Perelandra. C. S. Lewis

Perelandra - C. S. Lewis


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oder später selbst einem Eldil zu begegnen, und davor, mit hineingezogen zu werden. Wohl jeder kennt diese Angst, hineingezogen zu werden – den Augenblick, in dem einem klar wird, dass bisher rein theoretische Überlegungen einen plötzlich in die Arme der kommunistischen Partei oder einer christlichen Kirche treiben – das Gefühl, eine Tür sei hinter einem zugeschlagen. Ein solch unglückliches Zusammentreffen lag hier vor. Ransom selbst war gegen seinen Willen und beinahe durch Zufall zum Mars (beziehungsweise nach Malakandra) gebracht worden, und ein weiterer Zufall hatte mich in seine Angelegenheiten verwickelt. Doch nun gerieten wir beide mehr und mehr in den Sog von etwas, das ich nur als interplanetarische Politik bezeichnen kann. Was meinen heftigen Wunsch betrifft, niemals selbst mit den Eldila in Berührung zu kommen, so weiß ich nicht, ob ich ihn begreif-lich machen kann. Es war mehr als das kluge Bedürfnis, fremdartigen, sehr mächtigen und sehr intelligenten Geschöpfen aus dem Weg zu gehen. Alles, was ich über sie gehört hatte, brachte zwei Dinge miteinander in Verbindung, die der Verstand gern trennt, und diese Verbindung versetzte einem gewissermaßen einen Schock. Wir neigen dazu, nichtmenschliche Intelligenzen in zwei unterschiedliche Kategorien einzuteilen – eine wissenschaftliche und eine übernatürliche.

      In einer bestimmten Stimmung denken wir an H. G. Wells’ Mond- und Marsbewohner (wobei letztere übrigens sehr wenig Ähnlichkeit mit den wirklichen Malakandriern aufweisen); in einer anderen Stimmung lassen wir unsere Gedanken um die Existenz von Engeln, Geistern, Feen und dergleichen kreisen. Aber sobald wir ein Geschöpf der einen oder anderen Kategorie als wirklich ansehen müssen, verwischt sich allmählich der Unterschied, und bei Geschöpfen wie den Eldila verschwindet der Unterschied gänzlich. Sie waren keine Lebewesen mit physischen Körpern – in dieser Hinsicht gehörten sie in die zweite Gruppe; aber es gab eine Art Trägersubstanz, die (im Prinzip) wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte. In dieser Hinsicht gehörten sie in die erste Gruppe. Die Unterscheidung zwischen natürlich und übernatürlich wurde aufgehoben; und nachdem sie aufgehoben war, merkte man, wie tröstlich sie gewesen war – wie sehr sie die unerträgliche Fremdartigkeit des Universums gemildert hatte, indem sie sie säuberlich in zwei Hälften geteilt und den Verstand bestärkt hatte, diese niemals im gleichen Zusammenhang zu sehen. Welchen Preis an falscher Sicherheit und allgemein anerkannter Gedankenverwirrung wir möglicherweise für diesen Trost gezahlt haben, ist eine andere Frage.

      »Was für eine lange, trostlose Straße«, dachte ich. »Nur gut, dass ich nichts zu tragen habe.« Und dann fiel mir mit Schrecken ein, dass ich eigentlich etwas tragen müsste, nämlich den Rucksack mit meinen Sachen für die Nacht. Ich fluchte vor mich hin. Ich musste ihn im Zug gelassen haben. Wird man mir glauben, dass mein erster Impuls war, zur Bahnstation zurückzukehren und »etwas zu unternehmen«? Natürlich gab es nichts zu unternehmen, was nicht genauso gut durch einen Anruf vom Landhaus aus erledigt werden konnte. Der Zug mit meinem Rucksack musste inzwischen weit über alle Berge sein.

      Jetzt ist mir das ebenso klar wie meinen Lesern, doch damals hatte ich das unbedingte Gefühl, umkehren zu müssen, und auch bereits die ersten Schritte getan, ehe die Vernunft oder das Bewusstsein erwachte und ich in der bisherigen Richtung weiterging. Dabei spürte ich deutlicher als zuvor, wie wenig ich das eigentlich wollte. Es fiel mir so schwer, dass ich den Eindruck hatte, gegen den Wind zu gehen; dabei war es einer jener stillen, leblosen Abende, da kein Blatt sich regt, und ein leichter Nebel stieg auf.

      Je weiter ich ging, desto unmöglicher war es mir, an etwas anderes als an diese Eldila zu denken. Was wusste Ransom wirklich über sie? Ihm zufolge besuchten die, die er kennen gelernt hatte, unseren Planeten nicht – oder erst seit seiner Rückkehr vom Mars. Wir hätten unsere eigenen Eldila, meinte er, irdische Eldila, doch sie gehörten einer anderen Art an und seien den Menschen meistens feindlich gesinnt. Dies sei der Grund, warum unsere Erde von der Verbindung mit den anderen Planeten abgeschnitten sei. Unsere Erde befinde sich in einer Art Belagerungszustand, sie sei genau genommen feindlich besetztes Gebiet, unterdrückt von Eldila, die sowohl mit uns als auch mit den Eldila der Himmelstiefen oder des Weltraums im Streit lägen. Wie Bakterien auf der mikroskopischen Ebene, so durchsetzten diese schädlichen Mitbewohner auf der makroskopischen unsichtbar unser ganzes Leben und seien die wahre Erklärung für die verhängnisvolle Wendung, die die Menschheitsgeschichte genommen habe. Wenn das alles stimmte, dann mussten wir natürlich begrüßen, dass Eldila einer besseren Art endlich die Grenze (die, wie es heißt, der Mondumlaufbahn entspricht) durchbrochen hatten und nun zu uns kamen. Immer unter der Voraussetzung, dass Ransoms Bericht der Wahrheit entsprach.

      Ein hässlicher Gedanke kam mir in den Sinn. Vielleicht wurde Ransom zum Narren gehalten? Wenn jemand aus dem Weltraum eine Invasion unseres Planeten plante, konnte er sich kaum eine bessere Tarnung ausdenken als Ransoms Geschichte. Gab es überhaupt den geringsten Beweis für die Existenz der angeblich bösartigen Eldila auf der Erde? Wie, wenn mein Freund, ohne es zu wissen, die Brücke wäre, das trojanische Pferd, das irgendwelchen Invasoren die Landung auf Tellus ermöglichte? Und wieder überkam mich der Impuls umzukehren, genau wie bei der Entdeckung, dass ich meinen Rucksack im Zug gelassen hatte. »Kehr um, kehr um«, wisperte es mir zu. »Schick ihm ein Telegramm, sag ihm, du wärest krank und kämest ein andermal – oder irgendetwas anderes.« Die Heftigkeit des Gefühls erstaunte mich. Ich blieb kurz stehen und ermahnte mich, mich nicht wie ein Dummkopf zu benehmen; als ich schließlich weiterging, fragte ich mich, ob sich so nicht vielleicht ein Nervenzusammenbruch ankündigte. Kaum war mir dieser Gedanke durch den Kopf gegangen, als er auch schon zu einem weiteren Grund wurde, Ransom nicht zu besuchen. Offensichtlich war ich nicht in der Verfassung für solch heikle »Geschäfte«, wie ich sie aus seinem Telegramm herausgelesen hatte. Ich war nicht einmal im Stande, ein gewöhnliches Wochenende fern von zu Hause zu verbringen. Das einzig Vernünftige war, sofort umzukehren und heimzufahren, bevor ich mein Gedächtnis verlor oder hysterisch wurde, und mich in die Hände eines Arztes zu begeben. Es war heller Wahnsinn weiterzugehen.

      Das Heideland war jetzt zu Ende, und ich ging einen kleinen Hügel hinab; zu meiner Linken befand sich Gestrüpp, und zu meiner Rechten lagen einige anscheinend verlassene Fabrikgebäude. In der Talmulde hing stellenweise schon dichter Abendnebel. Zuerst sprechen sie von einem Zusammenbruch, dachte ich. Gab es nicht eine Geisteskrankheit, in der ganz gewöhnliche Gegenstände dem Patienten ungeheuer

      bedrohlich erschienen? Genau so, wie mir jetzt diese leer stehende Fabrik erschien? Große, wulstige Betongebilde, seltsame Schreckgespenster aus Ziegeln glotzten mich über verdorrte, struppige, mit grauen Pfützen durchsetzte und von schmalen Gleisen durchzogene Grasflächen hinweg drohend an. Ich fühlte mich an Wesen erinnert, die Ransom in jener anderen Welt gesehen hatte, nur waren es dort Leute gewesen. Lange, spindeldürre Riesen, die er Sorne nannte. Die Sache wurde noch schlimmer dadurch, dass er sie als gute Leute betrachtete – sehr viel angenehmer als unsere eigene Rasse. Er war mit ihnen im Bunde! Wie konnte ich wissen, ob er wirklich nur zum Narren gehalten wurde? Er mochte etwas Schlimmeres sein … Und wieder blieb ich stehen.

      Der Leser, der Ransom nicht kennt, wird nicht verstehen, wie sehr dieser Gedanke jeglicher Vernunft zuwiderlief. Der rationale Teil meines Verstandes wusste selbst in jenem Moment nur zu gut, dass, auch wenn das ganze Universum verrückt und feindselig wäre, Ransom vernünftig, gesund und aufrichtig war. Und dieser Teil meines Verstandes trieb mich schließlich weiter – doch ich ging mit einem Widerwillen und einer Mühe, die ich kaum in Worte fassen kann. Ich konnte nur weitergehen, weil ich (tief in meinem Innern) wusste, dass jeder Schritt mich dem Freund näher brachte; dennoch hatte ich das Gefühl, mich dem Feind zu nähern – dem Verräter und Hexenmeister, dem Mann, der mit ›ihnen‹ im Bunde war … Mit offenen Augen, wie ein Narr in die

      Falle zu rennen. Zuerst sprechen sie von einem Zusammenbruch, ging es mir durch den Kopf, und bringen dich in ein Sanatorium; später stecken sie dich dann in eine Irrenanstalt.

      Die verlassene Fabrik lag jetzt hinter mir, und ich ging unten im Nebel, wo es sehr kalt war. Dann kam der – erste – Augenblick nackten Entsetzens, und ich musste mir auf die Lippe beißen, um nicht laut aufzuschreien. Es war nur eine Katze über den Weg gelaufen, aber ich war völlig außer mir. Bald wirst du wirklich schreien, sagte mein innerer Peiniger. Du wirst schreiend im Kreis herumlaufen und nicht mehr damit aufhören können.

      Am Straßenrand stand ein kleines, unbewohntes Haus. Die meisten Fenster waren mit Brettern vernagelt, aber eines starrte blind


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