Tatort Märchenwald. Kristina Lohfeldt

Tatort Märchenwald - Kristina Lohfeldt


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Aberglauben schrieb man groß –

      wie wurde man Frau Dreizehn los?

      So reisten Ehrengäste an,

      zwölf weise Frauen mittenmang,

      und wünschten Glück dem Elternpaar,

      verteilten Gaben wunderbar,

      bis – dramaturgisch höchst korrekt –

      nach schönster Handlung im Affekt

      die Ausgeladene erschien –

      das Festgewand nur ausgelieh’n –

      doch auch geladen mit viel Wut,

      was ihrem Teint nicht wirklich gut

      gestanden, aber muss ja nicht,

      denn sogleich erlosch das Licht,

      denn auch Feuer weiß genau

      wozu fähig ist die Frau.

      „Kleine Hoheit, sollst einst sehen,

      was mir heute hier geschehen.

      Sollst dich an der Spindel stechen,

      sterben und mich dadurch rächen,

      der ein Stich im Herzen sitzt,

      weil bei Hof ich abgeblitzt.“

      Dieses Schweigen konnt‘ man hören,

      darauf möcht‘ ich heut noch schwören!

      Alle Gäste stumm erbleichten,

      Wachen rasch den Saal erreichten.

      Eine weise Frau dagegen

      sah man flugs sich zu bewegen

      auf die Wiege der Infantin,

      machte sie sich zur Mandantin

      und sprach dann auch allsogleich

      jene Worte, segensreich:

      „Kann den Fluch nicht einfach brechen,

      doch die Pointe will ich schwächen,

      statt zu sterben wird sie dösen,

      bis ein Prinz kommt, zu erlösen

      und zu freien dieses Kind –

      was der Prinzen Jobs heut sind.“

      Seit dem Tage, liebe Leute,

      weniges das Kind erfreute.

      Denn sie wurde streng behütet,

      das Geheimnis wohl gehütet.

      Spitzes wurde schnell entbehrlich,

      da dem Kinde zu gefährlich,

      Allergie heißt sowas dann,

      wenn man’s nicht erklären kann.

      Allzuschnell kam dann der Tag,

      der vordem im Dunkel lag.

      Neugier trieb das dumme Kind

      in den höchsten Turm geschwind.

      Doch das Spiel wird Ernst sogleich,

      da im ganzen Königreich

      ein Insekt sich klug versteckte,

      gierig sich den Rüssel leckte,

      als Prinzesschen lieblich hold,

      Lippen rot und Haar wie Gold,

      in die Kammer ging zu gucken,

      konnte eilig sich nicht ducken,

      denn der Angriff überraschte –

      Königsblut die Mücke naschte.

      Hatte nur nichts vom Triumph,

      denn sogleich fiel steif und stumpf

      sie herab und Mädchen drauf,

      da den Fluch nun nichts hielt auf.

      Hundert Jahre sind vergangen,

      Rosen um die Mauern ranken,

      als ein Prinz auf lautem Ross,

      Outfit Leder und von Boss,

      ganz beherzt dem Schlosse naht,

      müde von der langen Fahrt.

      Parkt die Harley ganz behände

      mit gekonnter heißer Wende.

      In der Zeit von Harry Potter

      sind die Prinzen heute hotter.

      Reiseführer in der Linken,

      kann er rechts ein Bierchen trinken,

      schüttelt Kopf ob dieser Sagen,

      keiner da, um nachzufragen.

      So spaziert er mutig vor

      auf das dornbestrüppte Tor.

      Und – o Wunder! – diese Hecken

      machen Platz dem jungen Recken.

      Dieser wundert sich ein wenig,

      dieser Kampf ist arg bequemlich!

      Doch er wandert durch die Hallen,

      wo – manch Forschern zum Gefallen –

      Dutzende Skelette hausen,

      fängt den Prinzen an zu grausen.

      Tun noch das, was sie einst taten,

      lesen, tanzen, spielen Karten,

      halten aber die Bewegung –

      Tote zeigen selten Regung.

      Mit den Tieren ganz dasselbe;

      ist vom Ei nicht grad das Gelbe

      dieses Totsein, aber gut,

      seh’n wir, was das Prinzlein tut.

      Neugier treibt, wie einst die Kleine,

      ihn zum höchsten Turm; alleine

      ist ihm zwar ein wenig bange,

      doch bald hält ihn bei der Stange

      dieses Bild, das sich ihm bietet –

      hätte ihn fast umgenietet.

      Schau! Da schlummert unser Röschen,

      unterm Kleid ahnt man ihr Möschen,

      macht den Prinzen tierisch an,

      da er Altes leiden kann.

      Klappe! Schluss! Nun wird’s makaber –

      als Erklärung sag ich aber:

      Viele Märchen grausam sind,

      deshalb liebt sie jedes Kind.

      Als wir noch klein waren, fürchteten wir uns vor den Teufeln und Alten Weibern in den Märchensammlungen von Hauff, Andersen, Bechstein und den berüchtigten Gebrüdern Grimm. Wir hielten die Prinzessin im Froschkönig für eine Tierquälerin, wenn sie ihren schleimigen Verehrer – zumindest im Originalmärchen – angewidert an die Wand warf, wir glaubten noch, der Böse Wolf in Rotkäppchen wollte ihr nicht wirklich Böses, und wir wussten, würden wir uns tief genug in einen Brunnen hinab beugen, fänden wir uns in einer anderen Welt wieder und tanzten mit verzauberten Prinzen durch die Nacht, welche doch gar keine echten Entführer waren.

      Doch was viel wichtiger und uns oftmals gar nicht bewusst ist, dass diese Märchen eigentlich ganz andere Artverwandte haben: die Mythen der alten Griechen und


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