Coaching. Sonja Becker

Coaching - Sonja Becker


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Kettenreaktion von Information und Energie. Denn Menschen sind keine Mitarbeiter, sondern Innovatoren. Sobald sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sind, werden sie ihr Unternehmen nach oben bringen, und auch für ihre Chefs nicht länger träge Kostenfaktoren darstellen. Ein enthusiastisches Team trainiert sogar den Coach und sich selbst dazu. Dadurch bringt Coaching ungeahnte Power in ein Unternehmen.

      Das Coaching-System wird sich in der ganzen Welt durchsetzen. Dies geschieht 1:1, person-to-person, durch Menschen, die anderen Menschen wiederum zu ihren Zielen verhelfen. Man wird zusammen seine Werte entwickeln, und nach diesen Regeln spielen. Je besser diese „core values“ gestaltet sind, desto langfristiger wird der Erfolg des Unternehmens sein – wie man es zum Beispiel bei der Marriott-Kette verfolgen kann, deren Regeln so fundamental sind, dass sie sich über Generationen hinweg nicht verändert haben.

      In den nächsten zwanzig Jahren werden immer mehr Leute Coache werden – sogar, wenn sie älter werden. Zum einen können sich die Unternehmen nicht mehr die Pension leisten, zum anderen wird ihre Erfahrung immer wichtiger. Sie können anderen direkt die Spielregeln vermitteln, bevor diese sich eine Beule am Kopf holen. Viele Unternehmen in Amerika holen inzwischen die „Alten“ für 12 Stunden die Woche als Coach zurück, um von ihrer Erfahrung zu profitieren und zu verstehen, mit welchen Regeln und „core values“ das Unternehmen so viel Erfolg hat. So wie Clive Davis, den vermeintlich ausgedienten „Mann mit dem goldenen Ohr“, Entdecker von Janis Joplin, Jimi Hendrix, Santana und Alicia Keys. Er wurde von seinem Arbeitgeber BMG Group gefeuert, machte allein weiter, entdeckte Alicia Keys, und hatte dann mehr Erfolg als bei Bertelsmann. Der Konzern kaufte ihn zurück. Sein Wert: Es gibt so viel schlechte Musik, da muss man einfach nur gute Musik produzieren. Klingt einfach, aber es steckt mehr dahinter.

      Jedes menschliche Wesen ist oft genug in der Lage, zu coachen. Wer eine Familie hat, coacht seine Kinder. Wer Ahnung von irgendwas hat, coacht automatisch andere Leute. Jeder kann anderen Leuten Dinge zeigen, die in ihrem Gesicht stehen: Nur weil sie keinen Spiegel haben, entdecken sie sie nicht. Zum Beispiel, wo ihre Ziele liegen. Da werden sie neugierig. Um besser zu verstehen, worum es beim Coaching geht, hier noch ein kurzer Rückblick.

      3. EINE KURZE, PAUSCHALE GESCHICHTE DES COACHING

      3. EINE KURZE, PAUSCHALE GESCHICHTE DES COACHING

      „Ihr seid alle Götter und Söhne des Höchsten.“

      Gott

       (im Interview mit Pico della Mirandola, 1494)

      Die Theorie: Selbstorganisierende Systeme

      DIE THEORIE: SELBSTORGANISIERENDE SYSTEME

      Coaching bedeutet, einen Menschen oder ein soziales System zu organisieren, bis er oder es sich selbst organisiert. Leute, die mit Teams Ziele definieren und ein Spiel eröffnen, um diese Ziele zu erreichen, sind Coache. Die Triebfeder dafür ist Neugier. Der Beweis, dass diese Art Spiele kein Zeitvertreib, sondern sinn- und erfolgsgebundene Handlungen sind, zeigt die Weltgeschichte, die voll von Coaches ist. Hier nur ein paar davon, die uns gut in den Kram passen.

      Am Anfang von allem steht natürlich der Coach aller Coache: Gott, oder wie man ihn nennen mag. Er schuf ein im Universum einzigartiges selbstorganisierendes System voller Energie: Den Planeten Erde. Eine Meisterleistung. Welches in den Galaxien schwebende Stück Geröll kann schon von sich behaupten, sich ständig um die eigene Achse zu drehen und durch eine Atmosphäre für jede Menge Abwechslung (Tag und Nacht, Wasser, Erde, Feuer, Wind und Wetter, Jahreszeiten) und vor allem für das selbstorganisierende System „Leben“ zu sorgen?

      Gott war neugierig. Er wollte wissen, wie es mit diesem selbstorganisierenden System weitergeht. Eine ganz besondere Lebensart hat Gott dann kurz vor dem wohlverdienten Wochenende als Sahnehäubchen auf seine Schöpfung gesetzt. Damit es jemanden gibt, der das Ganze auch versteht und ihm auch mal dankbar ist für das, was er geschaffen hat, schuf Gott den Menschen. Präzise gesagt: Mann und Frau, und als selbstorganisierendes Energiesystem den Sex. Chapeau. Durch Reproduktion konnten sich Generationen um Generationen mit der Frage beschäftigen, warum sie auf dieser Erde wandeln und handeln, und wie das Ganze zusammenhängt. Anfangs hatten sie noch ein bisschen Angst, zum Beispiel vor höherer Gewalt. Aber dafür gab es rasch Götter und Mythen, denen Opfer dargebracht wurden, damit sich Gewitter, Sonnenfinsternisse und Lava schnell wieder verziehen. Inzwischen hat man diese Dinge relativ gut im Griff.

      Dass die Natur, oder sagen wir die ganze Welt ein selbstorganisierendes System von selbst organisierenden Systemen darstellt, darauf kam man lange nicht, weil die Institutionen für solche Mythen, wie die Kirche, entschieden etwas gegen solche Vermutungen gehabt hätte. Mein Gott, kann man da nur sagen, der Allmächtige ist doch durchaus ein Mann, mit dem man reden kann. Aber die Kirche hatte mehr Interesse daran, dass die Menschlein Angst hatten – damit konnte man seine Macht behalten und durch Ablass und Absolution verdammt viel Geld verdienen. Durch Denker wie Descartes (Slogan: „Ich denke, also bin ich!“), aber auch Wissenschaftler wie Kepler, Galileo, Newton und andere kluge Köpfe kamen allerdings ganze Weltbilder ins Schwanken. Ab 1600 etwa drehte sich zum Beispiel nicht mehr die Sonne um die Erde, sondern die Erde um die Sonne. Als die Wissenschaften wie Astrologie und Mechanik sich immer häufiger mit ihren neuen Weltbildern aufdrängten, oder sich jemand wie Martin Luther mit seinen Thesen den Einzelmenschen in den Vordergrund rückte, wurden sie schnell Märtyrer oder Popstars, und der Klerus musste eine Bastion nach der anderen hergeben. Die Wahrheit setzt sich eben immer durch.

      Zugegeben, es hat die Menschheit ein paar Jahre gekostet, bis man auf die wesentlichen Dinge gekommen ist, die zu ihrem Verständnis der Welt beitragen. Und sie ist noch lange nicht am Ziel. Aber Gott ist zuversichtlich, dass jeder Vertreter dieser Spezies es bis nach ganz oben schaffen kann. Um 1500 gab er dem Renaissance-Philosophen Giovanni Pico della Mirandola ein Interview, in dem er die Stellung des Menschen im Kosmos zurechtrückte, nachdem dies in der Bibel offenbar nicht klar herüberkam. Was Gott als Coach besonders auszeichnet – und ihn so sympathisch macht – ist die Tatsache, dass er sein Ziel als erreicht betrachtet, wenn er sich selbst überflüssig gemacht hat: „Du sollst Dich ohne jede Einschränkung und Enge, nach Deinem Ermessen, dem ich Dich anvertraut habe, selber bestimmen. Ich habe Dich in die Mitte der Welt gestellt, damit Du Dich von dort aus bequemer umsehen kannst, was es auf der Welt gibt. Weder haben wir Dich himmlisch noch irdisch geschaffen, damit Du wie Dein eigener, schöpferischer Bildhauer Dich selbst zur Gestalt ausformst, die Du bevorzugst. Du kannst zum Niedrigen, zum Tierischen entarten; Du kannst aber auch zu Höherem, zum Göttlichen wiedergeboren werden, wenn Deine Seele es beschließt.“

      Nichts Schlimmeres konnte den Mächtigen aus Rom passieren, als dass die Menschen sich ihrer selbst bewusst werden – oder sogar selbst Karriere bis hin zur Gottwerdung machen können. Aber der Lauf der Geschichte war nicht mehr aufzuhalten – obwohl erst die Aufklärer Englands und Deutschlands den Fundus der Renaissance wieder entdeckten. Ihre stärkste Waffe: Die Freiheit. „Der Mensch wird frei geboren, aber überall liegt er in Ketten“, stellte Jean-Jacques Rousseau fest. Das fand Immanuel Kant in Königsberg so gut, dass er als einzige Dekoration in seinem bescheiden eingerichteten Haus ein Poster von dem französischen Philosophen aufhing. Der andere Coach von Kant war der schottische Denker David Hume. Er war der Meinung, dass man die Moral der Kirche gar nicht braucht, weil sie sich durch die öffentliche Meinung sowieso selbst organisiert: Alles, was ich tue, wird von meinen Mitmenschen gegengecheckt und eventuell korrigiert. Er begründete die deskriptive, die beschreibende Ethik, im Gegensatz zur präskriptiven wie jener der Kirche, die vorschrieb, was zu tun und was zu lassen ist.

      Hume war wirklich ein sympathischer Mensch. Kein Wunder: Er hat die Sympathie erfunden. Es ist bei ihm die Fähigkeit, sich selbst an die Stelle anderer zu versetzen. Eine Grundvoraussetzung für Coaching. Durch diese und andere Ideen Humes wurden Kant und seine Neugier wach. Er gab zu, dass Hume ihn „aus meinem dogmatischen Schlummer weckte“. Kants Wake-Up-Call hatte sehr produktive Folgen. Er ging das Projekt Freiheit an. Aufklärung ist in seinen Augen „der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“. Das klappt. Man muss sich nur trauen. Schon ist man frei, selbst zu denken, statt ein unmündiges, also abhängiges Naturwesen zu sein. Der Rest regelt sich von selbst. Die Aufklärer hatten übrigens


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