Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten Deutschlands. Wolfram Letzner

Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten Deutschlands - Wolfram Letzner


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vorstellen: Bevor der Tote verbrannt wurde – Brandbestattungen wurden vom Belegungsbeginn des Gräberfeldes bis zu seinem Ende im 2. Jh. v. Chr. vorgenommen – pflügte man im Acker ein schmales Beet. Darauf errichte man den Scheiterhaufen und verbrannte den Toten. Danach sammelte man die Knochenreste ein, füllte sie in Urnen und erhöhte das „Beet“ wallartig.

      Literatur

      E. Probst, Deutschland in der Bronzezeit (1999) 319. 478 Anm. 15.

      Im Schatten der großen Bagger fanden die Archäologen an der Abbaukante des Braunkohletagebaus von Schöningen Zeugnisse der Menschheitsgeschichte, die unsere Vorstellungen über das Leben der frühen Menschen in mancherlei Hinsicht berichtigen. Die hier gefundenen Speere, die als die ältesten erhaltenen Jagdwaffen der Menschen gelten, und der Fundplatz selbst belegen nicht nur den Erfindungsreichtum unserer Ahnen, sondern geben auch Auskunft über das Leben einer urgeschichtlichen Sippe vor rund 400.000 Jahren.

      [19] Schöningen – Ausgrabung unter Extrembedingungen

      Niedersachsen

      Tagebaue sind Fluch und Segen für die Archäologie, weil einerseits großflächig archäologische Denkmäler zerstört werden, andererseits aber Funde ans Tagelicht kommen, die sonst wahrscheinlich nie gefunden würden. Ein solcher Fall ist auch der Braunkohletagebau in Schöningen, Landkreis Helmstedt, in dem eine Reihe vor- und frühgeschichtlicher Fundstellen entdeckt wurde.

      Im Jahr 1992 stieß man tief unter dem heutigen Niveau (8–15 m) auf Schichten, die dem Paläolithikum, der Altsteinzeit, zugerechnet werden müssen.

      Eine Fundstelle aber erwies sich für die Forschung als überaus wichtig. Man konnte die Spuren eines Sees feststellen, in dessen Umfeld bis Ende des Jahres 1997 mehrere Tausend Einzelfunde gemacht wurden. Dabei handelte es sich um die Reste von Jagdbeute und Steinwerkzeugen. Herausragend aus der Fundmasse waren aber hölzerne Objekte: Schon 1994 fand man ein Wurfholz, für das man nach Aussagen der Ausgräber im entsprechenden Zeitraum keine Parallelen kennt. Wenig später, im Spätsommer 1995, kam der sensationelle Fund zutage. Dabei handelte es sich um sieben Speere aus Fichtenholz mit einer Länge von 1,82 m bis etwa 2,50 m. (Abb. 19) Dass es sich dabei keineswegs um primitive Waffen handelte, belegten die sorgfältige Zurichtung der Spitzen und wohlüberlegte Wahl des Schwerpunktes im vorderen Bereich, also einem idealen Punkt für einen Wurfspeer.

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      Wie alt aber sind diese Speere und von wem wurden sie angefertigt? Der erste Teil der Frage lässt sich natürlich nicht auf das Jahr genau beantworten, weil hier archäologische und naturwissenschaftliche Methoden an ihre Grenzen stoßen. Jedoch können wir den Funden aufgrund ihrer Lage und ergänzend dazu aus Vergleichsfunden bei den Steingeräten ein Alter von etwa 300.000 Jahren zuweisen. Damit sind die Speere von Schöningen die bislang ältesten erhaltenen Jagdwaffen der Menschheit. Aufgrund der Datierung können wir eine Antwort auf den zweiten Teil der Frage geben, wer die Speere angefertigt hat, weil wir uns auch hier in zeitlichen Dimensionen bewegen, die nicht viele Deutungsmöglichkeiten liefern. So können wir festhalten, dass diese Jagdwaffen vom homo erectus, dem aufrecht gehenden Menschen, einem Vorläufer des heutigen Menschen, gefertigt wurden.

      Neben der Tatsache, dass es sich hier um die ältesten Jagdwaffen des Menschen handelt, barg die Fundstelle aber noch weitaus wichtigere Informationen über das Leben unserer Vorfahren in der Altsteinzeit. Hatte man nämlich lange Zeit geglaubt, der homo erectus habe sich überwiegend von Aas ernährt, so widerlegt der Fundplatz Schöningen diese Theorie. Hier fanden sich nämlich Knochen von Jagdbeute, bei der es sich um Wildpferde handelte. Zwischen 15 und 20 Tiere wurden hier erlegt und verarbeitet.

      Darüber hinaus beleuchtet Schöningen auch das geistige Potential und das soziale Verhalten. Die Anfertigung von funktionierenden Waffen setzt Erfahrung und Planung voraus; der Jäger oder die Jägerin musste schon im Vorfeld einer Jagd die Waffe herstellen. Die Anzahl der getöteten Pferde deutet auf eine größere Gruppe von Jägern hin; daher muss der homo erectus in entsprechenden Gemeinschaften gelebt haben. Wie diese allerdings ausgesehen haben, lässt sich aus den Funden nicht erklären.

      Das Forschungs- und Erlebniszentrum „paläon“

      Die Speere aus Schöningen werden zurzeit noch im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover aufbewahrt und ausgestellt. Jedoch wird gegenwärtig ein interdisziplinäres Forschungs- und Erlebniszentrum in Schöningen selbst errichtet, das eine Gesamtschau zur eiszeitlichen Landschaft der Region geben soll. Die Eröffnung ist für das Frühjahr 2013 vorgesehen.

      Da noch keine weiteren Informationen vorliegen, sei auf den „Förderverein Schöninger Speere – Erbe der Menschheit e. V.“ verwiesen, der auch die genannte Website unterhält.

      Literatur

      S. Hansen, Archäologische Funde aus Deutschland (2010) 12 f. Abb. 13; H. Thieme (Hrsg.), Die Schöninger Speere. Mensch und Jagd vor 400.000 Jahren (2008).

      Paläon – Forschungs- und Erlebniszentrum, Paläon 1, 38364 Schöningen, www.palaeon.de, www.erbederMenschheit.de

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