Der Typ aus Evas Rippe. Andrea Ralfbüchert-Mener
Mann blicken, worauf die beiden Jungfrauen irgendwann die Krise bekamen und beschlossen, sich von ihrem Vater schwängern zu lassen.
Warum sie so scharf darauf waren, Kinder zu bekommen, um sie dann unter den lebensfeindlichen Bedingungen der Wüste und in Verbindung mit großen Entbehrungen aufzuziehen, erklärt die Bibel nicht näher, und so wollen wir ihre Beweggründe dahingestellt sein lassen. Jedenfalls gingen aus ihren Söhnen die Stammväter der Moabiter und Ammoniter hervor, was sich ja trotz des Inzests für den Werdegang der Menschheitsgeschichte im Weiteren auch ganz hübsch machte.
Sie gaben also ihrem Vater am Abend
Wein zu trinken; dann kam die Ältere
und legte sich zu ihrem Vater.
Er merkte nicht, wie sie sich hinlegte
und wie sie aufstand.6
Und weil das so gut klappte, versuchte es anderen Tags die Jüngere auf selbige Art und Weise. Der abermals trunkene Vater, der sich in seine Rolle als Verantwortung tragender Alleinerziehender wohl noch immer nicht recht finden konnte, bekam wieder nichts mit, und seine Sprösslinge wurden tatsächlich gleich auf Anhieb schwanger.
Wenn zu biblischen Zeiten Männer selbst während des Vollrauschs und Tiefschlafs in der Lage waren, Kinder zu zeugen, wird man sich angesichts der heutigen Exemplare fragen müssen, welche Ursachen für das zunehmende Versagen des Mannes als solcher eine Rolle spielen. Umweltgifte dürften selbst vor hundert Jahren noch nicht den entscheidenden Beitrag geleistet haben, und doch beklagten die Frauen schon zu dieser Zeit weltweit die „Standhaftigkeit“ ihrer Cavaliere. Bevor die Frau in Fahrt kam, war der Mann fertig.
„Erster!“
Lasst uns an dem Bekenntnis festhalten!
Einmal wurde ich während eines Bewerbungsgesprächs gefragt, welcher Konfession ich angehöre, sofern ich überhaupt ein Bekenntnis hätte. Ich begriff nicht, welchen negativen oder positiven Einfluss die Religion auf eine Tätigkeit als Verkäuferin haben sollte; allenfalls hätte ich mir vorstellen können, dass man ihr, wäre die Bewerberin Muslimin oder zum Islam konvertiert, das tägliche, mehrmalige Beten von der Arbeitszeit abzuziehen gedächte und sie bereits jetzt darauf hinweisen wollte. Und so antwortete ich, obgleich es nicht stimmt, aus einer Laune heraus und mit einer gehörigen Portion Schalk im Nacken: „Ja, ich bin Atheist. Oder Atheistin, wenn Sie wollen.“
Mir war in dem Moment natürlich völlig bewusst, dass ich mir mit dieser Äußerung die geringe Chance, in der Filiale eine Anstellung zu finden, von vornherein verbaute, doch hatte ich aufgrund der eisigen Atmosphäre im bisherigen Gesprächsverlauf ohnehin nicht den besten Eindruck gewonnen. Und ich konnte es mir leisten, mit dem Feuer zu spielen, denn ich hatte – Gott sei Dank – noch mehrere Pfeile im Köcher.
Mein Gegenüber, eine korpulente, gestreng wirkende ältere Dame mit akkurater Hochsteckfrisur, der man die humorlose Chefin auch ohne Teleskop schon aus astronomischer Entfernung ansah, und die ihre nur als Rudimente vorhandenen, weiblichen Attribute mit Hilfe eines Damenbarts, Dauerstirnrunzelns und leicht vorgeschobenen Unterkiefers erfolgreich daran hinderte, wahrgenommen werden zu können, nahm die Brille ab, blinzelte ein paarmal und musterte mich schließlich mit einem verunsicherten Blick.
„Atheist?“
„Ja.“
„Wissen Sie, was das Wort bedeutet?“
„Ja, klar.“
„Nun?“
„Na“, sagte ich und setzte die unschuldigste Mine auf, zu der ich fähig war, „ein Atheist ist jemand, der nicht an Gott glaubt.“
„Aber, das – das – das ist doch keine Konfession!“
Ich stellte mich dumm. „Tatsächlich? Entschuldigen Sie, aber dies ist mir neu. Ich hatte bislang immer gedacht, Konfession würde Glaubensbekenntnis bedeuten, und wenn ich als Athe…“
„Das tut es auch.“
„Und Atheismus zählt nicht darunter?“
„Natürlich nicht!“
„Das ist seltsam“, sagte ich kopfschüttelnd und starrte auf das kleine Kreuz gegenüber, das sich vor meinem geistigen Auge zu vermehren begann, bis die ganze Wand damit übersät war. „Dabei habe ich ja einen Glauben.“
„Sie sagten doch gerade, dass Sie – dass Sie nicht an Gott glauben.“
„Richtig, das sagte ich.“
„Ja – woran glauben Sie denn dann?“ Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie an meiner geistigen Gesundheit zweifelte.
„Na, ich glaube eben, dass es keinen Gott gibt.“
Ihr leicht zur Seite geneigter Kopf, der offenstehende Mund und der starre Blick, welcher, der Welt entrückt, über meinen Kopf hinweg irgendwo in den Raum zielte, ließen meine Hand unwillkürlich über mein Haar streichen, um sicherzugehen, dass mir nicht etwa ein goldenes Geweih oder Schlimmeres wuchs.
Um es abzukürzen: Ich bekam die Stelle nicht. Auf eine offizielle Begründung warte ich heute noch.
Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Weibes …
Schon der Gedanke daran sollte unter Strafe stehen, wenngleich ich persönlich die diesbezüglich empfohlenen und auf „selbstkritischer Eigenexekutive“ beruhenden Repressalien der Evangelien des Neuen Testaments für „leicht“ übertrieben halte. So ruft Jesus von Nazareth die Galiläer in seiner Bergpredigt mit allem Nachdruck zur Selbstverstümmlung auf, sollten sie es, obgleich verheiratet, wagen, einer anderen Frau wollüstige Blicke zuzuwerfen. Es steht in Matthäus, Kapitel Fünf, Verse Siebenundzwanzig bis Dreißig der Einheitsbibel geschrieben, und ich zitiere – ohne Einfügen einer Fußnote – wörtlich:
„Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen! Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.
Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie weg (…).
Denn besser ist für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.“
Wohl dem, der damals Linkshänder war und so viel Geschick besaß, mit einem einzigen Hieb einen glatten Schnitt zustande zu bringen. Unterstellen wir mal, dass all dies wortwörtlich zu nehmen sei, warum dann eigentlich die Hand? Ich hätte ein ganz anderes Glied mit Strafe bedroht.
Mein Ex-Mann Marco war ein typischer Vertreter seines Geschlechts. Ich gehe natürlich davon aus, dass er es noch heute ist und seine derzeitige Flamme mit denselben männlichen Verhaltensweisen nervt, mit denen er mir jahrelang auf die Eierstöcke ging. Es gab Situationen, die man aushalten konnte, mitunter gar belustigend fand – zumindest im Nachhinein –, dann wieder solche, für die man ihm morgens etwas in die letzte Tasse Kaffee seines Lebens hätte tun mögen.
Marco hat(te), wie die meisten seiner Geschlechtsgenossen, einen ausgeprägten Tunnelblick und ein vorprogrammiertes, zielstrebiges Wesen. Wenn er sich beispielsweise in der Innenstadt befand, dann ausschließlich zu dem Zweck, ein besonderes Geschäft oder eine bestimmte Institution aufzusuchen, um danach ohne Verzögerung den Heimweg anzutreten. Während er vom Parkhaus aus auf sein Ziel zusteuerte, schaute er nicht nach links oder rechts, und so konnte es geschehen, dass er die eine oder andere Bekannte übersah und sich Vorhaltungen gefallen lassen musste. Von seinen männlichen Freunden, die ihm über den Weg liefen, hatte er das kaum zu befürchten; die nahmen ihn meist ebenso selten wahr wie er sie.