Analytische Belletristik. Группа авторов

Analytische Belletristik - Группа авторов


Скачать книгу

      

      Analytische Belletristik

      Essays und Gespräche

      Hg.: Mark Ammern

      AutorenVerlag Matern

      Die Texte vollziehen eine belletristische als auch analytische Auseinandersetzung in Form von Essays und Gesprächen. Im Zentrum stehen Fragen nach künstlerischer Autonomie und Angemessenheit, Fragen nach einer neuen Ästhetik.

      Diese Ausrichtung ist nicht nur belletristisch interessant, sondern auch mit Blick auf einen Markt gerichtet, der zunehmend gleichartige, zum Verwechseln ähnliche Bücher produziert, die sich lediglich preislich differenzieren ließen.

      1. EBook-Auflage 2014, Version 1.1

       Copyright © 2014 AutorenVerlag Matern

       Cover-Design: Joshua, unter Verwendung von Textures

       aus dem Portal: freetextures.org

       Zeichensätze: linuxlibertine.org

       www.softmaker.de (Cover)

       ISBN 9783929899115 (ePub)

       ISBN 9783929899153 (Kindle KF8)

      Alle Rechte vorbehalten

      Besuchen Sie uns auf unserer Website, oder bei Facebook

      Vorwort

      Der Band ist ein Ergebnis von Diskussionen im privaten Kreis; letztlich Beiträge geliefert haben Kathrina Talmi, Reinhard Matern und ich. Der Titel deutet bereits an, dass die Essays keine wissenschaftlichen oder philosophischen sind, sondern belletristische, obwohl uns Schönheit gar nicht interessiert. Das zentrale Anliegen der Texte ist, eine alternative Ästhetik zu entwickeln, pragmatische Kriterien, die zwar begründet werden – doch eine Theorie hätte anderes zu bieten, als ein paar Vorschläge.

      Fast alle der zusammengestellten Texte sind bereits in Blogs vorveröffentlicht worden. Kathrina Talmis „Jenseits vom Absoluten“ bei kathrina-talmi.tumblr.com, das Gespräch „Das Dilemma der Literaturkritik“ und Reinhard Materns Nachwort auf freitag.de/autoren/rmatern, meine Einleitung als auch „Autonomie und Angemessenheit“ bei markammern.blogger.de.

      „Analytische Belletristik“ wird aus einer Haltung produziert, die einer Analyse den Vorrang vor gesellschaftlichen Konventionen einräumt. Niemand von uns setzt diese Haltung oder die literarischen Ergebnisse absolut. Will man jedoch nicht blind einem Hören und Meinen folgen, ist das kritische Verfahren eine geeignete, eine angemessene Vorgehensweise. In „Deformation, Dekonstruktion und Analyse“ von Matern wird im Kontext erläutert.

      Mark Ammern

      Einleitung

      – Mark Ammern –

      Die Kritik am derzeitigen Literaturbetrieb ist nahezu umfassend geworden: Sie betrifft die Themen der Texte, z.B. eine Konzentration auf Familiengeschichten (vgl. Schröder, Ch., 2014), die nicht nur durch ihre Häufigkeit langweilen, sondern auch durch ihre gesellschaftliche Belanglosigkeit. Familiäre Verwicklungen in die Zeit des Nationalsozialismus oder des DDR-Sozialismus ließen Familienromane in der Nachkriegs- bzw. Nachwendezeit plausibel erscheinen, ebenso weitaus früher verfasste Romane über ein dynastisch organisiertes Bürgertum, das zwar gesellschaftlich herrschte, doch die übernommene Verantwortung nicht tragen konnte. Fehlen solche gesellschaftlich relevanten historischen Komplexe, werden Familiengeschichten zu beliebigen Erzählungen, die bestenfalls in ein Album gehören, nicht jedoch in ein öffentlich präsentierbares Buch.

      In Bezug auf Themen plädiert Enno Stahl für einen Sozial-Realismus in der Literatur, der die Besonderheiten entstandener gesellschaftlicher Verwerfungen berücksichtigt, auch das Prekariat (vgl. Stahl, E., 2013). Und er scheut nicht davor zurück, eine Funktion anhand beschriebener Lebensumstände und Figuren in Aussicht zu stellen, die Zurückgewinnung von Individualität und Identität in der Auseinandersetzung: eine sozialistisch inspirierte Vorbildfunktion. Gegen eine literarische Berücksichtigung gesellschaftlich relevanter Faktoren wäre überhaupt nichts zu sagen, falls denn Autoren eine solche Wirklichkeit aus Erfahrung kennengelernt haben, doch die Einbindung von Literatur in ein politisch inspiriertes Programm belässt nicht nur Sprache unter ihren Möglichkeiten, sie legt ein durchschnittliches Verhalten an: z.B. die des neuen Lumpenproletariats, um es letztlich mit einer Wendung ins beanspruchte Ideal teleologisch zu überhöhen.

      Ich möchte eine Diskussion von Themen gar nicht weiterführen, weil sie den Blick zu sehr einengt. Einer Sensibilisierung von Autoren in Bezug auf gesellschaftlich relevante Texte wäre nichts entgegenzusetzen, doch die Spannweite einer literarischen Motivation kann weiter reichen, als es eine Funktionalisierung erlauben würde.

      Mich irritiert am Literaturbetrieb, dass Verlage und Kritik in den letzten Jahrzehnten überwiegend literarische Standards bevorzugt haben, die auf eingängige Geschichten, also auf einen überschaubaren Plot setzten, auf Durchschnittsfiguren und auf eine durchschnittliche Sprache, die nach Vorgabe einer kriselnden Branche, in der alles, Texte, Preise, Stipendien, was auch immer, nur einem zu dienen hat: einer Verkaufshow, auf welchem Sender, in welchem Blatt, auf welcher Internetseite auch immer. Was durch die schnellebige Medienlandschaft nicht rasch zu vermitteln ist, entfällt. Dies sind die Minimalstandards von Kitsch, sähe man davon ab, dass noch eine Suhle fehlen würde.

      Aktuelle Ausnahmen wie „Gewäsch und Gewimmel“ (Brigitte Kronauer), „Arbeit und Struktur“ (Wolfgang Herrndorf ) oder „Der schaudernde Fächer“ (Ann Cotten) zeigen, dass es literarisch auch anspruchsvoller zugehen kann. Die SchriftstellerInnen gehören unterschiedlichen Generationen an, arbeiten bzw. arbeiteten auch unterschiedlich, dennoch eint sie, wenn auch aus verschiedenen Gründen und in differenter Weise, ein individueller Zugang zur Literatur. Erstaunen kann hingegen, dass innerhalb der Kritik wieder jene Standards angelegt werden, die zu literarischem Ramsch führten: der Erzählerin von „Gewäsch und Gewimmel“, einer Physiotherapeutin, wird spekulativ abgesprochen, das sprachliche Kunstwerk erschaffen zu haben. Dazu bedürfe es eines gottgleichen Erzählers. (Vgl. Jessen, J., 23.11.2013). Diese Fixierung auf gesellschaftlich durchschnittliches Verhalten lässt Literatur verkommen, auch wenn man die Passage als Lob an der Autorin missverstehen könnte.

      Literarisch wäre es nicht erforderlich, sich an Typisches oder Durchschnittliches zu halten, das entweder durch vielfache Lebenserfahrungen oder durch soziologische Studien abgesichert werden könnte. Wer danach sucht, interessiert sich nicht für Literatur, sondern für eine simple Bestätigung, für eine Spiegelei von Horizonten, seien sie auch äußerst eng und dürftig. Doch Literatur kann aus dieser gesellschaftlichen Funktionalisierung ausbrechen, innerhalb als auch außerhalb des Betriebs.

      Um den traditionelle Literaturbetrieb erfassen zu können, wäre die Anfertigung eines Modells wenig hilfreich. Würde man germanistisch, soziologisch oder kulturwissenschaftlich auf Autoren, Agenten, Verlage, Kritiker, Medien, Händler und ihre jeweiligen Aufgaben und komplexen Abhängigkeiten einen schematischen Blick werfen, wäre der empirische Gehalt äußerst gering. Den Betrieb machen letztlich die persönlichen Kontakte aus, die informellen. Sind diese im Laufe eines Autorenlebens oder einer Verlagstätigkeit nicht entstanden, bleibt ein Zugang verwehrt. Durchaus wäre eine Markttägkeit möglich, sogar in einer Branche, bezeichenbar als ‚Literatur‘ bzw. ‚Buch‘, doch nur außerhalb des Betriebs.

      Der Weg, Kontakte entstehen zu lassen, wurde in der Zeit meiner Anfänge häufig als ‚Ochsentour‘ ausgewiesen, weil hierarchische Strukturen zu überwinden waren: von den ersten Veröffentlichungen in lokalen Blättern bis hin zu Publikationen in einem angesehenen Verlag. Wer mit seinen Texten nicht den jeweiligen Geschack traf, wessen Texte z.B. einer emphatischen Wahrheit widerstanden, nicht für ein gutes Buch taugten, um zwei prominente Phrasen des ehemaligen Hanser-Verlegers Michael Krüger anzuführen, blieb außen vor.

      Diese verlegerische Gate-Keeper-Funktion hatte in Deutschland stets auch etwas Ideologisches: Sie war orientiert an gesellschaftlich in Mode gekommenen Philosophien. Besonders hervorhebbar sind meines Erachtes die Texte von Walter Benjamin, mit etwas Abstand auch die von Ernst Bloch und manchen anderen. Im Laufe


Скачать книгу