Im Kraftstrom des Satan-Seth. Frater Eremor
mehr zum Sünden-Bock, dem alles Übel dieser Welt angelastet wurde und parallel hierzu zum Machtinstrument der Kirche.
Es ist keine neue Erkenntnis, daß man Menschen am einfachsten beherrscht, indem man ihre Sexualität und ihr physisches Bio-Überleben unter seine Kontrolle bringt, Angst schürt vor „falschen“, d.h., von der Führungskaste unerwünschten Handlungen, die einem vielleicht sogar das ewige Leben verbauen können. Von Vorteil, wenn man sich bei der Versklavung von Millionen auf göttliche Autorität berufen kann. Alles, was Spaß macht, wurde mit dem Etikett: „Sünde!“ versehen. Wer die Sexualität verteufelt, wer allen Ernstes behauptet, Sex sei vom Teufel, der darf sich nicht wundern, wenn die Menschen sie sich auch vom Teufel holen. Viele Christen wurden enttäuscht, da sie vom Walten Gottes in der Welt nichts wahrnahmen. Doch angeblich trieb ja an jeder Ecke der Widersacher sein Unwesen. Also wendeten sie sich ihm zum. Satan avancierte vom Bruchpiloten zum Gegengott, zur echten Alternative. Gegengott ist ein Amt, das es in nahezu jeder religiösen Bewegung früher oder später zu besetzen gibt; in fast jeder Kultur existiert eine Priesterschaft dieser Alternative; ganz gleich, ob sie nun Satan, Set, Adramelech, Haborym, Emma-O, Loki, Mania, Mantus, Pan, Milcom, Demogorgon, Beherit, Pwcca, Bile, Tchort, Rimmopn, Samnu, Typhon, Yen-lo-Wang oder Tezcatlipoca genannt wird.
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich differente, teilweise paradoxe Vorstellungen, im Satanspool angesammelt. Wer aber ist dieses Chamäleon?
Der Satan der Kirche ist eine wahrhaft magische Gestalt. Dieser Satan ist tatsächlich dem Schoß der großen, christlichen Mutterkirche entflohen. Bei einer ordentlich durchgeführten Missionierung ist es wichtig, alte Götter zu diskreditieren, wenn man sie durch den christlichen Über-Gott ablösen will. Doch es ist nicht leicht, dem zu missionierenden, unzivilisierten Volk von abergläubischen Primitivlingen zu verdeutlichen, was an den alten Göttern eigentlich falsch und böse war, wenn es im eigenen Glauben doch nur das allmächtige Gute gibt. Wie hilfreich war es da, einen Widersacher aus dem Talar-Ärmel schütteln zu können, der in den alten Göttern seine Lokalvertretungen hatte, von denen man die Primitiven befreien konnte (um sie später als Sklaven für sich arbeiten zu lassen, denn Arbeit und Demut machen frei). Der Teufel als Sammelbecken für benutzte, alte, überflüssige Götter. Sollte sich wider Erwarten ein Gott im zu bekehrenden Volks so festgesetzt haben, daß man ihn weder durch Missionsarbeit sanft lösen noch durch das Schwert herausschneiden kann, bleibt immer noch, ihn heilig zu sprechen und in den eigenen Glauben zu integrieren, wie dies z.B. bei der heiligen Brigid geschehen ist.
Daß ein allwissender Gott keine Fehler begeht, ist einleuchtend. Problematisch wird es lediglich, wenn die Worte des religiösen Führers als bindende Autorität gelten, denn er hat schließlich den heiligen Geist auf der Schulter sitzen, der ihm die göttliche Wahrheit zuflüstert. Wenn das die absolute Wahrheit ist, was ein greiser, verknorrter Mann mit Fischkopfmütze sagt, ganz gleich, was er vorher getrunken hat, dann müssen Fehler und Irrtümer verleugnet und dem Teufel zugeschoben werden. So, wie die in der Psychoanalyse das Ich seinen Schrott um seinen Schatten türmt, wird das Symbol des Teufels eine gigantische Müllhalde aus zwei Jahrtausenden. Das ist es, was der „historische Satanist“, der sich als Anti-Christ am Christentum orientiert und Satan nur als Antipode des christlichen Gottverständnisses definiert, anbetet: Einen Müllhaufen.
Und so muß man sich die Hölle vorstellen: Frustrierte, abgeschobene Götter aller Kulturen, die von den Missionsplanierraupen egalisiert wurden, sitzen um einen riesigen, runden Tisch. Der Lichtbringer Luzifer glimmt etwas vor sich hin, steht dann gähnend auf und schürt das Feuer im Kamin. Wie damals, als ihn noch alle Prometheus nannten. Freya reicht ein paar selbstgebackene Plätzchen in die Runden, an denen alle recht gelangweilt herumkauen.
Plötzlich öffnet sich eine Dachluke und der Papst schüttet, neben ein paar Bierbüchsen und zerfledderten Pornoheften (Schwester Maria sieht sowas nicht so gerne) ein paar Todesurteile wegen Ketzerei, Bannbullen gegen Reformatoren und wissenschaftliche Hirngespinste (die Erde soll doch tatsächlich keine Scheibe sein...) herunter.
Diese Verfahrensweise mit dem Fremden und Neuen hatte zur Folge, neben der Erkenntnis, daß Pornohefte ins Altpapier gehören und der Vatikan keinen Müll sortiert, daß alle Formen der Ablehnung von Autorität und Auflehnung gegen bestehende Normen eine große Faszination über die Menschheit entwickelten.
So, wie der einzelne Mensch mindestens einmal im Leben eine rebellische Phase durchmacht, so gibt es auch in jeder Generation, in jedem Zeitalter, eine solche Phase.
Wie langweilig war doch das Christentum mit den öden und lebensfeindlichen Vorschriften, wie aufregend die Runde von Göttern, Wissenschaftlern und anderen Schamanen der Hölle. Dort dämmerte den frustrierten Göttern, Gelehrten und Priestern allmählich, daß ihre Zeit gekommen war. Anton Szandor Lavey beschreibt in seiner Satanic Bible, was geschah:
So they all join hands in „brotherly“ unity, and in their desparation go to Valhalla for their last great ecumenical council. „Draweth near in the doom of the twilight of the gods.“ The ravens of night have flown forth to summon Loki, who hath set Valhalla aflame with the searing trident of the Inferno. The twilight is done. A glow of new light is born out of the night and Lucifer is risen, once more to proclaim: „This is the age of Satan! Satan rules the earth!“ No longer shall men’s salvation be dependant on his self-denial.
Die Ersten, die aus der Hölle kletterten, waren diejenigen, die zuletzt hineingesteckt wurden: Wissenschaftler, die hinausschritten in die Welt, noch einen Blick über die Schulter warfen und ihren Vorsprung vor den Göttern der alten Zeit nutzten. Sie kehrten ihren ehemaligen Höllengenossen den Rücken und begannen damit, den christlichen Gott nur noch für jene zu akzeptieren, die sich keinen Psychoanalytiker leisten können und sich so samstags im Bordell, sonntags im Beichtstuhl Befreiung verschaffen. Bis kurz vor Wende ins 20. Jahrhundert haben sie tatsächlich geglaubt, sie hätten Newtons Uhrwerk-Universum bald vollständig erklärt und die klassischen Wissenschaftler könnten sich die Pfeifchen stopfen, sich in den Ohrensessel zurücksinken lassen und den verdienten Ruhestand vor dem heimischen Kamin genießen.
Doch das Feuer war nicht mehr wärmend für die Seele, der Tabak roch nicht mehr nach Freiheit und die Schatten, die das Feuer an die Wände warf, glichen keinen Fabelwesen mehr. Das Leben war kalt und die Wissenden waren unglücklich, da sie keine Weisheit besaßen.
Es begann die Renaissance der alten Götter, die sich ihr Lunchpaket gepackt hatten und sich aufgemacht haben aus der Hölle, um in ihrer Vielfalt dem Menschen die Freiheit zu geben, zu wählen und zu erkennen, daß sie bei ihm, in ihm, mit ihm, er selbst und sein Selbst sein können. All‘ unsere heidnischen Götter (und vielleicht wir selbst) haben lange Zeit in der Hölle gesessen, Doppelkopf gespielt und Freyas Kekse gefuttert, ob wir nun Thelemit, Wicca, Satanist, Odinist oder kynisch epikuräischer Hedonist sind.
Doch was, wirst du jetzt fragen, geschah mit den Wissenschaftlern in den Ohrensesseln? Die einen begingen Selbstmord. Andere stießen an die Grenzen ihrer Vorstellung, begannen hinter jeder beantworteten Fragen zwei neue zu sehen und verinnerlichten allmählich, wie wenig sie wußten. Viele aus dieser Gruppe erinnerten sich der Tradition des christlichen Abendlandes, rennen samstags in den Puff und sonntags in die Kirche.
Andere schnippeln in altbewährter Salamis-Taktik (nach der gleichnamigen Insel, nicht nach der Wurst benannt) in kurzen Überfällen immer mehr von magischen Erkenntnissen ab, geben ihnen neue Namen und bekommen den Nobelpreis oder nennen sie bei ihrem alten Namen und werden diskreditiert für einige Jahre. Wenn sie dann aus Gram oder im Gefängnis gestorben sind (Wilhelm Reich), werden sie posthum rehabilitiert.
Um die Wende ins 20. Jahrhundert begaben sich viele Menschen in Europa, enttäuscht von kalter Wissenschaft und lauwarmer Religion, selbst auf (oft mystisch orientierte) Sinnsuche. In einem allgemeinen Klima der Verunsicherung, des wirtschaftlichen Umbruchs und der Neuorientierung tauchten eine ganze Reihe von Orden, Logen und Gesellschaften wieder auf, die sich mit dem Okkulten befaßten. Es ist dies die entscheidende Zeit für die heutige esoterische Landschaft. In dieser Zeit reisten viele Suchende nach Tibet und Indien. Ich bezweifle, daß es dort so viele „erleuchtete Meister“ gab, die Europäer mit ihrem Geheimwissen einweihten, wie „Eingeweihte“ nach Europa zurückkehrten, ihren eigenen mystischen Verein eröffneten und ein paar Jünger um sich scharten. Die