Volkswirtschaft, 4. Auflage. Bernd-Michael Hümer

Volkswirtschaft, 4. Auflage - Bernd-Michael Hümer


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Röhrl setzt bei der Installation von Pelletheizungen durch seine Beschäftigten den volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor Arbeit ein, der je nach Beschäftigungsstunden und Ausbildungsstand der Beschäftigten von unterschiedlicher Quantität und Qualität ist. Die Beschäftigten sind Eigentümer von Arbeitskraft und gestatten Installationsmeister Röhrl vertraglich die Nutzung ihrer Arbeitskraft (Arbeitnehmer) und erhalten als Nutzungsentgelt den vertraglich vereinbarten Lohn oder das Gehalt (Kontrakteinkommen). In der vertraglichen Bindung kommt eine Abhängigkeit der Arbeitnehmer zum Ausdruck. Die Beschäftigten von Installationsmeister Röhrl gehen demnach einer abhängigen, unselbständigen Tätigkeit nach, während die Tätigkeit von Installationsmeister Röhrl als Betriebsinhaber eine selbständige Tätigkeit darstellt. Er ist Eigentümer der volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren Boden und Kapital. Der Boden ist z. B. das Firmengelände, das Kapital sind z. B. das Firmengebäude und die eingesetzten Maschinen (Sachkapital) und die flüssigen Geldmittel auf dem Bankkonto (Geldkapital). Für die Nutzung seiner Produktionsfaktoren erhält er den Gewinn, der allerdings nicht vertraglich vereinbart ist, sondern sich erst am Ende des Jahres ergibt (Residualeinkommen). Ein Verlust als negativer Gewinn würde sein Kapitaleigentum und im schlimmsten Fall der Insolvenz auch sein Bodeneigentum schmälern.

      Situationsbezogene Frage 6

      Welche Kunden von Installationsmeister Röhrl zählen aus volkswirtschaftlicher Sicht zu den privaten Haushalten und wie unterscheiden sie sich von anderen möglichen Kundengruppen?

      Die am volkswirtschaftlichen Güterversorgungsprozess beteiligten Spezialisten treffen tagtäglich millionenfache Entscheidungen. Nach dem offiziellen, auch in Deutschland gültigen Begriffsystem des Europäischen Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG 2010), das auf dem weltweit gültigen „System of National Accounts 2008“ (SNA 2008) der Vereinten Nationen (UN) beruht und durch eine entsprechende Verordnung der Europäischen Union (EU) allen Mitgliedsländern vorschreibt, in ihrer nationalen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) die vorgegebenen Begriffe und Buchungssysteme zu verwenden, werden fünf Grundsektoren unterschieden:

      Private Unternehmen konsumieren nicht, sondern investieren nur.

      Private Unternehmen

      Die privaten Unternehmen werden in Unternehmen mit eigener und ohne eigene Rechtspersönlichkeit unterteilt. Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Personen) sind nichtfinanzielle (z. B. ein Automobilproduzent) und finanzielle (z. B. eine Geschäftsbank) Kapitalgesellschaften wie z. B. eine AG oder GmbH, aber auch Quasi-Kapitalgesellschaften wie z. B. eine OHG oder KG. Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind die Selbstständigen wie z. B. ein Handwerksbetrieb oder ein Rechtsanwalt. In den privaten Unternehmen werden mittels des Einsatzes und der Kombination von Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden, Kapital) und der gegebenen Produktionstechnologie Güter hergestellt. Für die Nutzung der Produktionsfaktoren müssen die Unternehmen an die Eigentümer der Produktionsfaktoren ein Entgelt – letztlich wiederum Güter – zahlen, d. h., es entstehen ihnen Kosten, z. B. Arbeitnehmerentgelte als Lohnkosten (Lohnsatz × Arbeitsmenge). Für die Eigentümer der Produktionsfaktoren, die in sämtlichen Sektoren angesiedelt sein können, sind diese Zahlungen Einkommen (Faktoreinkommen). Für den Verkauf ihrer erzeugten Produkte am Markt (Marktproduktion) erzielen die Unternehmen einen Erlös oder Umsatz (= Preis × Absatzmenge). Der Gewinn als Betriebsüberschuss (für die Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit) bzw. als Selbstständigeneinkommen (für die Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit) ergibt sich aus der Differenz von Umsatz und Kosten und fließt als Einkommen den Eigentümern des Unternehmens bzw. der entsprechenden Produktionsfaktoren als verteilter Gewinn zu oder verbleibt als unverteilter Gewinn im Unternehmen.

      Private Haushalte konsumieren vor allem, aber investieren auch.

      Private Haushalte

      Die privaten Haushalte sind Eigentümer von Produktionsfaktoren, stellen diese den privaten Unternehmen, den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck und dem Staat zur Verfügung und beziehen für ihre Nutzung ein Einkommen als Arbeitnehmerentgelt (z. B. Löhne und Gehälter) für die Nutzung ihrer Arbeitskraft oder ein Selbstständigeneinkommen für die Nutzung ihres Bodens oder/und Kapitals. Die Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit zählen als Selbstständige zu den privaten Haushalten, da in der Praxis häufig eine klare Trennung zwischen privatem Haushaltsbereich und Unternehmensbereich nicht möglich ist. In diesen Fällen stellen also die privaten Haushalte ihre Produktionsfaktoren gleichsam sich selbst zur Verfügung. Über ihr Einkommen verfügen die privaten Haushalte, indem sie Konsumgüter kaufen und den Rest sparen, um damit z. B. den eigenen Kauf von Investitionsgütern in ihren Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu finanzieren oder anderen den Kauf durch Kreditvergabe (auch z. B. durch den Erwerb von Aktien) zu ermöglichen.

      Private Organisationen ohne Erwerbszweck investieren und konsumieren.

      Private Organisationen ohne Erwerbszweck

      Die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck umfassen z. B. die Gewerkschaften, politischen Parteien, Kirchen, Forschungseinrichtungen, Hilfswerke, Sportvereine etc. Ihre Dienstleistungsproduktion ist – bis auf ganz wenige Ausnahmen (z. B. Wohnungsvermietung) – nicht für den Markt (Nichtmarktproduktion) bestimmt und wird daher als ihr Eigenverbrauch und damit als Konsum interpretiert und mit den Herstellungskosten bewertet. Die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck werden auch als „Dritter Sektor“ bezeichnet (engl.: Non-Governmental Organizations („NGOs“)).

      Der private Sektor hat keine hoheitlichen Befugnisse

      Private Unternehmen, private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck bilden zusammen den privaten Sektor. Die im privaten Sektor tätigen Wirtschaftssubjekte („Private“) handeln meist nach ihrem wirtschaftlichen Eigeninteresse (Egoismus), dürfen dabei aber keine Gewalt gegenüber anderen Wirtschaftssubjekten ausüben. Dies bleibt dem Staat vorbehalten.

      Der Staat investiert und konsumiert.

      Der staatliche Sektor hat hoheitliche Befugnisse

      Der Staat (auch „öffentlicher Sektor“ oder „öffentliche Haushalte“ genannt) hat im Gegensatz zum privaten Sektor hoheitliche Befugnisse (Gewaltmonopol mit Legislative, Exekutive und Judikative), d. h., er darf die Privaten zwingen und in ihrem Eigeninteresse (Individualinteresse) einschränken, wenn es dem öffentlichen Interesse, dem Interesse aller in einem Gemeinwesen (Gemeininteresse), dient. Was darunter zu verstehen ist, legt die Verfassung, in Deutschland das Grundgesetz, fest. Sind die hoheitlichen Befugnisse nicht an einer Stelle konzentriert (Zentralstaat), sondern werden sie wie in Deutschland als Bundesstaat auf verschiedenen, abgestuften Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger) eingesetzt, so sprechen wir von Föderalstaat oder Föderalismus.

      Private und öffentliche Güter

      Im wirtschaftlichen Bereich erhebt der Staat als Träger der Finanzhoheit z. B. Steuern (= „Zwangsabgaben“ = Güterentzug für den Steuerzahler) von den privaten Haushalten und Unternehmen. Dafür stellt er öffentliche Güter zur Verfügung. Bei ihnen handelt es sich um ökonomische (knappe) Güter als Dienstleistungen (z. B. Bildungsleistungen durch Schulen, Sicherheitsleistungen durch militärische Einrichtungen, Rechtsprechung durch Gerichte, Nutzung des Verkehrsnetzes etc.), die jedes Gesellschaftsmitglied nutzen kann. Eine direkte Gegenleistung durch Preiszahlung muss nicht erbracht werden, d. h., es gilt – im Gegensatz zu den privaten Gütern – kein Ausschlussprinzip. Es handelt sich demnach bei den öffentlichen Gütern um eine Nichtmarktproduktion, die wie bei den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck als Eigenverbrauch des Staates und damit als Konsum (Staatskonsum) interpretiert und ebenfalls mit Herstellungskosten (darunter z. B. die Gehälter der Beamten) bewertet wird. Nur bei staatlichen Genehmigungen und entsprechenden Gebühren gilt das Ausschlussprinzip. Sie gelten daher als Marktproduktion und werden zu Vorleistungen oder privatem Konsum (Genaueres unter Abschnitt 1.2.2).


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