Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten Deutschlands. Wolfram Letzner

Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten Deutschlands - Wolfram Letzner


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sich Landschaft und Kult gleichermaßen veränderten. Heute vermittelt ein Freiluftmuseum einen Eindruck von der Geschichte des Platzes.

      [12] Oberdorla – Archäologisches Freilichtmuseum Opfermoor Vogtei

      Thüringen

      Die ältesten Spuren des Heiligtums stammen aus dem 6. Jh. v. Chr. Am Südrand einer großen Erdsenke, die man geologisch auch als Erdfall bezeichnet, konnten mehrere Komplexe freigelegt werden. So fand man einen rechteckigen Feueraltar, der aus Muschelkalk bestand und an einer Seite von einem halbrunden Stein-Erde-Wall eingefasst war. Bei den Ausgrabungen konnten noch Spuren von Speiseopfern und Kultmahlzeiten beobachtet werden, die von den Archäologen mit Festlichkeiten im Frühjahr, daher wohl in Verbindung mit einer Vegetationsgottheit, in Zusammenhang gebracht wurden.

      Neben diesem Altar entstand ein Rundheiligtum mit einer Umwallung. In der Mitte der Anlage fand sich eine Steinstele, die von den Ausgräbern als Symbol und Sitz der hier verehrten Gottheit verstanden wurde. Wie auch an dem schon genannten Altar wurde hier geopfert; bevorzugte Opfertiere scheinen wohl Ziegen gewesen zu sein.

      Ergänzt wurde der gesamte Bereich – Altar und Rundheiligtum – in dieser Zeit durch kleinere Opferstätten mit ovalem Grundriss, der durch Steinlagen oder Ruten gekennzeichnet war.

      Landschaftliche Veränderungen stellten sich in der mittleren und späten Latènezeit ein. In der Senke war nach und nach ein kleiner See entstanden, der zum Mittelpunkt der kultischen Handlungen wurde. Aufgrund der Umweltbedingungen blieben die hölzernen Reste der Heiligtümer erhalten und erlaubten eine Rekonstruktion. (Abb. 12)

Abb.%2014_Oberdorla_Opfermoor.tif

      Weil die Bevölkerung zu dieser Zeit unter dem Einfluss der keltischen Kultur stand, orientieren sich auch Kulte und Bauwerke an diesen Vorbildern. Die Ausgräber stellten einen Bezug zu apsisförmigen Anlagen her, die u. a. in einem Trierer Tempelbezirk nachgewiesen wurden. Im Inneren standen kleine Altäre, deren Erdmaterial durch Flechtwerk abgestützt wurde. Hier waren dann auch einfache Idole aufgestellt.

      Gegen Ende des 1. Jhs. v. Chr. veränderten sich die Bevölkerungsstrukturen. Die germanischen Hermunduren drangen in das Thüringische ein und passten den Sakralbezirk von Oberdorla ihren Vorstellungen an. Dazu errichteten sie am Seeufer ein großes Rundheiligtum, in dem sich kleinere Bezirke fanden. Hier waren Kultpfähle und ein Astgabelidol aufgestellt.

      Wie schon bei den älteren Heiligtümern gab es in der Mitte der Anlage einen Altar, der aus Holz bestand. Auch hier konnten Tieropfer nachgewiesen werden.

      An der Westgrenze des Heiligtums jedoch kamen „unschöne Aspekte“ der germanischen Kulthandlungen ans Tageslicht. Teile menschlicher Schädel zeigten, dass hier Menschen geopfert wurden. Aber nicht nur hier gab es Zeugnisse von Menschenopfern: Im Norden des Sakralbezirks fand man nämlich zwei Opferstätten, anhand derer ein weiteres Schädelopfer nachgewiesen wurde. Diese Menschenopfer lassen sich gut mit der schriftlichen Überlieferung bei Tacitus (ann. 13, 57, 1–2) verbinden. Er schrieb nämlich: „Im gleichen Sommer (58 n. Chr.) kam es zu einer großen Schlacht, als sie sich einen für die Salzgewinnung ergiebigen Grenzfluss gewaltsam anzueignen versuchten. [. . .] Aber der Krieg ging für die Hermunduren günstig, für die Chatten umso verhängnisvoller aus, weil beide für den Fall des Sieges das gegnerische Heer dem Ziu und Wotan geweiht hatten, nach dem Pferd und Mann, kurz alles der Vernichtung anheimfällt.“

      Im 3. Jh. n. Chr. entstand ein isoliertes Heiligtum, dessen Kultbild auf eine germanische Adaption der Diana, der römischen Göttin der Jagd, hinweisen soll. Neben Opfern von Wildtieren fand man die Knochen von Haustieren, unter denen auch Skelettreste von römischen Ochsen gefunden wurden. Diese darf man als deutliches Zeugnis der engen Verbindungen der Hermunduren zum Römischen Reich sehen.

      Abgesehen von den Opfern bot das Heiligtum noch eine weitere Besonderheit. Man entdeckte nämlich den Sarg eines etwa 15-jährigen Mädchens, das kurzerhand als Priesterin gedeutet und somit das Grab zu einem „Heiligen Grab“ erhoben wurde. Im 4. Jh. n. Chr. wurde das Grab zerstört. Ein gesellschaftlicher Umbruch könnte die Ursache dafür gewesen sein.

      Trotz dieser Veränderungen blieb dem Ort der Sakralcharakter erhalten. Im 5. Jh. n. Chr. entstanden hier zwei Schiffsheiligtümer, die einer männlichen und einer weiblichen Gottheit zugeordnet werden konnten.

      Die Bedeutung als Opferplatz konnte sich bis in das Hohe Mittelalter, also bis in das 11. Jh. hinein erhalten. Allen Bemühungen der Christianisierung zum Trotz opferte die Bevölkerung im ehemaligen See – inzwischen war er zum Moor geworden – Gefäße und Hunde. Altbewährtes gab man eben nicht auf!

      Opfermoor-Museum

      Die archäologischen Funde aus dem Opfermoor sind auf drei Museen verteilt. In Niederdorla werden Objekte aus den Grabungen im Opfermoor-Museum aufbewahrt, das am Nordrand von Niederdorla liegt. Ein weiterer Teil der Funde ist im Museum am Lindenbühl, dem Kreisheimatmuseum, ausgestellt, während der letzte Teil des Fundgutes im Museum für Ur- und Frühgeschichte in Weimar liegt.

      In dem großen Freigelände des Museums werden wichtige Teile der Kultstätte, die oben erwähnt wurden, in Rekonstruktionen vorgestellt. Sie vermitteln überaus anschaulich den Charakter einer Opferstätte.

      Zweckverband „Mittelpunkt Deutschlands“, Schleifweg 11, 99986 Niederdorla, Tel. 03601-756040

      Literatur

      Thüringisches Landesamt für Archäologische Denkmalpflege (Hrsg.), Heiligtümer der Germanen und ihrer Vorgänger in Thüringen – die Kultstätte Oberdorla: Forschungen zum alteuropäischen Religions- und Kultwesen (2003); G. Behm-Blancke, Heiligtümer, Kultplätze und Religion, in: J. Herrmann (Hrsg.), Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik. Denkmale und Funde (1989) 174–176.

      „Ihre Dörfer legten sie nicht in unserer Art so an, dass die Häuser eng nebeneinander stehen und eine Straße bilden: jeder umgibt seinen Hof mit einem freien Raum [. . .] Nicht einmal Bruch- oder Backsteine sind bei ihnen in Gebrauch; sie verwenden zu allem [. . .] roh behauenes Bauholz. Manche Stellen <an den Außenfronten ihrer Häuser> überstreichen sie freilich mit einer gewissen Sorgfalt mit einer so weißglänzenden Erdmasse, dass sie den Eindruck von Bemalung erweckt. Sie sind auch gewohnt, unterirdische Höhlen auszuheben, über die sie eine starke Dungschicht legen; das ist dann eine Zufluchtsstätte für den Winter und ein Getreidespeicher; [. . .]. (Tacitus, Germania 16)

      [13] Westgreußen – Die „Funkenburg“ eine germanische Siedlung

      Thüringen

      Wer heute die „Funkenburg“ in Westgreußen besucht, wird in mancherlei Hinsicht die Ausführungen des römischen Geschichtsschreibers P. Cornelius Tacitus (ca. 55 – ca. 117/120 n. Chr.) nachvollziehen können, weil er noch heute Dinge sehen kann, die der römische Gelehrte bereits erwähnte. Aber an anderer Stelle wird er auch überrascht sein von der Größe der Anlage, die so gar nicht mit den Vorstellungen des Tacitus in Einklang zu bringen ist.

      Als vor mehr als 40 Jahren der damalige Bodendenkmalpfleger U. Müller auf einem Bergsporn unweit von Westgreußen immer wieder Begehungen durchführte, konnte er nicht ahnen, was daraus entstehen sollte. Seine Lesefunde, die er an das Museum in Weimar weiterleitete, veranlassten das dortige Museum, auf dem Bergsporn Ausgrabungen durchzuführen. Daraus entwickelte sich eine Großgrabung, die von 1974 bis 1980 dauern sollte. Erstaunliches kam dabei ans Tageslicht: Man konnte nämlich ein komplette germanische Siedlung ausgraben, die vom 3. bis zum Ende des 1. Jhs. v. Chr. bewohnt war und dann ganz offensichtlich verlassen wurde, wie die vielen Funde belegen konnten.

      Insgesamt wurden während der Grabung 40.000 m² – das entspricht der Fläche von etwa fünf Fußballfeldern – untersucht. Dabei kamen zwei


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