Moritz und das geheimnisvolle Topasia. Frank Anders
entdecken, dafür etwa ein dutzend Augenpaare, die ihn neugierig anstarrten. Kleine schwarze Kulleraugen, die zu ebenso kleinen Wesen gehörten, die kaum mehr als einen Schritt Körpergröße maßen. Irgendwie erinnerten sie Moritz an Igel. Und wie sich dann eines nach einem anderen umdrehte, fiel ihm auf, dass ihnen alle Stacheln fehlten. Über dem Rücken trugen sie einen Panzer, wie ihn sonst nur Schildkröten besitzen, wenn auch nicht so rund. Sie standen auf zwei Beinen, hatten eine kurze blattgrüne Hose an und auf dem Kopf trugen einige von ihnen einen kleinen Hut, der aus Kürbisschalen gefertigt war. In den Händen hielten sie einen langen Wurzelstrang. Sie hatten ihn befreit, wurde Moritz klar. Aber anstatt sich bei ihnen zu bedanken, hatte er nur Fragen für sie übrig.
»Wer seid ihr? Und wo ist das Licht, das ich gesehen habe?«
Ein aufgeregtes Raunen ging daraufhin durch die Reihen der Wesen, aber keines wollte Moritz direkt antworten.
Es dauerte eine Weile, bis eines von ihnen beschloss das Reden zu übernehmen. Um den Körper herum trug das männliche und zugleich größte Wesen unter ihnen ein Geflecht aus dünnen Wurzelsträngen und ging jetzt langsam auf Moritz zu.
»Du hast ein Licht gesehen?«, erwiderte das Wesen in einer Art Singsang, der zu Anfang leise dann laut und zum Ende wieder leise wurde.
Auch wenn sich Moritz darüber wunderte, warum es ganz offenbar seine Sprache verstand und selbst sprechen konnte, wunderte er sich noch mehr darüber, wie es sprach und wie sich sein Körper dabei veränderte. Denn während er redete oder eben sang, leuchtete er vom Bauch bis hinauf zum Hals schwach orangefarben. Nur hatte das mit dem Licht, was er glaubte gesehen zu haben, so ganz und gar nichts zu tun.
Moritz wusste, dass ihn seine Verwunderung nicht weiter brachte und so nickte er ungeduldig auf die Antwort wartend.
Wider Erwarten schüttelte das Wesen den Kopf. »Es gibt hier kein Licht. Was du gesehen hast, muss eine Einbildung gewesen sein, die dir in deiner Not erschienen ist.«
Moritz runzelte die Stirn. Das Licht – eine Einbildung? Er zuckte die Schultern und dachte über die Aussage des Großen nach. Vielleicht hatte er ja recht, immerhin schien das ihr Wald zu sein und somit kannten sie sich weit besser aus als er. Vorerst verwarf er die Gedanken an das Licht.
Aber was war mit seiner ersten Frage? Solche Mischwesen aus Igel und Schildkröte hatte er bisher noch nie gesehen. So wiederholte er seine erste Frage: »Wer seid ihr?«
»Bevor wir dir darauf antworten, wüssten wir gern, was ein Mensch wie du hier zu suchen hat?«, entgegnete der Große und sein Körper leuchtete erneut wie eine batterieschwache Taschenlampe.
»Ich muss so schnell wie möglich zur Burg Drachenzahn«, keuchte Moritz noch hörbar geschwächt. Dann erzählte er in knappen Sätzen, dass Kriemhild ihn hierher geschickt hatte.
»Kriemhild?«, ging der Große erstaunt dazwischen. »Etwa die Kriemhild von den Kupferhöhlen?«
Moritz nickte und erneut ging ein Raunen durch die Reihen der kleinen Wesen.
»Wenn dem so ist«, setzte der Große mit einer Spur voller Verachtung in der Stimme an, »hätten wir dich der Macht des Waldes überlassen sollen. Niemand der vernünftig genug ist, lässt sich mit dieser Hexe ein. Wer mit ihr Geschäfte macht, ist nicht besser wie sie selbst und damit unser Feind.«
»Ich habe keine andere Wahl. Ich muss dieses Mädchen, Anika, finden«, bemühte sich Moritz zu erklären. »Ohne sie kann ich nicht in meine Welt zurück.«
»In was für eine Welt denn?«
»Ich würde es Euch gerne erklären wollen, aber ich glaube ihr werdet mich für verrückt halten. Ehrlich gesagt, es ist auch ziemlich verrückt. Jedenfalls bin ich jetzt hier und habe drei Tage Zeit, um sie zu finden.«
»Weißt du denn überhaupt, wo diese Burg steht?«
»Ich glaube schon«, sagte Moritz.
Der Große begann über irgendetwas nachzudenken, lächelte dann, als wäre er gerade von einem Geistesblitz getroffen. Er sagte feierlich: »Heute ist dein und unser Glückstag.«
Fragend sah Moritz ihn an.
»Wir haben dich aus dem Sumpfloch gerettet und nun kannst du uns einen Gefallen tun.«
Verwundert legte Moritz den Kopf schief. »Was für einen Gefallen denn?«
»Sei unser Gast. Du hast uns eine gute Ernte beschert und wir möchten dir mit einem Fest danken. Du kannst dich bei uns stärken und anschließend weiterziehen.«
»Aber ich muss sofort zu dieser Burg«, drängte Moritz.
Eindringlich und mit ernstem Blick sah der Große ihn an. Er hatte nicht erwartet, dass der Junge sich stur zeigen würde.
»Du wirst meine Einladung doch nicht etwa ausschlagen wollen?«
Moritz schürzte die Lippen. Er versuchte abzuwägen. Konnte er es sich leisten, die Einladung anzunehmen? Wie weit die Burg entfernt war, wusste er nicht. Er hatte allerhöchstens drei Tage. Und wie er in der Zeit an Essen kommen würde, wusste er auch nicht. Da kam ihm das Angebot durchaus gelegen. Also nahm Moritz an.
5. Das Kürbisfest
Der kleine Tross setzte sogleich zum Rückweg an. Moritz folgte ihm und beobachtete nervös den Wald.
Am Ende der Gruppe liefen zwei, die auf irgendetwas stolz waren.
Als sie bemerkten, wie Moritz sie ansah, schenkte ihm zumindest der Größere und Dünnere ein breites Grinsen.
»Wir haben dich gefunden«, sagte er schließlich mit einer piepsigen Stimme, die sich ebenfalls hob und senkte.
»Danke«, kam es spärlich aus Moritz heraus.
»Wenn wir nicht gewesen wären«, erklärte das andere Wesen, das demnach kleiner und dicker war, »dann hätte dich der Sumpf mit Haut und Haar verschlungen. Heute muss dein Glückstag sein, wenn Oktavo dich obendrein zu unserem Kürbisfest eingeladen hat.«
Seine Stimme war um einiges ernster und tiefer, kam aber auch in Wellen aus ihm heraus.
Moritz nickte dankend. Dieser Oktavo dachte er, war ganz bestimmt ihr Anführer.
Während sie liefen, erklärte ihm der Kleinere und Dickere, warum der Wald auf einmal so derartig wild wurde.
»Der Kürbiswald mag keine Menschen.« Er machte eine kleine gedankliche Pause, ehe er noch hinzufügte: »Und wir mögen auch keine Menschen.« Bei diesem Satz leuchtete sein Bauch besonders hell auf.
Moritz sah ihn verwirrt an, wollte dennoch nicht nach dem warum fragen.
»Allerdings«, schloss das andere Wesen an, »haben wir bis heute keinen einzigen von ihnen gesehen. Du bist der Erste.«
Moritz blieb stehen und schien nachzudenken. Warum luden sie ihn dann ein, wenn sie die Menschen nicht mochten? Misstrauen machte sich in ihm breit und er wollte ganz besonders vorsichtig sein.
An der Spitze des Trupps blieb Oktavo stehen, wandte sich den beiden Wesen zu und beauftragte sie, Moritz zu einem Wasserlauf zu führen, wo er sich den Schlamm, der an ihm haftete, abwaschen konnte.
Sogleich verließen sie den eingeschlagenen Weg und nahmen Moritz mit zu der Stelle im Wald.
Nur zögernd folgte er den beiden, achtete dabei auf alles, was ihn umgab. Er blies die Wangen auf, was den kleineren der beiden auf ihn aufmerksam werden ließ. Er versuchte Moritz’ Regung zu deuten, konnte sich jedoch keinen Reim darauf machen und so fragte er:
»Was ist los mir dir?«
»Ach, nichts«, winkte Moritz ab und schüttelte den Kopf.
Der Kleinere schüttelte ebenfalls den Kopf und ging weiter voran.
Kurze Zeit später waren sie da. An einem kleinen Bach, der in einem Graben lag und klares Wasser