Rosaleen Norton. Nevill Drury

Rosaleen Norton - Nevill  Drury


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Obszönitäts-Anklagen gegen ihre Person nicht als „Hexe“, sondern beschrieb sich immer als eine Pantheistin, eine Verehrerin Pans, der alten griechischen Naturgottheit. Für eine Reihe autobiographischer Artikel in der Australasian Post schlug Norton einen anderen Weg ein und ließ ich bereitwillig mit einem konischen Hexenhut ablichten, was ihrem öffentlichen Ansehen als böse Hexe nur zuträglich war.31

      Zu dieser Zeit wurden in der Australasian Post Artikel veröffentlicht, die Norton mit ihren Lieblingskatzen zeigen, ein deutlicher Hinweis auf das klassische Bild der mittelalterlichen Hexe mit ihren tierischen Freunden. In einem Interview, das sie Dave Barnes gab, welcher leitender Redakteur der Australasian Post und Verfasser dreier maßgeblicher Artikel über die kontroverse „Hexe von Kings Cross“ war, merkte Norton an: „Wenn Pan der Teufel ist, dann bin ich eine Teufelsverehrerin, “ Sie erzählte Barnes auch, dass okkulte Kräfte ein natürlicher Bestandteil des Lebens wären, dass sie von den psychoanalytischen Vorstellungen Carl Jungs beeinflusst worden war und viele Religionen als Teil ihres spirituellen Glaubenssystems anerkannte: „In der Unendlichkeit ist alles möglich … Ich glaube an viele Götter, Buddha und sogar den christlichen Gott.“

       Norton in den 1960ern

      Bis in die Mitte der 1960er Jahre hinein war Roie damit beschäftigt, ihre Persönlichkeit als praktizierende Hexe zu entwickeln. Das Britische Hexengesetz aus dem Jahre 1735 war in New South Wales noch nicht aufgehoben – das sollte nicht vor dem Jahre 1971 geschehen – doch Roie verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit der Anfertigung von Talismanen und nahm für wenige Kunden auftragsweise Verhexungen vor. Dann und wann gab sie neue okkulte Gemälde zum Verkauf heraus. Die Preise rangierten von 5 Pfund für ein kleines Werk bis 100 Pfund für eine große Leinwand. Auch überarbeitete sie Gemälde zu Themen, die ihr persönlich wichtig waren, wie z. B. Porträts von Pan und Luzifer.

      Norton vor dem Altar, 1956 In dieser Zeit zog Roie mehrere Male um. Einige Jahre lang lebte sie in der Hargrave Street 8 im Osten Sydneys, und zwar in einem Haus, das den Eltern von Gavin Greenlees gehörte. Am 17. Januar 1964 wurde Gavin zeitweilig aus dem Krankenhaus entlassen, verursachte aber ein Durcheinander und drohte damit, Roie mit einem Messer zu töten und ihre Möbel und ihre Ritualgegenstände aus dem Fenster auf die Straße zu werfen – es war eine seiner schizophrenen Attacken. Sergeant Harry Giles, der von verängstigten Nachbarn zum Haus gerufen wurde, fand Gavin in einer dieser Situationen mit einem Messer an seiner Kehle über ein Waschbecken gelehnt.

      „Haben Sie jemanden verletzt?“ fragte Giles ängstlich.

      „Noch nicht, “ antwortete Greenlees, „aber es ist an der Zeit, sie zu töten.“

      Dann deutete er mit dem Finger in den Keller.

      „Da ist sie drin … “

      Giles fand Roie vor dem Altar kniend und Worte vor sich hin murmelnd; dann nahm er Gavin und Roie wegen Landstreicherei fest. Roie wurde zudem wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ und dem „Gebrauch unanständiger Worte“ angeklagt. Später wurde die Anklage wegen Landstreicherei wieder fallengelassen und eine Strafe von 2 Pfund wegen des Gebrauchs unanständiger Worte gegen sie verhängt. Gavin musste wegen des Tragens eines Messers und der Absicht, jemandem damit Schaden zuzufügen für einen Monat ins Gefängnis – eine lächerliche Haftstrafe in Anbetracht seiner geistigen Verfassung.

      Nach diesem Vorfall zog Roie für eine Zeitlang mit ihrer Schwester zusammen, die in Kirribilli eine Wohnung mit Blick auf den Hafen hatte. Cecily hatte Roie immer nahe gestanden und gab ihr das Gefühl, willkommen zu sein, wann immer sie einen „Rückzugsort“ brauchte. Sie war Roies einzige überlebende Verwandte – Phyllis war im Jahre 1946 gestorben, nachdem sie fast ihr gesamtes Eheleben in Armidale verbracht hatte. So war es nur natürlich, dass Roie in Zeiten der Krise zu Cecily kam. Sie blieb mehrere Monate bei ihrer Schwester, und um ihren Kopf von den Ärgernissen im Cross frei zu bekommen, meditierte sie für gewöhnlich viele Stunden unter einer großen Moreton Bay Fichte, die im Garten unweit des Strandes wuchs und sich heute noch an diesem Ort befindet. Dieser Baum wurde zu einem Symbol in mehreren von Roies späteren Gemälden – eine Art Märchenbaum, der bis in den Himmel aufragte und der sowohl Naturgeistern als auch Roie selbst einen sicheren Schutz bot.

       Norton in den 1960ern

      Doch Roie blieb nicht dauerhaft in Kirribilli und bis Juni 1967 hatte sie sich von dem Trauma von Gavins Angriff erholt und ging zurück ins Cross – dieses Mal bezog sie eine eher heruntergekommene Wohnung in der Bourke Street, zwischen William Street und Woolloomooloo gelegen. Roies neues Heim war eines der verlassenen Gebäude, von denen die meisten völlige Ruinen und Anwärter für den Abriss waren. Dieses war jedoch noch eines der besser erhaltenen Häuser – gelbbraun angestrichen, mit teilweise zerbrochenen Steinen, an der Vorderseite mit Ziegeln, von denen die Farbe abblätterte und mit zerschlagener Eingangstür und verbogenem Geländer.

      Roie lebte hier in einem kleinen Zimmer, das gerade mal 10 x 6 Fuß maß und nur spärlich von einer Öllampe beleuchtet wurde. Sie hatte sich im Kamin einen neuen Altar gebaut und sich mit ihrem vertrauten okkulten Schmuck umgeben – verschiedene Masken, Porträts von Pan, Schmuckstücke, ein Gong aus Metall und mehrere kleine Kobra-Statuetten. Auch hier hatte sie ihre Lieblingstiere – eine Ratte namens Percy und ihren Freund, der Moonstone hieß. Etwa ein Jahr später kam sie, als sie im Centennial Park spazieren ging, zu einer Schildkröte als Haustier. Während dieses besonderen Spazierganges rutschte sie in einen Weiher und als sie wieder herauskam, hatte sie eine kleine Schildkröte in der Hand! Sie deutete dies als ein Geschenk von Pan.

      Als Nan Javes, Journalist bei der Sun, im Februar 1969 mit Roie Kontakt aufnahm, wohnte sie noch in der Bourke Street und bezeichnete sich nun als „Hexenzirkel-Meisterin.“ Vielleicht hatte sie bemerkte, dass ihr unbürgerliches Image ein wenig verblasste und sie schnell zu einer Gestalt aus der Vergangenheit wurde und darum eine aggressivere Haltung eingenommen. Sie beschrieb sich und die ungenannten Mitglieder ihres Hexenzirkels als potenziell feindlich gesinnt und gefährlich:

      Es ist lächerlich zu sagen, dass wir niemals jemandem Schaden zufügen. Wenn wir nicht befähigt wären, Leute mit Flüchen und Talismanen zu bekämpfen, könnten wir nicht überleben. Doch wir sind hier im 20. Jahrhundert, und wir sind stärker als je zuvor. Natürlich tun wir manchmal auch Gutes. Die Art Leute, die ich mit einem Fluch belege, sind jene, die mir wehtun oder jemanden Schaden zufügen, der mir nahesteht. Ich würde es nicht sofort tun, wenn die Umstände ungünstig sind, aber sie können ihr Leben darauf verwetten, dass ich es rechtzeitig tun werde – und dass es klappt!32

      Dann erklärte Roie Javes, dass sie gegenwärtig in ihrer Wohnung Zeremonien zu Ehren der vier hauptsächlichen Hexensabbats – Mariä Lichtmess, Walpurgis, Petri Kettenfeier und der Abend vor Allerheiligen – abhalten und ihre Verantwortung sehr ernst nehmen würde. „Es ist nicht einfach, eine Hexe zu werden“, betonte sie, während sie mit ihrem Zigarettenhalter, der die Form einer Rabenklaue hatte, magische Zeichen in die Luft schrieb. „Es gibt viele Leute, die gerne zu uns stoßen, jedoch nur eine Last sein würden. Millionen versuchen uns, an unserer Arbeit zu hindern, doch sie werden uns niemals auslöschen können.“

      Wie Nan Javes berichtete, behauptete Roie jetzt, zweihundert Anhänger in Sydney und Hunderte mehr im ganzen Land zu haben. Ihre Bemühungen, Neophyten für das Heidentum anzuwerben wären wahrscheinlich größtenteils unbeachtet geblieben, hätte es keinen Protest seitens der Anglikanischen Kirche gegeben. Einige ausgesprochene Fundamentalisten innerhalb der ultra-konservativen Diözese von Sydney waren schon seit langem der Ansicht, dass okkulte Kräfte bereits Einfluss auf Schulkinder ausübten und es ein anwachsendes und alarmierendes Interesse an solch heidnischen Dingen wie Astrologie, Tarot und Hexenbrettern geben würde. So war es dann keine Überraschung mehr, als der Anglikanische Erzbischof Marcus Loane im Jahre 1974 der Einrichtung einer Untersuchungskommission zum Okkulten zustimmte. Dies war in einem protestantischen Land erst die zweite gegründete Untersuchungskommission seit dem Mittelalter.


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