Speisenmanagement in der Sozialverpflegung. Wilfried von Eiff
target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_5e4783b6-7857-563c-83e8-9d57a69d453b">4 Eiff, Wilfried von (2012): Speisenversorgung im Krankenhaus: Marketing- und Kosteneffekte durch Prozess- und Qualitätsmanagement. In: Ernährungsumschau 59 (2), S. 78–88.
1 1. Speisenversorgung im Gesundheitswesen
1.1 Marktdynamik und Marktstruktur der Speisenversorgung in der Sozialverpflegung
Wilfried von Eiff und Alexandra Groth (Centrum für Krankenhausmanagement)
Die Bedeutung der Speisenversorgung in der Sozialverpflegung hat sich im Laufe der Jahre gewandelt (siehe Abb. 1). Früher wurde die Speisenversorgung als Mittel zum Zweck – der Patientenverpflegung – angesehen. Das „Satt werden“ war primäres Ziel der Speisenversorgung. Die Küche stand dabei im Fokus der Betrachtung. Die Speisenversorgung im Krankenhaus war durch Subventionen gekennzeichnet. Zudem waren ein niedriger Convenience-Grad und großer Raumbedarf für die Technik zur Speisenzubereitung charakteristisch.5
Es kam zu einem Umdenken weg von einer Subventionierung bzw. Bezuschussung der Speisenversorgung, hin zur Erzielung von Deckungsbeiträgen. Heute steht der Gast im Vordergrund und als Aufgabe der Speisenversorgung wird der Gastronomie-Service angesehen. Zum einen wird die Speisenversorgung als Kostensenkungsobjekt angesehen, zum anderen als Marketinginstrument. Für die Technik ist weniger Raum notwendig, die Effizienz der Geräte und der Convenience-Grad der eingesetzten Lebensmittel sind gestiegen.6
Zukünftig wird das Unternehmen in den Betrachtungsfokus rücken. Aufgabe wird es sein, Full-Service zu leisten und mit der Speisenversorgung Profite zu erzielen, bei steigendem Convenience-Grad. Die Speisenversorgung wird in Zukunft dazu beitragen, das Wohlbefinden der Patienten zu verbessern und die Genesung zu fördern.7
Abb. 1: Die Bedeutung der Speisenversorgung im Krankenhaus hat sich verändert.
Vergleicht man die Gegebenheiten der Speisenversorgung in der Gemeinschafts- bzw. Sozialverpflegung mit denen der Gastronomie, werden die Unterschiede deutlich. In der Sozialverpflegung steht eine homogene Personengruppe einem sich ändernden, variablen Speisenangebot gegenüber. Anders in der Gastronomie. Dort steht einem feststehenden Speisenangebot eine wechselnde Gruppe an Gästen gegenüber.8 In der Sozialverpflegung ist das Speisenangebot speziell auf die Kundengruppe auszurichten und auf krankheitsbedingte Ernährungsbesonderheiten ist, mit geeigneten Kostformen, zu antworten. Um eine adäquate Versorgung der Patienten mit Speisen garantieren zu können, sind Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der Speisenversorgung in Krankenhäusern erforderlich.
Speisenversorgung im Krankenhaus
Viele Krankenhäuser stehen heute vor Entscheidungen, was die hauseigene Speisenversorgung betrifft. Zum einen aufgrund veralteter und modernisierungs- bzw. renovierungsbedürftiger Küchen, zum anderen werfen Fusionen oder Kooperationen Fragen zur Organisation der hauseigenen Speisenversorgung auf. Häuser mit alten Kücheneinrichtungen stehen dabei vor der Entscheidung, die Einrichtungen zu modernisieren oder auszulagern. Es ist erkennbar, dass die Krankenhäuser hinsichtlich der Speisenversorgung Veränderungen anstreben. Betrachtet man sich die Zahlen, zeigen diese, dass 9 % der Krankenhäuser konkret in 2009 einen Betriebsformwechsel der Küche für die folgenden 3 Jahre planten, 12,5 % der Häuser einen Wechsel des Speisenzubereitungsverfahrens anstrebten und 5,4 % gerne von der Eigenherstellung zu einer Fremdbelieferung wechseln würden.9 Der Betriebsformwechsel vollzog sich am häufigsten von der Eigenregie in eine Service-GmbH. Die Häuser, die eine Änderung des Zubereitungsverfahrens anstreben, favorisieren eine Veränderung hin zur Zubereitung nach dem Cook & Chill-Verfahren. Der Zuwachs ist bei diesem Zubereitungsverfahren am höchsten.10 Beim Wechsel von der Eigenherstellung zur Fremdbelieferung sind die von den Krankenhäusern gewünschten Herstellverfahren Cook & Chill und Sous Vide.11
Derzeitiger Standard in deutschen Krankenhäusern ist die in Eigenregie betriebene Küche und die Anwendung des Cook & Serve-Herstellungsverfahrens.12 Mehr als 70 % der Krankenhäuser versorgen aus der eigenen Küche heraus noch andere, nicht im Krankenhaus angesiedelte Einrichtungen, um zusätzliche Erlöse zu erzielen.13
Die zunehmende Zentralisierung von Krankenhausküchen ist zu beobachten und mit einem steigenden Personaleinsatz und gestiegenen Drittumsätzen zu begründen. Ein Outsourcing der Speisenversorgung wird durch unterschiedliche Regelungen zur Mehrwertsteuer erschwert. Ein Produktionssystemwechsel rückt in diesem Fall als Alternative zum Outsourcing in den Vordergrund.
Der Rückgang der in Eigenregie bewirtschafteten Küchen und der Anstieg der Speisenversorgung durch beispielsweise eigene Service-GmbHs oder Dienstleister mit Vollcatering sind zu beobachten.14
In den krankenhauseigenen Küchen wird zu über 80 % das Cook & Serve-Verfahren zur Speisenherstellung angewendet. Zunehmend werden entkoppelte Systeme, wie Cook & Chill (13 %) und Cook & Freeze sowie Sous Vide (Anteil jeweils über 1 %) zur Speisenherstellung genutzt. Diese sind zur Flexibilisierung der Speisenversorgung auf den Stationen geeignet.15
Laut einer Studie der gv-praxis liegt das durchschnittliche Alter der Krankenhausküchen bei
21 Jahren. Zudem kann beobachtet werden, dass der Anteil der alten Krankenhausküchen (solche die 20 bis 30 Jahre alt und mehr als 30 Jahre alt sind) abnimmt, der Anteil neuer Küchen (weniger als 5 Jahre alt) jedoch nicht im gleichen Maße ansteigt.16 Dies spricht für einen Rückgang von Küchenneubauten bzw. Modernisierungen. Zum einen durch eine sinkende Krankenhausanzahl, eine zunehmende Zentralisierung von Krankenhausküchen durch (Fusion bzw. Kooperation) und zum anderen durch Outsourcing der Speisenversorgung. Bausubstanz und Ausstattung der Krankenhausküchen sind häufig veraltet. Die Küchen sind oftmals überdimensioniert. Aufgrund des Rückgangs von Krankenhausbetten und dem damit verbundenen Rückgang der zu beköstigenden Patienten, ist eine volle Auslastung der vorhandenen Kapazitäten nicht mehr gegeben. Der Raum- und Energiebedarf alter Ausstattungsgegenstände ist zudem größer als jener, neuer Ausstattungsgegenstände.
Handling der Speisenversorgung und Anpassungsbedarf
Kürzere Verweildauern, die sinkende Anzahl von Krankenhäusern und der Abbau von Krankenhausbetten machen eine Anpassung der Speisenversorgung an häufigere Patientenwechsel und sich ändernde Rahmenbedingungen notwendig.17 Zudem beeinflussen Fusionen und Kooperationen von Krankenhäusern die Organisation bzw. Struktur der Speisenversorgung in einzelnen Einrichtungen.18
Vor dem Hintergrund des steigenden Fachkräftemangels wird es zunehmend wichtiger, die Fachkräfte (z B. Pflegekräfte) von Serviceaufgaben, wie beispielsweise der Aufnahme von Speisenwünschen und Verteilung von Speisen zu entlasten, damit diese entsprechend ihrer Kernkompetenzen eingesetzt werden können. Die Studie der K & P Consulting GmbH und dem Deutschen Krankenhausinstitut GmbH zeigt, dass die Erfassung der Speisenwünsche vermehrt von Hostessen, Ernährungsberatern und Servicepersonal durchgeführt wird, um die Pflegekräfte zu entlasten. Die Speisenverteilung auf den Stationen erfolgt hingegen zu 95 % durch das Pflegepersonal,