Der Typ aus Evas Rippe. Andrea Ralfbüchert-Mener

Der Typ aus Evas Rippe - Andrea Ralfbüchert-Mener


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sexueller Hinsicht akzeptablen Frau begegnete. Dann zwang es seinen Kopf, sich während des Weitergehens nach ihr umzudrehen. Das geschah und geschieht überall auf der Welt. Alle Männer sind so, habe ich mir sagen lassen. Das liegt wohl in ihrer Natur. Soll sogar experimentell nachgewiesen sein.

      Bereits zu biblischen Zeiten erkannte man die Gefahren, in welche sich die Männer zu begeben drohten:

       Schau nicht umher auf den Wegen zur Stadt,

       streif nicht umher in ihren abgelegenen Winkeln!

       Verhüll dein Auge vor einer reizvollen Frau,

       blick nicht auf eine Schönheit, die dir nicht gehört.

       Wegen einer Frau kamen schon viele ins Verderben,

       sie versengt ihre Liebhaber wie Feuer.7

      Meinetwegen hätte sich Marco ja versengen lassen, … also sich umdrehen können, nach wem er wollte. Ärgerlich war die Sache für mich nur, wenn er es in meiner Anwesenheit tat. Das nahm ich regelmäßig persönlich.

      Einmal waren wir zusammen in der Stadt und gingen über den belebten Boulevard, als er es wieder tat. Ich kochte innerlich. Zu Beginn unserer Beziehung hatte ich mich zurückgehalten und so getan, als würde ich es nicht bemerken. Wir waren ja damals noch nicht derart „untrennbar“ liiert, sprich verheiratet, dass ich ihm hätte Vorhaltungen machen wollen. Doch nun fragte ich ihn: „Kennst du die Frau?“

      „Welche Frau?“

      „Die, nach der du dich gerade umgedreht hast.“

      Er blieb stehen und wendete suchend den Kopf.

      Ich beschloss ruhig zu bleiben. „Sag bloß, du kriegst das gar nicht mit. Du hast gerade die Brünette in dem hellblauen Kleid dort ins Visier genommen. Das hab ich genau gesehen.“ Ich deutete mit dem Kopf in die Richtung.

      Er blinzelte und stand mit offenem Mund da wie ein begossener Pudel. Seine Augen stocherten in den Menschenmassen umher.

      „Jetzt steht sie vor dem Lotto-Laden, geht hinein. Siehst du sie?“

      „Nach der soll ich geschaut haben?“, fragte er kopfschüttelnd. „Die ist gar nicht mein Typ!“

      Das kam ihm so treuherzig über die Lippen, dass ich lachen musste.

       Ob Laternenmast oder nicht, bleibt sich gleich …

      Hundert Meter weiter das gleiche Spiel. Diesmal war es eine aufgetakelte Blondine in grüner Bluse mit gewagtem Ausschnitt und engen, verwaschenen Jeans. Er wendete sich nach ihr um und musterte sie eindringlich, während seine Beine wie im Selbstlauf auf ursprünglichem Kurs blieben. Unglaublich!

      Ich hatte indes nur drei Sekunden lang Zeit, zu überlegen, auf welche Weise ich ihn rügen sollte. Dann nahm mir ein Laternenmast die Entscheidung ab.

       Wenn einer Ohren hat zum Hören, so höre er!

      Marco machte, wie mir seine Eltern zu Beginn unserer Beziehung während eines Gesprächs unter sechs Augen und unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit anvertrauten, auch auf andere Art schmerzhafte Erfahrungen. Weitaus gefährlicher als sein Tunnelblick und der mit latenter Verletzungsgefahr einhergehenden Neigung, sich während des Gehens von weiblichen Schönheiten ablenken zu lassen, war nämlich sein Unvermögen, aufmerksam zuhören zu können. Ich müsste das wissen, meinten sie, um gewappnet zu sein, und so sollte ich mich, bevor ich ihn direkt auf etwas ansprechen durfte, zunächst seiner ungeteilten Aufmerksamkeit versichern.

      Schon Jesus Christus hatte seinen Jüngern unmissverständlich eingetrichtert:

       Es gibt nichts Verborgenes, das nicht offenbar wird,

       und nichts Geheimes, das nicht bekannt wird

       und an den Tag kommt.

       Gebt also acht, dass ihr richtig zuhört (…)8

      Es war etwa ein Jahr, bevor ich ihn kennenlernte – also Marco, nicht Jesus. Er befand sich im dritten Lehrjahr und wohnte noch bei seinen Eltern, als er eines Nachts, zwar lädiert, doch offensichtlich nüchtern, von seinem Skatabend nach Hause gewankt kam. Die Jacke dreckig und zerrissen, ein ausgewachsenes Veilchen rund ums linke, geschwollene Auge, Schürfwunden an Handballen und Knien …

      Vom entsetzten Vater zur Rede gestellt, erzählte er, es wäre gar nicht zum Skatspielen gekommen, weil ihr dritter Mann kurzfristig abgesagt hatte, und wie sie noch beratschlagten, was mit dem Abend weiter anzufangen sei, wären drei große, grobschlächtige Kerle hereingekommen und hätten sich an ihren Tisch gesetzt. Sein Freund Danny hatte kein Problem damit; er war mit den dreien gleich per Du – besonders mit dem, den sie „Breaker“ nannten. Der war Kran- oder Baggerfahrer oder etwas in der Art und schwärmte von seinem Job im Allgemeinen und von der Arbeit mit der Abrissbirne im Besonderen. Er schien sich in dieses Gerät regelrecht verliebt zu haben. Wer ihn mit glänzenden Augen und verklärtem Blick von dieser martialischen Stahlkugel reden hörte, traute ihm zu, seine tonnenschwere Angebetete abends am liebsten sogar mit ins Bett nehmen zu wollen, wenn es denn sowohl die Statik der Schlafstätte als auch die des Hauses zugelassen hätten.

      Danny und die Kumpel des Breakers quiekten vor Vergnügen, als dieser nun eine Verwüstungs-Story nach der anderen zum Besten gab, nur Marco fand keinen Zugang zu seinen neuen Gesprächspartnern; ihn interessierte deren Thematik nicht. So saß er gedankenverloren auf seinem Stuhl, schlürfte sein Bier, starrte mit nach innen gerichtetem Blick vor sich hin und irgendwann auch in das Gesicht des Breakers, der irritiert ins Stocken geriet. Auf dessen Stirn erschienen vertikale Falten, und sein Unterkiefer schob sich nach vorn. „Was ist los, wieso glotzt du so dämlich?“

      Danny, der im Eifer gar nicht auf seinen Freund geachtet hatte, erschrak, begriff die Situation jedoch sofort, verpasste Marco einen Rippenstoß mit dem Ellbogen und zischte: „Los, Mann, nun sag du auch mal was!“ Und Marco erwachte aus seiner Starre, griente den Breaker an und stellte die alles entscheidende, verhängnisvolle Frage: „Ja, eh – was machst du eigentlich beruflich so?“

      Der Breaker, der wohl noch nie etwas ohne seine vergötterte Abrissbirne auseinandergenommen hatte, beschloss spontan, hier eine Ausnahme zu machen. Im letzten Moment gelang es Marco, aus den Klauen des Gewalttäters zu fliehen, bevor er schwerere Verletzungen als Hämatome und Schürfwunden davontragen konnte. Auch Danny nutzte die Gelegenheit, sich aus dem Staub zu machen, um nicht als Äquivalent herhalten zu müssen.

       „Um Himmels Willen, Breaker – das ist nicht die Ruine – das ist der Neubau!

      Es ist nun einmal das Los der Männer, sich nicht auf mehrere Sachen gleichzeitig konzentrieren zu können und manchmal kann das, wie man sieht, sogar lebensgefährlich sein.

       Und wenn ihr dem Herrn wollt ein Dankopfer tun …

      Männer haben im Allgemeinen eine völlig anders geartete Verdauung als Frauen. Keine Angst, ich komme jetzt nicht – zumindest nicht ausführlich – auf das leidige Thema der Flatulenzen und die damit verbundenen Geräusche und Gerüche zu sprechen, die uns Frauen den Magen umzudrehen vermögen.

      Ein Mann ist, soviel kann ich aus eigener Erfahrung mit dem meinigen berichten, ernährungstechnisch mit einem Stoffwechsel gesegnet, der noch aus der Steinzeit zu stammen scheint. Da gibt es kaum Ausnahmen. Womit ich nicht sagen möchte, dass er es fertig brächte, Steine im Sinne des Wortes zu verdauen (obgleich ich Marco diesbezüglich durchaus für befähigt halte).

      Es ist vielmehr so, dass Männer in der Lage sind, abgelaufene, ja


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