Der Hüter der Sphären. Chris Vandoni
Flugs keinerlei Schwierigkeiten. Er berichtete uns zudem, dass sein erster Eindruck bezüglich Flughöhe der Kugeln falsch war. Er meinte, sie befänden sich in weitaus größerer Höhe als zuvor angenommen.
Dann gaben wir einem zivilen Frachtgleiter die Starterlaubnis. Auch sein regulärer Flug verlief ohne Komplikationen. Trotzdem beließen wir die Abwehrmechanismen in höchster Alarmbereitschaft. In der Folge stellten wir fest, dass von verschiedenen Provinzflugplätzen kleinere Privatgleiter ohne offizielle Starterlaubnis abhoben. Wir verfolgten deren Kurs. Es gab auch hier keine Schwierigkeiten. Alle erreichten ihr Ziel unbeschadet.
Schließlich ließen wir einen Liniengleiter mit freiwilligen Passagieren starten. Sie werden es nicht glauben, der Zustrom an Freiwilligen, die sich für diesen Flug gemeldet haben, hätte zehn Liniengleiter bis auf den letzten Platz gefüllt.«
Ein kurzes Lachen erfüllte den Raum.
»Und was ist mit unseren vielen Satelliten?«, fragte ein Mitglied des Weltrats. »Diese befinden sich doch alle oberhalb der Flughöhe der Kugeln.«
»Die Satelliten befinden sich ausnahmslos auf ihren regulären Bahnen oder Positionen und senden nach wie vor ihre Signale zur Erde. Eigentlich müsste der Signalaustausch zwischen den Satelliten und der Erde durch die hohe Anzahl der Kugeln gestört sein. Aber es liegen keinerlei Beeinträchtigungen vor.«
Der General blickte ins Auditorium und wartete auf weitere Fragen. Aber es kamen keine. »Wir gehen davon aus, dass diese Kugeln an unserem Flugverkehr nicht interessiert sind. Noch nicht. Sollte jedoch nur ein einziges unserer Fluggeräte angegriffen oder sogar beschossen werden, sollten wir unverzüglich Gegenmaßnahmen ergreifen.«
»Dies würde eine Autorisierung des Weltrats erfordern«, sagte ein Mitglied der höchsten Instanz.
»Dessen bin ich mir sehr wohl bewusst.«
Ashraf Desai erhob sich und schritt zum Rednerpult. »Vielen Dank, General Morcroft, für Ihre detaillierten Ausführungen. Ich möchte nun Alan Simmerman bitten, uns über die Erkenntnisse und Einschätzungen des Wissenschaftlichen Rats zu informieren.«
Simmerman trat ans Rednerpult, räusperte sich einmal und blickte zu seinem Publikum. »Meine Damen und Herren. Heute Morgen haben wir Resultate weiterer Messungen und Analysen erhalten. Sie stammen von verschiedenen Observatorien und Radarstationen und wurden untereinander verglichen und verifiziert.«
Er sah auf das große Display vor sich, als ob er Daten studieren würde. Dann blickte er auf und sprach weiter: »Bei diesen Messungen sind einige Merkwürdigkeiten aufgetaucht, die wir versuchen sollten, richtig zu deuten und zu interpretieren.«
Im Saal herrschte absolute Stille. Sämtliche Blicke hafteten an den Lippen des Redners.
»Mittlerweile konnte die genaue Flughöhe der Kugeln gemessen werden. Sie liegt exakt auf der Stratopause, also ziemlich genau fünfzig Kilometer über mittlerer Meereshöhe, auf der Grenze zwischen Strato- und Mesosphäre. Wir gehen davon aus, dass dies kein Zufall ist. Auch dass der Signalaustausch zwischen den Satelliten und der Erde nach wie vor intakt ist und der planetarische Flugverkehr ungehindert funktioniert, betrachten wir nicht als Zufall.«
Der Sprecher machte eine kleine Pause, räusperte sich erneut und blickte wieder auf sein Display. »Des Weiteren konnte die genaue Größe der Kugeln ermittelt werden. Der Durchmesser beträgt exakt dreizehn Kilometer und vierhunderteinunddreißig Meter.«
Ein Raunen ging durch die Menge.
»Nachdem sich die Kugeln im Luftraum der gesamten Erdoberfläche in genauen, regelmäßigen Abständen zueinander verteilt und wir die exakte Flughöhe festgestellt hatten, konnten wir auch die genaue Anzahl ermitteln. Das Ergebnis hat uns überwältigt. Insgesamt sind es 3.177.933 Kugeln.«
Ein kollektiver Aufschrei ging durch den Saal. Die entsetzten Gesichter sahen entweder zum Rednerpult oder zu ihren Nachbarn. Gleich darauf entbrannte eine wilde Diskussion.
»Meine Damen und Herren. Bitte beruhigen Sie sich. Es gibt absolut keinen Grund zur Panik. Lassen Sie mich die weiteren Erkenntnisse schildern.«
Nur zögernd kehrte im Saal wieder Ruhe ein. Die Blicke sämtlicher Ratsmitglieder waren wieder auf das Rednerpult gerichtet.
»Ich muss ehrlich zugeben, dass wir mit unseren ersten Einschätzungen völlig daneben lagen. Ich gehe davon aus, dass es den meisten von Ihnen ebenso ergangen ist. Erstens vermuteten wir die Kugeln wesentlich näher an der Erdoberfläche, zweitens hielten wir sie für kleiner und drittens schätzten wir ihre Anzahl wesentlich geringer ein.« Wieder eine kleine Pause. »Doch diese Zahlen haben noch eine ganz andere Bedeutung, wie wir feststellen konnten. Und das sollte uns wirklich zu denken geben. Nehmen wir den Durchmesser von 13,431 Kilometern und multiplizieren ihn mit 3,14159, der Kreiszahl Pi, so erhalten wir für den Umfang den Wert 42,195 Kilometer.«
Als niemand reagierte, fragte Simmerman: »Fällt Ihnen dabei nichts auf?«
Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Rats hielten sich bedeckt, da sie die Antwort bereits kannten.
Plötzlich erhob sich ein ranghohes Mitglied des Militärischen Rats und sagte: »Das ist die exakte Länge eines Marathonlaufs.«
Die Anwesenden sahen sich verwirrt an. Niemand konnte sich vorstellen, warum der Umfang dieser Kugeln etwas mit der Länge eines Marathonlaufs zu tun haben sollte.
»Das könnte ein Zufall sein.«
»Es gibt eine weitere Zahl, die uns bekannt sein sollte. Die Erde hat eine Oberfläche von 510.072.000 Quadratkilometern. Berücksichtigen wir die Flughöhe der Kugeln von fünfzig Kilometern und bilden daraus eine imaginäre, äußere Kugel, deren Durchmesser auf jeder Seite fünfzig Kilometer größer ist, würde diese Oberfläche 518.101.922 Quadratkilometer betragen. Die Anzahl der Kugeln auf diese Fläche verteilt, würde eine Dichte von hundertdreiundsechzig Kilometern und einunddreißig Metern ergeben. Subtrahiert man davon den Durchmesser der Kugeln, so bekommen wir als Distanz zwischen den Kugeln die Strecke von hundertneunundvierzig Kilometern und sechshundert Metern. Dies entspricht exakt dem Tausendstel der Distanz zwischen der Erde und der Sonne.«
»Auch das könnte ein Zufall sein.«
»Könnte es«, antwortete Simmerman. »Ist es auch Zufall, dass sämtliche Kugeln genau auf der Stratopause schweben? Ist es auch Zufall, dass trotz der enormen Anzahl von über drei Millionen Kugeln der Funkverkehr mit unseren Satelliten in keiner Weise eingeschränkt wird? Dass unser Flugverkehr nicht beeinträchtigt wird? Und noch einen weiteren Faktor sollten wir berücksichtigen. Nämlich dass die Kugeln bis zu diesem Zeitpunkt keine feindlichen Aktivitäten gezeigt haben.«
»Was schließen Sie aus diesen Übereinstimmungen?«, fragte General Morcroft resolut.
»Wir glauben, dass es sich hierbei um gezielte Botschaften handelt«, antwortete Simmerman. »Nur wissen wir noch nicht, wie wir sie zu interpretieren haben.«
Wieder brach unter den Anwesenden eine heftige Diskussion aus. Alan Simmerman dachte vorerst nicht daran, die Leute wieder um Ruhe zu bitten. Er wollte ihnen Gelegenheit geben, das soeben Erfahrene zu verdauen und untereinander Meinungen auszutauschen.
Doch mitten im Lärm begannen die meisten Kommunikatoren der Ratsmitglieder zu summen. Sofort wurde es ruhig im Saal. Auch Ashraf Desais Gerät meldete sich. Er griff danach und blickte gleichzeitig in die entsetzten Gesichter der anderen Ratsmitglieder.
Dann nahm er den Anruf entgegen und eine Stimme sagte: »Sir. Es gab einen verheerenden Zwischenfall mit einer der Kugeln.«
15.
Als Christopher, Michelle und Kevin zur Polarstation zurückgekehrt waren, trafen sie umgehend Vorkehrungen für eine schnelle Abreise. Nach einer kurzen Verabschiedung von Sil, Kevin und den anderen Wissenschaftlern bestiegen Christopher und Michelle die Space Hopper und trafen alle Vorbereitungen für den Start. Wenig später hob der Gleiter vom Eisfeld ab, beschleunigte und verschwand am dunklen Himmel. Kevin blieb am Rand des Landefeldes stehen und blickte nachdenklich zu den Sternen.
»Was ist passiert?«,