Is' ja SAGENhaft! Norddeutsche Sagen voll verulkt. Lars Kramer
So erhalten sich die Mythen,
und wir werden uns stringent
vor dem Bösen immer hüten,
dann gibt’s auch ein Happy End.
In den Sessel nun gekuschelt,
falls Ihr dort nicht längst schon hockt,
diese Zeilen leis’genuschelt,
bis die Logik ausgeknockt!
Los geht’s auf den nächsten Seiten,
auf ins deutsche Sagenland,
in die sagenhaften Weiten
bis zum Sagenweltenrand!
Also, hurtig umgeblättert,
nur noch rasch ’nen Tee gebrüht!
In den Märchenwald gebrettert,
bis Rapunzels Schlüpfer glüht!
Viel Spaß
beim Schmökern!
1.
Ein Reptil mit Stil
(Der Lindwurm bei Kirchweye)
Vor zwei Jahrhundert’ oder dreie,
vermutlich ist’s noch länger her,
da machte jedem bei Kirchweyhe
ein Lindwurm echt das Leben schwer.
Der fiese Echsenpyromane,
der zündelte wie’s ihm gefiel.
Er grillte Menschen wie Fasane
und latschte im Godzilla-Stil.
Er schwärzte Häuser, ganze Orte,
den Rest davon, den trat er platt.
Nicht schwer für eine Dino-Sorte,
die so ’ne Stiefelgröße hat.
Allmählich war’n die braven Leute
vom „Dauerfeuer“ voll frustriert,
weil Schwund der halben Siedlermeute
den Grundstückswert echt reduziert.
Drum wurd’ ein Ritter angeheuert,
damit sich’s wieder besser wohnt.
Ein Dutzend ward zuvor „gefeuert“,
doch blöderweise schon entlohnt.
Man hatte nun zwar reichlich „Kohle“,
doch war buchstäblich „abgebrannt“,
weil Drachendrecksacks Schlund und Sohle
versauten Haus und Hof und Land.
Doch was sich ließ an Geld behüten,
das schmissen alle in ‘nen Topf,
um Ritters Dienste zu vergüten,
zu spalten den Reptilienkopf.
Und unser Held mit Namen Weyhe,
der sandte noch ein Stoßgebet:
„Dort, wo den Drachen ich entzweie,
für Gott ein Kirchlein bald entsteht!“
Nachdem vollendet war der Spruche,
da schnappte er sich rasch sein Schwert
und hastete zum Allerbruche,
weil wohl der Lindwurm dort verkehrt.
Und unser Held sollt’ Recht behalten.
Er fand ihn vor, er roch Benzin,
denn feiste Drachenklauen krallten
sich um ‘nen Eimer Kerosin.
Der eitle TNT-Rex-Dandy,
der gurgelte grad ein Gemisch
aus Spiritus versetzt mit Brandy.
So riecht sein Atem wieder frisch.
So kriegt der Drachenrachen Zunder.
Der Schuppenpanzer glänzt wie neu.
Es brennt der ganze Menschenplunder
erst ordentlich mit dem Gebräu.
Und wie die Echse so am Schwelgen
von Feuersbrunst und Flammenmord
bemerkt sie, wie des Ritters Felgen
sich schleichend nähern, steuerbord.
Sofort wird’s Maul weit aufgerissen,
die Augen tödlich angeschlitzt.
Grad hat der Held sich vollgeschissen,
schon wird er gnadenlos geblitzt.
Und gleich darauf die Schwanzattacke.
Der Lindwurm packt den Lindwurm aus:
„Mich deucht, dies Würmlein hat ’ne Macke,
drum steht der Sinn mir nach zu haus’.“
„Doch kann ich mich kaum blicken lassen,
besudelt, wie ich hier so steh’.
Der Pöbel wird mich sicher hassen.
Ojemine, ojemine!“
„Nun gut. So sei es. Ich geh’ rüber.
Verflixt! Verdammich! Echt zu dumm!
Mein Beinkleid, das ist eh hinüber,
so bring ich halt den Drachen um.“
Er zückt den Speer. Er greift zum Degen,
bestärkt ob des Gedankenspiels.
Und ohne groß zu überlegen,
pflückt er die Rübe des Reptils.
Und da Recycling seine Masche,
und er die Tat beweisen muss,
macht er sich eine Kroko-Tasche
aus Lindwurmhaut mit Reißverschluss.
Dann kommt er an, der Held der Stunde,
genießt den Jubel, den Applaus.
Sein Name ist in aller Munde
und die Geschichte hiermit aus.
Nur fast, da gab’s ja ein Versprechen:
„Ich bau ein Kirchlein Gott zum Dank.
Dort wo des Drachen Knochen brechen,
eröffne ich ‘ne Büßerbank.“
Drum war der Dom-Bau an der Reihe,
natürlich drachenfeuerfest.
Das Gotteshaus hieß nun Kirchweyhe,
verstärkt mit Schindeln aus Asbest.
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