitbedingten Abwandlungen – auf alle Machtmenschen zutrifft: „Alle ihre Werke tun sie, um von den Leuten gesehen zu werden. Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern groß. Sie sitzen gern obenan bei Tisch und in den Synagogen und haben es gerne, auf dem Markt gegrüßt und von den Leuten Rabbi genannt zu werden“ (Matth. 23,5 - 7). Jesus wollte damit nicht sagen, der beste Christ sei der, der am unauffälligsten ist. Aber er unterstrich nachdrücklich, dass das Motiv für die Handlung eines Christen niemals darin bestehen darf, das Interesse auf sich selbst zu ziehen, um anerkannt zu werden. Als Paulus und Barnabas in Lystra als Götter verehrt wurden und die Leute ihnen opfern wollten, erschraken die beiden derart, dass sie – nach damaliger Sitte – ihre Kleider zerrissen, der Menschenmenge entgegenliefen und riefen: „Was macht ihr da? Auch wir sind sterbliche Menschen wie ihr!“ (Apg. 14,15.) Hauptziel ihres Lebens und Tuns war es, Christus zu verherrlichen und sein Evangelium zu verkündigen. Wir dürfen nie vergessen, dass wir Menschen immer nur „Mondlicht“ ausstrahlen können. Das Sonnenlicht kommt von Christus. Ein Machtmensch hätte niemals so reagiert, wie Paulus und Barnabas es getan haben. Er hätte sich stattdessen pudelwohl gefühlt und die Erregung bis zuletzt ausgekostet. Er möchte ja vor allem, dass man ihm dient und sein Wort wie einen göttlichen Befehl befolgt.

      Um die Aufmerksamkeit der Leute aufrechtzuerhalten und um sich in immer bessere Machtpositionen hochzuarbeiten, befinden sich Machtmenschen dauernd in Angriffshaltung. Das strengt sie nicht an. Es ist ja ihr Lebenselixier.

      Selbstverständlich gibt es auch gesunde Kämpfernaturen. Sie tauchen im Alten und Neuen Testament und in der Kirchengeschichte immer wieder auf. In den Kirchen, Glaubensgemeinschaften und christlichen Institutionen sind Menschen wichtig, die den Mut haben, voranzugehen und etwas durchzusetzen. Es ist auch natürlich, dass solche Naturen auffallen. Wir lesen von ihnen in den Zeitungen, hören von ihnen im Radio und sehen sie im Fernsehen. Manche von ihnen schlagen beim Kampf für die gute Sache und für das, was sie für die rechte Lehre halten, gelegentlich über die Stränge. Manchmal sind ihre Ansichten einseitig und unausgewogen. Sie neigen auch dazu, ihre Gegner ziemlich rücksichtslos zu behandeln. Taktische Schachzüge gehören durchaus zu dem Repertoire von Mitteln, die sie einsetzen, um ihr Ziel zu erreichen.

      Dennoch handelt es sich hier um etwas ganz anderes als beim Kampf und bei der Aggressivität der Machtmenschen. Auf den ersten Blick kann es so aussehen, als ginge es auch ihnen um die „Sache“; aber kratzt man ein bisschen an der Oberfläche ihrer „Sache“ oder „Lehre“, merkt man sofort, dass es dem Machtmenschen um ganz andere Dinge geht, als es bei den gesunden Kämpfern der Fall ist. Der Machtmensch ist bereit, seine Gegner auszuschalten, um Platz für sich selbst zu schaffen. Er will seinen Opfern ihre natürliche Selbstachtung nehmen, um damit ungehinderter bestimmen zu können.

      In einer Gemeinde möchte die Gruppe der Ältesten, Leiter oder Kirchenvorsteher in der Regel Frieden und eine ruhige Arbeitsatmosphäre bewahren. Zugleich wundern sie sich über all die Intrigen und den Klatsch hinter den Kulissen. Sie versuchen es mit gutem Zureden und mit „klärenden Gesprächen“. Eine Weile scheint das zu wirken. Alle freuen sich, und auch die Gemeindeleitung ist zufrieden. Einige Gläubige deuten allerdings vorsichtig an, dass sie wegen einer bestimmten Person gewisse Ängste haben, werden aber beruhigt.

      Nach einer kurzen Periode scheinbarer Ruhe und scheinbaren Friedens beginnt jedoch der Streit erneut aufzuflammen. Weitere „Aussprachen“ werden abgehalten, Schreibfreudige setzen Briefe auf, die offensichtlich unter innerem Druck entstanden sind. Der Pastor oder Pfarrer und die Verantwortlichen der Gemeinde mahnen zur Einheit. „Wenn es eine Auseinandersetzung gibt, ist niemals einer allein schuld!“, sagen sie.

      So kann es jahrelang gehen. Der Machtmensch arbeitet während dieser Zeit unermüdlich und ungehindert weiter, während er diejenigen einschüchtert und ausschaltet, die seine Machtposition bedrohen. Mitunter endet es damit, dass solche Menschen den Vorstand unter ihrer Kontrolle haben, sodass es fast unmöglich ist, sie loszuwerden. Zu diesem Zeitpunkt haben sie bereits genügend Anhänger, die bereit sind, allen, die als „Konkurrenten“ empfunden werden, mit Hass und Widerwillen zu begegnen. Rechtshändel folgen solchen Verhältnissen häufig auf dem Fuß. „Ich gebe nicht klein bei, bis mein ganzer Grundbesitz höchstrichterlich umzäunt ist!“, sagt einer, der in ständigem Zwist mit seinen Nachbarn liegt.

      Viele


Скачать книгу