Rosaleen Norton. Nevill Drury

Rosaleen Norton - Nevill  Drury


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war. Der schlangenförmige Phallus, den Fohat abbildet, würde genauso aussehen wie die Tätowierung ihres Mannes, sagte sie.

      Nach der Veröffentlichung von The Art of Rosaleen Norton und der darauffolgenden Kontroverse erlangte Norton zweifelsohne öffentliche Berühmtheit in Kings Cross und wurde zu einer Person, welche die Menschen auf der Straße neugierig machte. Bestimmte Coffee-Shops wie das Apollyon und das Kashmir standen im Ruf, Treffpunkt ihres „Teufelskultes“ zu sein und wurden nun von neugierigen Passanten belagert, welche hofften, Norton zu treffen. Häufig kamen Besucher sogar in die Coffee-Lounges und baten hinter vorgehaltener Hand um eine Tasse Fledermausblut! Die Inhaberin eines der Coffee-Shops – eine Mrs. Pixie Robinson – beklagte sich darüber, dass sie immer gefragt wurde, ob sie die „Hexe von Kings Cross“ sei – und zwar nur, weil sie des Öfteren schwarze Hosen und einen dazu passenden Sweater trug. „Nein“, antwortete Mrs. Robinson wie mechanisch und voller Verzweiflung, „Sie wollen nicht zu mir, Sie wollen zu Roie … “

      Das Apollyon war ein besonders bunter Treffpunkt und so etwas wie eine Institution im Cross Viertel. Die oberste Etage war nur dazu da, um eine Tasse Kaffee zu trinken, doch unten ging es eher wie bei Pakie’s zu – ein Club für Leute mit alternativem Lebensstil, die sich dort trafen und sich bis spät in die Nacht unterhielten. Roie hatte dort in einem großen Raum, der nach hinten hinaus gelegen war eine dauerhafte Ausstellung ihrer Gemälde; und für eine gewisse Zeit wurde das Café zu einem Synonym für ihre übernatürliche Kunst.

      So kamen also die Touristen und hofften, in der Menschenmenge der „Hexe von Kings Cross“ zu begegnen, und sie waren immer fasziniert von den beeindruckenden Gemälden, welche die Wände zierten. Einige der Fans jedoch gingen mit ihrer Verehrung zu weit und liefen die William Street bis zu Nortons Wohnung in der naheliegenden Brougham Street hinunter, um Souvenirs mitgehen zu lassen. Einige Passanten nahmen die okkulten Symbole von der Wohnungstür, und einmal sogar verschwand die gesamte Tür. Dieses Verhalten verärgerte Roie sehr, denn trotz der Flut an exotischen Zeitungsgeschichten über sie war sie im Herzen eine sehr zurückgezogene Person. Ein etwas gruseliges Image war eine Sache – harmlos und spaßig – aber das Ganze wurde für sie zu einer leidigen Angelegenheit, wenn die Menschenmenge zu dicht an sie herankam.

      Als Gerüchte um Roies okkulte Praktiken weiter die Runde machten – und diese immer fantastischer undbunter ausgeschmückt wurden – stieg die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand früher oder später von Schwarzen Messen berichtete, die in der Brougham Street 179 abgehalten werden würden. Eine solche Offenbarung erfolgte schließlich am 14. September 1955 aus dem Munde einer gewissen Anna Karina Hoffmann. Hoffmann war eine Einwanderin aus Neu- seeland und nach ihrer Ankunft in Australien nach Kings Cross gekommen, um „ein neues Leben zu beginnen.“ Zu dieser Zeit verfügte sie nur über 76 Pfund: 75 davon lagen in ei- ner Bank in Auckland und 1 Pfund auf einem Sparkonto in Kings Cross. Sie führte ein recht erbärmliches Leben als Teilzeit-Kellnerin und lebte ziellos in den Tag hinein; oft schlief sie nachts bei Bondi Beach oder in der Umgebung dessen.

      Eines Nachts bemerkte Detective Ikin von der Polizeistation in Darlinghurst Anna Hoffmann in der Darlinghurst Road in Begleitung eines Mädchens, das als mutmaßliche Kriminelle galt. Hoffmann beschimpfte Ikin, als er sich ihr näherte; doch dann flehte sie ihn an: „Ich kann mein Leben nicht mehr ertragen. Ich habe seit Tagen nichts mehr gegessen. Bitte fick mich, solange ich noch bei klarem Verstand bin … “ Als sie immer hysterischer wurde, behauptete sie, der Hauptgrund für ihren Ruin sei eine Schwarze Messe gewesen, der sie „bei Roie – der Hexe von Kings Cross“ – beigewohnt hätte. Ikin nahm Hoffmann wegen Landstreicherei fest, und sie musste vor dem Zentralgericht erscheinen.

      Eine Woche später erschien Hoffmann vor dem Bepfründeten Richter Blackmore; zuerst weigerte sie sich, den Eid zu leisten, indem sie behauptete keine Christin zu sein. Später gab sie bei dem Gericht an, sie sei Buddhistin und prophezeite überdies, dass das „böse Auge Buddhas Detective Ikin für den Rest seines Lebens verfolgen würde.“

      Diese übertriebene Drohung hätte ein klares Indiz für Hoffmanns Geisteszustand sein sollen, dennoch aber wurden weiteren „Beweisen“ entnommen, dass sie den Ritualen eines Teufelskults mit Rosaleen Norton beigewohnt hatte und dass alle Teilnehmer dort schwarz getragen hatten – die Farbe des Teufels. Außerdem, so sagte Hoffmann, hätten sie eine Schwarze Messe zelebriert. Auf die Frage, was diese bedeute, antwortete sie: „Sexorgien und Parties.“ Später gab Anna Hoffmann an, dass sie nicht tatsächlich an einer Schwarzen Messe teilgenommen hatte und beteuerte, die angebliche „Verbindung“ zu Rosaleen Norton beruhe auf reinem Hörensagen. Hoffmann wurde zu zwei Monaten Haft verurteilt und von Richter Holden in einer Gerichtsanhörung sogar als eine „Bedrohung“ beschrieben.

      Trotzdem nahm Roies ohnehin angeschlagener Ruf als Folge der flächendeckenden Berichterstattung über die Anschuldigungen Hoffmanns beträchtlichen Schaden. Sie musste später noch ausführlich erklären, dass der gehörnte Gott Pan in keiner Weise mit Luzifer, dem Gott der Satanisten, in Verbindung stand und dass sie niemals an einer Schwarzen Messe teilgenommen hatte.

      Kurz danach veröffentlichten zwei Nachrichtenreporter aus Sydney einen detaillierten Augenzeugenbericht über ihren Besuch einer Schwarzen Messe in Kings Cross, bei der sie eine in Robe gekleidete Hexe und einen Hexenmeister beobachtet hatten, die eine christliche Messe nachahmten, bei der ein Hahn geopfert wurde. Dieser Vorfall verärgerte Roie besonders – denn sie hätte etwas Derartiges, wobei ein Tier verletzt wird, niemals geduldet. Später kam heraus, wie dieser Vorfall fabriziert worden war: Die Teilnehmer der „Schwarzen Messe“ waren Universitätsstudenten, die sich zeremonielle Roben angezogen und Knochen aus der Anatomieabteilung der Universität verwendet hatten, um die bizarre, satanistische Atmosphäre eines „Opferrituals“ zu kreieren. Leider trugen solche Episoden nur dazu bei, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Roie weiter stieg und Berichte über angebliche „Hexerei und Schwarze Magie“ in Kings Cross veröffentlicht wurden. So wurde z. B. Anfang November 1955 David Goodman, der Besitzer des Kashmir, vom Central Summons Court in Sydney wegen der angeblichen Obszönität dreier von Nortons Gemälden angeklagt, die in seinem Café hingen – Schwarze Magie, Belphegor und Beelzebub. Am 19. November 1955 wurde Goodman von Richter K.M. Dash für schuldig befunden, obszöne Kunstwerke auszustellen und musste eine Strafe von 5 Pfund plus 1 Pfund Gerichtskosten zahlen.

      Einige Wochen zuvor – am 3. Oktober 1955 während einer Razzia, die sich noch als folgenschwer erweisen sollte – betrat die Sittenpolizei der Polizeiwache von Darlinghurst das Haus in der Brougham Street 173 und erstellte Anzeige gegen Norton und Greenlees wegen der Ausübung „eines unnatürlichen sexuellen Aktes.“ Der Grund für diese Polizeirazzia war die Entdeckung einer Sammlung von Filmnegativen, die angeblich Beweise für einen Hexenkult in Kings Cross lieferten. Während der darauffolgenden Gerichtanhörungen stellte sich heraus, dass zwei Männer namens Francis Honer und Raymond Ager – die, wie später ermittelt wurde, Mitglieder von Nortons Zirkel waren – dem Sydney Sun „obszöne“ Fotos angeboten und versucht hatten, diese für 200 Pfund zu verkaufen. Weiter wurde festgestellt, dass Honer die Filmnegative aus Nortons und Greenlees‘ Wohnung gestohlen hatte. Die Fotos zeigten angeblich Norton und Greenlees bei einem Geißelungsritual. Norton soll dabei mit den Hand- und Fußgelenken an einen Sockel gefesselt und Greenlees in eine zeremonielle Robe gekleidet gewesen sein. Es wurde der Beweis erbracht, dass die Fotos kurz zuvor bei Nortons Geburtstagsfeier gemacht worden waren: Honer hatte die Filme von einer Couch in der Wohnung gestohlen, während Norton und Greenlees zeitweilig nicht da waren. Die beiden Männer wurden schließlich zu vier Monaten Gefängnis verurteilt; doch die Gerichtsverhandlung und die anschließenden Anhörungen mit Norton und Greenlees wurden von der Boulevardpresse mit umfassenden Berichten aufgegriffen. Roie war gezwungen, ihren Glauben an den Pantheismus vor Gericht zu verteidigen, und zwar indem sie ihn als eine heidnische Verehrung alter griechischer Götter beschrieb.


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