Count.Down.Under. Elke Tesche

Count.Down.Under - Elke Tesche


Скачать книгу
Hyde Park Barracks aus, in deren nächster Umgebung es einiges zu sehen gibt: Hyde Park, St. Marys Cathedral, Parliament House, St. James Church und das Sydney Hospital. Doch heute fehlt mir der Ehrgeiz, mich bis zum Anschlag mit Bildung vollzustopfen. Ich begnüge mich mit dem Betrachten der formschönen, historischen Fassaden. Ich will draußen sein und die Stimmung der Stadt inhalieren. Am Martin Place gönne ich mir einen Smoothie. Und wie ich diesen so genüsslich hinunter schlürfe, bemerke ich die anwachsende Menschenmenge, die sich vor den im Erdgeschoss einsehbaren Fernsehstudios versammelt. Nichts wie hin und Leute gefragt, welche Berühmtheit denn da zu sehen sei. Frei nach dem saarländischen Motto „Ei, denne MUSCHT du kenne!“ Von einem netten Paar aus Canberra erfahre ich, dass Larry hier gerade seine tägliche, landesweit bekannte Morgenshow abdreht, die live gesendet wird. ZDF-Morgenmagazin auf Boulevard. Nach einem kleinen Plausch mit den Touristen aus Australiens Hauptstadt gehe ich wieder meiner Wege, fest entschlossen, eines Morgens schlaftrunken Larrys Show anzusehen.

      Den nächsten Busstopp lege ich am Mrs. Macquaries Point im Botanischen Garten ein. Diese Stelle passierte ich zwar bereits gestern auf meinem Hardcore-Wandertag, aber heute verspricht das Wetter bessere Fotos: von hier aus hat man einen umwerfenden Blick auf Opera und Bridge. Die eine taucht optisch quasi unter dem Bogen der anderen auf. Ah, bei Sonne kommt das doch gleich viel besser! Das findet auch ein weiterer deutscher Tourist im Fotorausch, mit dem ich an dieser Stelle ins Fachsimpeln komme. Noch besser wäre es indes, nicht um die Mittagszeit, sondern gleich morgens hier aufzuschlagen. Dann steht die Sonne günstiger. Doch wer will hier dem Perfektionismus erliegen? Ich. Aber nur, wenn ich am Ende meines Aufenthaltes in dieser Stadt nicht mehr weiß, was ich noch tun soll.

      An Bord des nächsten Busses schalte ich für eine Weile auf das Programm „Stadtrundfahrt“ um und lasse mich für die nächsten Tage inspirieren. Da lauert noch eine Menge auf mich! Ich steige am Fischmarkt aus. Branchenüblicher Geruch und das typische Flair schlagen mir gleich entgegen. Dort komme ich vor lauter Fotografieren kaum zum Essen, schaffe es letztlich aber doch, mir eine Ladung Fish & Chips reinzuschaufeln. Immer schön mit Blick aufs Wasser. Das Auge isst schließlich auch mit. Auf dem Rückweg zur Bushaltestelle fällt mir zum wiederholten Male auf, wie höflich und rücksichtsvoll die Autofahrer hier sind. Auch ohne Ampelzwang und Zebrastreifen lassen sie mir den Vortritt – meist mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Als ich in den nächsten Bus einsteige, empfängt mich ein strahlender Busfahrer. „Sie kenne ich doch! Sie sind heute schon mal mit mir mitgefahren.“ Stimmt, jetzt, wo er es sagt. Erstaunlicherweise konnte er sich sogar noch daran erinnern, wo ich ausgestiegen war. Ich bin beeindruckt.

      Darling Harbour

      Mein nächstes Ziel ist Darling Harbour, eine glitzernde Mischung aus Freizeitpark, Einkaufszone und Kulturzentrum, im Hafengelände gelegen. Ich schlendere ziellos herum, schlecke ein Eis und lasse mich anschließend zum Circular Quay kutschieren, in dessen Nähe ich wohne. Kurz entschlossen besteige ich wahllos die nächstbeste Fähre, weil ich noch Fotos von Brücke und Opernhaus in der Dämmerung vom Wasser aus machen will. Doch was mich fast noch mehr beeindruckt als die beiden begehrten Objekte, ist das Ziel der Fähre: Mosman Bay. Wie kann man nur so unverschämt paradiesisch in dieser Bucht in Hanglage wohnen? Und das nur 20 Fährminuten vom Zentrum entfernt? Sollte ich mal auswandern und den einen oder anderen Dollar übrig haben, lasse ich mich gerne hier nieder. Bis dahin muss ich mich mit meinem Hotelzimmer in The Rocks zufrieden geben, in das am Abend kurzzeitig das Kufsteinlied aus der Kneipe namens „Oktoberfest“ schallt. Ein kräftiges „Holleradihi“ im Ohr, falle ich in tiefsten Schlaf.

      Heute werde ich gegen 6 : 30 Uhr sanft geweckt. Feueralarm! Nach fünf Minuten folgt der Aufruf zur Evakuierung. Schnell die nächstbesten Klamotten übergeworfen, Wertsachen in den kleinen Rucksack gepfeffert und raus aus der Hütte. Im Tross mit anderen ebenfalls noch nicht ganz vorzeigbaren Hotelgästen gelange ich durchs Treppenhaus ins Freie. Zwei Löschzüge brausen mit Alarm an. Rauch ist weder zu sehen noch zu riechen. Ich wage es, mich dem Eingang zu nähern. Dort deaktiviert ein Feuerwehrmann gerade den Alarm, wünscht freundlich einen guten Morgen und zieht mit der Truppe wieder ab. Verlegenes Grinsen auf dem Gesicht des Herrn an der Rezeption. Der Übeltäter war ein verbrannter Toast in einem der Hotelzimmer.

      Känguru …

      Nun, jedenfalls bin ich wach. Ich muss heute eh früh raus, denn schon bald werde ich am Hotel zur Tagestour in die Blue Mountains abgeholt. Zusammen mit zwei netten Engländern aus Birmingham – jetzt kriege ich den berühmten Song der Sex Pistols nicht mehr aus dem Ohr – warte ich auf den Bus. Ich wusste, der Tag wird hart. Wer je Englisch aus dem Munde von Leuten aus besagter Stadt gehört hat, weiß, was ich meine. Aber wie gut, dass sie mit von der Partie sind! Sonst wäre der Bus lässig an meinem Hotel vorbei gebraust. Denn ich stehe nicht auf der Liste des Tour-Guides Geoff. Meine Buchung von gestern Nachmittag war wohl zu spontan für den Veranstalter. Aber meine „Papiere“ sind alle in Ordnung und so darf ich natürlich mit. Mit zwölf Gästen aus sechs Nationen (Neuseeland, Australien, England, China, Indonesien, Deutschland) bestückt, ruckeln wir im Kleinbus durch Sydneys morgendliche Rushhour. Aus den Boxen perlt herzerfrischend „Guantanamera“, bis der Fahrer zu seinen launigen Reden und Anekdoten ansetzt. Ein begnadeter Entertainer!

      … und Echse im Blue Mountains Featherdale Wildlife Park

      Unseren ersten Stopp legen wir am Featherdale Wildlife Park ein. Alle ortsüblichen Verdächtigen sind hier vertreten: Kängurus, Koalas, eine kuriose Igel-Stachelschwein-Variante namens Echidna, Emus, Helm-Kasuare, tasmanische Teufel etc. Natürlich sind auch Wombats da. Sie sind nicht nur abgrundtief hässlich, sondern stoßen auch noch befremdliche, disharmonische Grunzlaute aus. Von euch Jungs hat es heute leider keiner in meine exklusive Fotoauswahl geschafft. Sorry, Wombats! Ein typischer Vertreter allerdings fehlt: das Schnabeltier. Der Grund: es kann nicht gut in einem solchen Park gehalten werden, da das Wasser in der Umgebung nicht rein genug ist. Es müsste extra für den verwöhnten Gast aufbereitet werden. Ach, ich könnte Stunden hier verbringen, aber der Guide treibt uns weiter. Es gibt noch so vieles zu sehen.

      Wir nähern uns den Blue Mountains, UNESCO-Weltnaturerbe seit 2001. Sie liegen rund 100 Kilometer westlich von Sydney, sind bis zu 1200 Meter hoch und dicht bewaldet. Ein wild zerklüftetes Plateau, Regenwald, spektakuläre Felsabbrüche, dramatische Wasserfälle, kilometerlange Canyons und ausgedehnte Eukalyptuswälder erwarten uns. Deren feiner Ölnebel sorgte übrigens für die Namensgebung der Berge. Schiefergraublauer Dunst liegt über ihnen. Wieder was gelernt.

      Bevor wir jedoch die Bergwelt erobern, reißt uns Geoff aus der Busfahrtslethargie. Ein Kurs im Bumerang-Werfen steht an. Jeder hat drei Versuche, die mehr oder weniger missraten. Einzig eine der Indonesierinnen schafft es, dass das Teil brav seine Runde dreht und in ihrer Nähe landet. Sie hatte bestimmt schon einen Personal Trainer, will es aber nicht zugeben. Immerhin gibt es weder Verletzte noch Tote bei unseren Bemühungen. Ist ja auch ein Erfolg. Übrigens wurde der älteste Bumerang wohl in Polen (!) entdeckt und ist vermutlich 23 000 Jahre alt.

      Weiter geht es zu den Wentworth Falls, die 300 Meter tief in eine atemberaubende Schlucht stürzen. Von einem Aussichtspunkt aus hat man einen herrlichen Blick übers Jamison Valley. Aus dem Busch lacht uns der Mountain Devil an. Verblüffend, was manche Pflanzen an kuriosen Blüten hervorbringen. Teebäume und jede Menge Eukalyptus pflastern unseren Weg. Geoff zeigt uns einen wundersamen Baum namens Banksie, dessen Samenkapseln sich nur bei Feuer öffnen. Sie warten jahrelang darauf und schlagen dann zu. Hoffentlich nicht hart und gnadenlos.

      Three Sisters

      Die berühmte Felsformation Three Sisters wartet auf uns. Der Sage nach handelt es sich um drei verzauberte Schwestern, die der Vater beim Flirt mit drei


Скачать книгу