Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich

Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich


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focht mit Beherrschung weiter.

      »Der Herr Staatssekretär wird Ihnen mündlich die Art seiner Bedenken erläutern können.«

      »Ihre Auffassung ist leider nicht ganz zutreffend, Herr Kollege! Nicht wir haben den Herrn Staatssekretär zu fragen, sondern er fragt uns! Und ich habe Sie darum bitten müssen, Aufklärung zu beschaffen!«

      Grevenhagen gab zum zweiten Mal keine Antwort. In der Ruhe seiner Mienen, in einer leichten Ironie um seine Mundwinkel lag eine Auflehnung, die nicht weniger aufreizend war als Boschhofers Redensarten.

      Die fleischige Hand blätterte in dem Exposé hin und her.

      »Offen gesagt, mir ist Ihr Verhalten nicht ganz begreiflich! Besonders, da es eine an sich recht heikle Sache betrifft. Sie haben hier über Dinge geschrieben, Herr Grävenhagen, die Ihr Referat nicht unmittelbar angehen. Sie haben dabei Meinungen geäußert, die in Ihrer amtlichen Dienststellung zumindest … nun zumindest … sehr erstaunlich sind.«

      Grevenhagen stand auf. »Herr Ministerialdirektor, ich bin nicht gewillt, versteckte Vorwürfe entgegenzunehmen in einer Form, die meine Beamtenehre angreift, ohne daß mir die Möglichkeit gegeben ist, entsprechend zu antworten. Ich bitte, diese Sache, falls sie so liegt, wie Sie sie jetzt darstellen, vor den Herrn Minister zu bringen unter Darlegung auch meines Standpunktes …«

      »Herr Grävenhagen, ich verwehre Ihnen keineswegs, zum Herrn Minister zu gehen! Sie machen hier nichts als Schwierigkeiten!« Boschhofer hob die Mappe mit dem Exposé und hieb damit klatschend auf den Tisch. »Ich habe Sie zu einer sachlichen Stellungnahme aufgefordert. Sie haben sie verweigert! Es handelt sich hier nicht um Ehre, sondern einfach um die Aufklärung eines Sachverhaltes, die zu geben Sie sich außerstande erklären! Das bitte ich festzuhalten!«

      Boschhofer schrie die letzten Worte. Die Äderchen seiner Gesichtshaut liefen mit bläulichem Rot an. Grevenhagen schien um einen Ton blasser zu werden.

      »Herr Ministerialdirektor, ich bitte, diese Unterredung zu beenden und mich daraus zu entlassen.«

      »Damit ist gar nichts erreicht, Herr Grävenhagen. Ich verlange nichts weiter, als daß Sie sich in den Dienst einfügen! Sie treiben eine stille Obstruktion!«

      »Ich verbitte mir diesen Vorwurf, Herr Ministerialdirektor, und wenn Sie ihn aufrechterhalten, so verlange ich meine Rechtfertigung auf dem Beschwerdeweg.«

      »Tun Sie, was Sie wollen! Sie werden ja sehen, wie weit Sie kommen!«

      Grevenhagen verbeugte sich und ging.

      Wichmann hatte sich erhoben. Er beobachtete Boschhofers Mienen, die nach Grevenhagens Abgang nur langsam zur Ruhe kamen. Der Gewaltige schien den Assessor gar nicht mehr im Zimmer zu wissen und erst nach peinlichen Sekunden neu zu entdecken. Wichmann bereute schon, sich nicht mit Grevenhagen entfernt zu haben. Er war noch sehr ungewandt.

      »Ah … Herr Wichmann! Entschuldigen Sie, ich habe Sie fast vergessen. Eine kleine Auseinandersetzung … wird Ihrem Seelenleben nicht weiter schaden! Was wollten wir doch noch miteinander? Einen Augenblick.« Boschhofer atmete asthmatisch laut. »Da nehmen Sie die Mappe wieder mit diesem Exposé … Danke, mir genügt das Zweitstück.«

      Wichmann hatte die Vorstellung, daß an seiner Seele Schweißtropfen herunterliefen. Konnte, wollte Grevenhagen nach dem, was vorgefallen war, seine Stellung in der Abteilung beibehalten? Welchen Strick würde ihm Boschhofer drehen, um ihn zu fangen und zum Sturz zu bringen? Was würde aus den Ernennungen und Beförderungen? Welchen Eindruck mußte Grevenhagen von dem ihm untergebenen Assessor mitgenommen haben?

      Wichmann hörte in seinen Gedanken nur mit halbem Ohr ein Gespräch, das Boschhofer am Telefon führte. Allmählich wurde er aufmerksamer.

      »Ja … ja … bitte, selbstverständlich. Ganz in unserm Sinne … ja – nein … ja. In vierzehn Tagen … jawohl … sofort in Auftrag … ja, natürlich. Danke … immer gleich … das war ein Fehlschuß … wir, Sie können sich darauf verlassen … jawohl … in vierzehn Tagen … einen Augenblick bitte …«

      Der fleischige Finger drückte den Knopf, Frau Lundheimer erschien. »Herr Ministerialrat Grävenhagen möchte sofort noch einmal zu mir kommen!«

      Wichmann schien es schon eine Ewigkeit zu sein, daß er an seinem Platz stand.

      Der immer noch telefonierende Ministerialdirektor hielt die Hand über das schallempfangende Mundstück und rief nochmals nach der Sekretärin.

      »Haben Sie Ministerialrat Grävenhagen erreicht?«

      »Er ist nicht in seinem Zimmer.«

      »Warum nicht?! Ich muß ihn sofort sprechen. Schauen Sie zu, wo Sie ihn finden … los!«

      Frau Lundheimer entschwand mit gespitzten Lippen.

      Das fernmündliche Gespräch setzte sich unterdessen fort.

      »Vollständig unsere … Exzellenz … was ich immer gesagt habe … mit allen Mitteln betreiben …«

      Wichmann stand da und wartete. Er fürchtete sich fast, als Grevenhagen zurückkehrte, denn er sah den unversöhnten Zug um die Mundwinkel.

      Boschhofer nahm den Hörer vom Ohr. »… einen Augenblick, Herr Kollege Grävenhagen … bitte um Entschuldigung, daß ich Sie schon wieder in Anspruch nehme … bitte, nehmen Sie einstweilen Platz, Herr Kollege … gleich fertig – hier …« Das Telefongespräch wurde beendet. Boschhofer zwang sein Schmunzeln, in den fettgepolsterten Zügen zu verweilen; es erstarrte darauf. »Das Staatsministerium hat soeben angerufen, wegen dieser Sache, die wir kürzlich besprochen hatten … Bitte, nehmen Sie doch Platz, Herr Kollege.«

      Boschhofers imponierende Gestalt verließ den Schreibtisch und kam herüber zu dem runden Tisch, um Grevenhagen in einen Klubsessel zu bitten und sich selbst in den gegenüberstehenden fallen zu lassen.

      »Wegen dieser Sache … in punkto Verwaltungseinteilung. Unsere Vorlage soll möglichst schon in vierzehn Tagen erfolgen.«

      »Bis dahin werde ich nicht abschließen können.«

      Boschhofers Augen wetterleuchteten. »Ah, schauen Sie zu, Herr Kollege! Es wird sich machen lassen. Ich habe eben versprochen, daß wir diesen Termin einhalten.«

      »Dann bitte ich, eine bessere Arbeitskraft damit zu betrauen als mich.«

      Grevenhagen hatte einen Ton, den Mastachsenkönig herauszufordern!

      Der von Wichmann befürchtete neue Ausbruch erfolgte jedoch nicht.

      »Ich habe keine bessere Arbeitskraft als Sie, lieber Grävenhagen. Sie werden das schon irgendwie möglich machen.«

      »Herr Ministerialdirektor, als Beamter stehe ich Ihnen notfalls vierundzwanzig Stunden am Tage zur Verfügung, aber mehr Stunden hat der Tag leider nicht.«

      »Ich weiß, ich weiß! Sie sollen sich nicht totmachen, Herr Kollege. Aber Sie wissen ja, es liegt uns selbst viel an dieser Reform. Wenn das Staatsministerium jetzt interessiert ist. Mitzutun … Man muß das Eisen schmieden, solange es glüht … Sagen Sie mir nur, welche Arbeitskräfte Sie brauchen! Die ganze Abteilung steht zu Ihrer Verfügung!«

      »Ein einziges gutes Pferd läuft schneller zum Ziel als ein ganzer Stall, Herr Ministerialdirektor. Wenn Sie anordnen, daß ich die Arbeit zu übernehmen habe, so werde ich tun, was möglich ist. Vielleicht ist Herr Nischan einverstanden, wenn Herr Assessor Casparius für einige Zeit zu mir abgeordnet wird.«

      »Selbstverständlich, selbstverständlich! Diese Sache geht allem vor. Sie bekommen, wen Sie wollen! Danke, Herr Wichmann, nein, wir haben wohl nichts mehr zu besprechen.«

      Der junge Mann zog sich zurück. Ihm wirbelte es in Kopf und Herz – »… der Grävenhagen … zehn Jahre machen den Kohl nicht fett und den Verstand nicht schärfer … Weigerung – Obstruktion – lieber Grävenhagen … habe keine bessere Arbeitskraft als Sie …«

      Das alles konnte ein Mann mit Namen Josef Boschhofer innerhalb einer Stunde sagen, und die Masse seines Fleisches


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