Die Chefin. Sonja Becker
Jeder Kunde muss als erstes spüren, dass er sich auf Sie verlassen kann.
Sobald Geld fließt, investiert jemand Vertrauen in Sie. Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit sind die Grundlagen von Integrität. Korrupte oder betrügerische Unternehmen sind wesentlich mehr davon bedroht, böse den Bach herunterzugehen.
Wer privat unaufrichtig ist, wird auch ein unaufrichtiges Unternehmen führen. Wer sich nicht gewisse Regeln hält, die die Märkte von Dörfern, Stämmen, Basaren und Börsen über Jahrtausende hinweg entwickelt haben, hat schlechte Karten. „Business is sympathy“, eine Regel, die leider immer wieder ignoriert wird. Sympathie bedeutet, sich an die Stelle eines anderen versetzen zu können.
Allzu gerne folgt man der neoliberalen Vulgärthese, dass Kapitalanhäufung mit allen Mitteln zu rechtfertigen sei, weil das gesamt Erwirtschaftete durch Steuern wieder dem Wohl aller zukommt - aber das kann jemand glauben, der Adam Smiths „Wohlstand der Nationen“ nur von fern kennt. In Wirklichkeit muss man den Markt mit den Augen des „unparteiischen Zuschauers“ sehen, der genau die Moral vertritt, die vor den Augen der Gesellschaft Stand hält. Sie funktioniert nach der guten, alten Goldenen Regel: „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.“
Wer seine Mitmenschen so behandelt, wie man auch selbst behandelt werden möchte, vertritt nicht nur eine gute Philosophie, sondern auch ein gutes Unternehmen. Wie die Leute Ihr Unternehmen und Ihr Team wahrnehmen, entscheidet darüber, ob Ihr Produkt oder Service in Anspruch genommen wird. Noch nie zuvor war der Sympathiefaktor so entscheidend für wirtschaftlichen Erfolg.
Keiner hat es in der modernen Ökonomie mehr nötig, jemandem Geld zu geben, den man nicht leiden kann. Das trifft für den Gemüsehändler an der Ecke genauso zu wie für den Autohersteller. Beide sind nur Attraktoren für Leute, die die gleichen Werte vertreten. Wir alle wollen gute Produkte und etwas Sympathie.
Wenn unsere elementarsten Bedürfnisse befriedigt sind, ist die Seele dran. Dann sind wir wie Babys: Dann brauchen wir Anerkennung, Zuwendung und Streicheleinheiten. Der Mensch ist nun mal ein durch und durch soziales Wesen. Fiese Menschen bekommen die Quittung meistens dadurch, dass sie am Ende allein dastehen - die größte Strafe, die es gibt.
Menschen, die wirklich gut dastehen, ohne es behaupten zu müssen, gehen für andere in den Service und ernten dafür mehr, als man tragen kann.
Menschen brauchen fühlbare Geschenke und gefühlte Wirklichkeiten wie die Luft zum Atmen. Deshalb gibt es so viele Hollywood-Filme. Sie basieren einzig und allein auf dem Mitfühlen: Sympathie. Und Unterhaltung ist immer gut für die Seele.
Höhere Werte: Qualität und Service
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nsere moderne Kultur ist endlich nicht mehr von dem Gedanken der Ausbeutung bestimmt, sondern von dem Gedanken von Qualität und Service: Unternehmer von heute beschäftigen sich tagaus, tagein mit der Frage, was anderen Menschen fehlt und welchen Service sie dafür in die Welt setzen können. Statt anderen zu erzählen, was wir wollen, lernen wir, größere Werte für andere zu schaffen.
Bessere Lebensqualität erhöht unsere Lebenswerte. Wir führen ein gesünderes, bewussteres und würdigeres Leben als unsere Vorfahren. Wenn Sie Ihre Werte ermittelt haben, erkennen Sie, welchen Service oder welches Produkt Sie anbieten können, auf das die Menschen oder die Menschheit gewartet haben.
Um an diesen Punkt zu gelangen, müssen Sie sich ein paar harte Fragen gefallen lassen: Die Frage nach dem Tod, was andere über Sie sagen sollen, und wie es sich mit Ihrer wahren und nicht Ihrer konstruierten Wirklichkeit verhält.
In diesem neuen, positiven Umfeld streben wir nach Perfektion. Wir erwarten überall perfekten Service, sonst gehen wir woanders hin. Wir suchen nach Qualität und zahlen dafür auch gerne einen höheren Preis. Humanität in dem Sinne, sich in die Situation anderer zu versetzen, setzt einen neuen Standard an Exzellenz.
Nur der beste Service zählt. In Japan ist beispielsweise der Service wesentlich höher als in der „Servicewüste Deutschland“. Bei uns fühlen sich Japaner oder auch Amerikaner etwa so wie wir früher in manchem Balkanland. Die Service-Ideen liegen auf der Straße. Es gibt viel zu tun. Packen Sie’s an.
Wer nach seinen höchsten Werten lebt, kennt keine Furcht. Man mag zwar noch Momente der Angst erleben, aber man kann ihr ins Auge sehen. Sie stehen nicht vor einem gähnenden Loch.
Werte sind das Drahtseil, auf dem man alle Konflikte, Gefahren und Hindernisse im Leben traumwandlerisch übergehen kann. Man sagt, wenn wir an der Schwelle zum Tod stehen, läuft ein innerer Lebensfilm vor uns ab. Sie können der Regisseur sein. Es muss ja nicht immer gleich der Tod sein. Existenzangst reicht vollkommen aus. Mittelmäßige Nöte wie finanzielle Engpässe sind allerdings nicht zugelassen. Sie sind auch mit Übergangslösungen zu beheben und fordern nicht heraus, zu überlegen, worauf es Ihnen im Leben wirklich ankommt.
Not macht erfinderisch. Unsere Mutter am Anfang des Kapitels ist am Ende. In diesem Moment steht sie am Anfang. In dem Moment, als sie eine Geschichte zu erzählen begann, entdeckte sie das größte Talent, das das Leben ihr geschickt hat. Diese Geschichte setzt sich bis heute fort und hat sie zur einer der reichsten Frauen der Welt gemacht. Es handelt sich um Joanne K. Rowling. Sie schreibt angeblich heute noch gerne in Cafés.
Quellen:
Marriott, J.W. Jr. & Brown, Kathi Ann. The Spirit to Serve.
Marriott’s Way.
Smith, Adam. Der Wohlstand der Nationen.
Smith, Adam. The Theory of Moral Sentiments.
Mandeville, Bernard de. Die Bienenfabel.
IHRE MISSION
„Roll out your guns, let’s pretend, it’s fun to lose.“
(Nirvana, „Smells like teen spirit“)
Meine sehr geehrten Damen, wenn wir eines können, dann ist es reden. Während Männer täglich etwa 2000 Worte verwenden und versuchen, sich dabei kurz zu fassen, bringen wir es spielend, fließend und schnatternd auf lockere 9000. Sicherlich kann man dafür wieder evolutionsbiologische Gründe finden.
Wir finden aber, wir sollten diese Fähigkeit und noch ein paar andere genießen und kapitalisieren. Wie sang Lisa Stansfield doch so nett? „I’m no classy lady, but I’m all woman.“ Im modernen Business kann man Lady oder auch ganz Frau sein. Warum das so ist und wie das funktioniert, das stellt sich in dieser etwas pragmatischeren Phase heraus, in der Sie Ihre Mission finden werden.
Was ist eine Mission? Das hat die Engländerin Anita Roddick vermutlich am Anfang ihrer Karriere auch nicht genau gewusst. Aber sie hatte eine nette, kleine Idee, die zunächst amüsante Konsequenzen hatte: Kaum eröffnete sie ihr erstes eigenes Geschäft, zog sie sich den energischen Protest der zahlreichen in der gleichen Straße ansässigen Bestatterunternehmen zu.
Dabei hatte ihr Laden nicht das Geringste mit Leichen zu tun, eher im Gegenteil: Sie hatte ihn „The Body Shop“ genannt, weil es hier um lebendige Körper gehen sollte. Das allein wäre nicht neu. Sie brachte zwei Dinge zusammen: Ihre Vorstellung von einer mit der Natur vollkommen harmonierenden Welt, was damals recht revolutionär und avantgardistisch war, kombiniert mit dem Naturwesen Mensch, zu allen Produkten, die ihm und ihr auf alle möglichen Weisen gut tun.
Das nennen wir eine Mission. Diese hat sich bekanntlich nicht nur erfüllt, sondern auch Frau Roddick zu einer der reichsten Frauen Großbritanniens gemacht.
Wieso Mission? Gerade erst die Werte ermittelt,