Selma Merbaum - Ich habe keine Zeit gehabt zuende zu schreiben. Marion Tauschwitz
f7baf-b38d-5e95-a081-c10a01267e3c">
MARION TAUSCHWITZ
Selma Merbaum
Ich habe keine Zeit gehabt zuende zu schreiben
Biografie und Gedichte
Mit einem Vorwort von Iris Berben
© 2014 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe
Lektorat: Petra Seitzmayer · Mainz
Umschlaggestaltung: Stefan Hilden · München
Satz: thielen verlagsbuero · Hannover
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
ISBN 9783866743649
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet
diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
»Der Traum
lebt
mein Leben
zu Ende«
Rose Ausländer: Gib auf
INHALT
Inhaltsverzeichnis der Gedichte
ANHANG
VORWORT
Seit ich zu Beginn der Achtzigerjahre Selma Merbaums Gedichten begegnet bin, steht sie mit ihrer schreibenden Stimme, mit ihrem Schicksal dicht an meiner Schulter. Selten habe ich eine solche Wortklarheit und Menschenzärtlichkeit wahrnehmen können, mit der ein junges Mädchen seine erwachenden Gefühle umkreist, seine Sehnsucht nach einer Liebe, die zu leben ihr nicht vergönnt war.
Um den ungespielten Ton wirst du nun ewig bangen, bangen um das Glück, das dich nur leicht gestreift in den leisen Nächten.
Selma hatte die Auslese ihrer schönsten Verse ihrem Freund Leiser Fichmann »zum Andenken und zum Dank für viel unvergeßlich Schönes, in Liebe gewidmet« und zu einem kostbaren Poesie-Album gebunden. Die beiden jungen Menschen waren ein kleines Stück ihres kurzen Lebensweges in der politisch linken, zionistischen Jugendgruppe Hashomer Hazair gemeinsam gegangen. Den politischen Turbulenzen setzten beide ihre Träume entgegen: von einem besseren Leben in Frieden, Freiheit und Gleichheit.
Doch »mit kältester Kälte« hatte der »Meister aus Deutschland«, den Paul Celan, Czernowitz’ großer Sohn und Selmas Cousin, in seinem erschütternden Poem »Todesfuge« anklagt, alle diese Hoffnungen zunichte gemacht. Selma und mit ihr abertausende Czernowitzer Juden fielen dem Furor des deutschen Naziregimes zum Opfer.
Ich möchte leben.
Ich möchte lachen und Lasten heben
und möchte kämpfen und lieben und haßen
und möchte den Himmel mit Händen faßen,
und möchte frei sein und atmen und schrei’n.
Ich will nicht sterben. Nein:
Nein.
Um solche Lebenshoffnungen scherte sich antisemitischer Terror nicht. Rumänen, Sowjets und Deutsche hatten Selmas kurzes Leben am Ende zur Qual werden lassen und es ihr schließlich genommen. Gerade mal achtzehn Jahre alt war Selma, als sie am 16. Dezember 1942 entkräftet und ausgezehrt, vom Flecktyphus dahingerafft, ihr Leben im deutschen Zwangsarbeitslager Michailowka östlich des Bug lassen musste – die SS vollendete mit deutscher Gründlichkeit, was die rumänischen Verbündeten in die Wege geleitet hatten.
In ihren achtundfünfzig erhaltenen Gedichten entwickelte schon die junge Selma eine unaufdringliche Meisterschaft im Wort und lässt in