Perelandra. C. S. Lewis
Eldila die ›Niederen Welten‹ genannt werden. Die meisten Planeten waren natürlich nie bewohnt und werden es nie sein, jedenfalls nicht in unserem Sinne. Diese ursprüngliche Sprache ging auf unserer Welt, auf Thulkandra, im Verlauf der ganzen Tragödie verloren. Keine der jetzt bekannten menschlichen Sprachen hat sich aus ihr entwickelt.«
»Aber was ist mit den beiden anderen Sprachen auf dem Mars?«
»Ich muss gestehen, dass ich darüber nichts weiß. Eines jedoch weiß ich und könnte es wohl auch philologisch beweisen. Diese anderen Sprachen sind unvergleichlich jünger als Hressa-Hlab, vor allem Surnibur, die Sprache der Sorne. Ich glaube, es ließe sich zeigen, dass Surnibur eine für malakandrische Verhältnisse relativ neue Entwicklung ist. Wahrscheinlich ist es erst in einer Zeit entstanden, die etwa unserem Kambrium entspricht.«
»Und Sie glauben, auf der Venus wird Hressa-Hlab oder Alt-Solarisch gesprochen?«
»Ja. Ich kann also bereits die Sprache, wenn ich ankomme. Das macht vieles leichter, obwohl – als Philologe finde ich es eher enttäuschend.«
»Aber Sie haben keine Ahnung, was Sie tun sollen oder was für Verhältnisse Sie antreffen werden?«
»Nicht die geringste Ahnung. Wissen Sie, bei manchen Aufgaben darf man vorher nicht zu viel wissen … Vielleicht muss man Dinge sagen, die nicht richtig zur Wirkung kämen, wenn man sie vorbereitet hätte. Und was die Verhältnisse betrifft, nun, so weiß ich nicht viel. Es ist warm, und ich werde nackt sein. Unsere Astronomen wissen überhaupt nichts über die Oberfläche von Perelandra. Die äußere Schicht der Atmosphäre ist zu dick. Die Hauptfrage scheint zu sein, ob der Planet sich um seine eigene Achse dreht oder nicht, und wenn ja, mit welcher Geschwindigkeit. Es gibt zwei Theorien. Ein Mann namens Schiaparelli glaubt, der Planet brauche für eine Umdrehung um die eigene Achse dieselbe Zeit wie für eine Umkreisung Arbols – ich meine der Sonne. Die anderen glauben, er drehe sich in dreiundzwanzig Stunden einmal um sich selbst. Das ist eines der Dinge, die ich herausfinden werde.«
»Wenn Schiaparelli Recht hat, dann wäre es auf der einen Seite der Venus immer Tag und auf der anderen immer Nacht, nicht wahr?«
Er nickte nachdenklich. »Und es gäbe eine eigenartige Übergangszone«, sagte er nach kurzer Pause. »Stellen Sie sich das einmal vor. Man käme in ein Land immer währenden Zwielichts, und mit jeder Meile würde es kälter und dunkler. Und dann könnte man nicht weitergehen, weil es keine Luft mehr gäbe. Ich frage mich, ob man an der Grenze, gerade noch im Hellen, stehen und in die unzugängliche Nacht
hineinblicken könnte? Und vielleicht ein paar Sterne sehen – der einzige Ort, wo dies überhaupt möglich wäre, denn auf der Tagseite wären sie natürlich nie zu sehen … Wenn es dort eine technische Zivilisation gibt, dann haben sie vielleicht eine Art Tauchanzüge oder U-Boote auf Rädern, um auf die Nachtseite vorzudringen.«
Seine Augen blitzten, und selbst ich, der ich hauptsächlich daran gedacht hatte, wie ich ihn vermissen würde und wie wohl die Chancen stünden, ihn lebend wiederzusehen, erschauderte vor Staunen und Wissbegierde. Dann sprach er weiter.
»Sie haben mich noch nicht gefragt, welche Rolle Ihnen zufällt«, sagte er.
»Heißt das etwa, dass ich mitkommen soll?«, sagte ich und erschauderte wieder, diesmal jedoch aus den genau entgegengesetzten Gründen.
»Keineswegs. Sie sollen mich hineinpacken und zur Stelle sein, um mich bei der Rückkehr wieder auszupacken – wenn alles gut geht.«
»Einpacken? Ach so, ich hatte diese Sache mit dem Sarg vergessen. Ransom, wie um alles in der Welt wollen Sie in diesem Ding reisen? Wie wird es angetrieben? Wie steht es mit Luft – und Nahrung – und Wasser? Es bietet gerade genug Platz, dass Sie darin liegen können.«
»Der Oyarsa von Malakandra selbst wird die Antriebskraft sein. Er wird den Behälter einfach zur Venus bewegen. Fragen Sie mich nicht wie. Ich habe keine Ahnung, welche Organe oder Werkzeuge sie benutzen. Aber ein Geschöpf, das seit mehreren Milliarden Jahren einen Planeten in seiner Umlaufbahn hält, wird wohl im Stande sein, mit einer Kiste fertig zu werden!«
»Aber was werden Sie essen? Wie werden Sie atmen?«
»Er sagt, keines von beiden sei nötig. Soweit ich verstanden habe, werde ich mich in einem scheintoten Zustand befinden. Aber das ist seine Sache.«
»Und Sie sind damit einverstanden?«, fragte ich, denn wieder beschlich mich eine Art Grauen.
»Wenn Sie fragen, ob mein Verstand darauf vertraut, dass er mich (sofern kein Unfall passiert) wohlbehalten auf Perelandra absetzt, dann ist die Antwort ja«, sagte Ransom. »Wenn Sie fragen, ob meine Nerven und meine Fantasie ebenso darauf vertrauen, dann, fürchte ich, ist die Antwort nein. Man kann viel von Anästhesie halten und trotzdem in Panik geraten, wenn einem die Maske über das Gesicht gezogen wird. Mir ist zu Mute wie einem Mann, der an ein Leben nach dem Tod glaubt, zu Mute sein mag, wenn er einem Erschießungskommando vorgeführt wird. Vielleicht ist es eine gute Übung.«
»Und ich soll Sie in dieses verwünschte Ding packen?«, fragte ich.
»Ja«, sagte Ransom. »Das ist der erste Schritt. Sobald die Sonne aufgegangen ist, müssen wir damit hinaus in den Garten und es so aufstellen, dass keine Bäume oder Gebäude im Weg sind. Das Gemüsebeet ist wohl der richtige Platz. Dann lege ich mich hinein – mit einer Augenbinde, weil diese
Wände das Sonnenlicht außerhalb der Atmosphäre nicht hinreichend abhalten –, und Sie schrauben den Deckel darauf. Danach werden Sie wahrscheinlich sehen, wie das Ding davongleitet.«
»Und dann?«
»Nun, dann beginnt der schwierige Teil. Sie müssen sich bereithalten; sobald Sie verständigt werden, müssen Sie wieder herkommen, den Deckel abnehmen und mich herauslassen.«
»Wann werden Sie voraussichtlich zurückkommen?«
»Das kann niemand sagen. In sechs Monaten – einem
Jahr – zwanzig Jahren. Das ist das Problem. Ich fürchte, es ist eine ziemlich schwere Bürde, die ich Ihnen da auferlege.«
»Ich könnte in der Zwischenzeit sterben.«
»Ich weiß. Sie werden sich die Mühe machen müssen, einen Nachfolger auszuwählen, und zwar umgehend. Es gibt vier oder fünf Menschen, denen wir vertrauen können.«
»Wie wird man mich verständigen?«
»Oyarsa wird Ihnen ein Zeichen geben. Es wird unmissverständlich sein. Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Und noch etwas. Ich habe keinen besonderen Grund zu der Annahme, dass ich verletzt zurückkomme. Aber für alle Fälle – wenn Sie einen Arzt kennen, den wir in das Geheimnis einweihen könnten, wäre es vielleicht gut, ihn mitzubringen, wenn Sie kommen und mich herauslassen.«
»Käme Humphrey in Frage?«
»Genau der Richtige. Und nun zu den persönlichen Angelegenheiten. Ich konnte Sie in meinem Testament nicht berücksichtigen, und Sie sollen wissen, warum.«
»Lieber Ransom, ich habe bis jetzt noch nie an Ihr Testament gedacht.«
»Natürlich nicht. Aber ich würde Ihnen gerne etwas hinterlassen. Ich habe es aus folgendem Grund nicht getan. Ich werde verschwinden. Es ist möglich, dass ich nicht zurückkomme, und in dem Fall wäre ein Mordprozess durchaus denkbar. Wir können also gar nicht vorsichtig genug sein. Um Ihretwillen, meine ich. Und nun zu ein paar privaten Dingen.«
Wir steckten die Köpfe zusammen und redeten lange über Dinge, die man normalerweise mit Verwandten und nicht mit Freunden bespricht. Ich erfuhr sehr viel mehr über Ransom, als ich zuvor gewusst hatte, und die Anzahl merkwürdiger Menschen, die er ›für den Fall, dass ich etwas für sie tun könne‹, meiner Fürsorge empfahl, machte mir Ausmaß und Verschwiegenheit seiner Wohltätigkeit deutlich. Mit jedem Satz schienen die Schatten der bevorstehenden Trennung und eine Art Grabesstimmung drückender auf uns zu lasten. Plötzlich fielen mir alle möglichen liebenswerten kleinen Eigenheiten und Wendungen an Ransom auf, so wie sie uns bei einer geliebten Frau auffallen, bei einem Mann jedoch nur, wenn die letzten Stunden