Christina von Schweden: Ich fürchte mich nicht. Charlotte Ueckert

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      edition ♦ karo – BIOGRAFIE Nr. 4

      Charlotte Ueckert

       Christina von Schweden: Ich fürchte mich nicht!

      Leben und Lieben einer Unbeugsamen

      literaturverlag josefine rosalski, berlin 2016

      INHALT

       Cover

       Titel

       Christina von Schweden: Europatour mit Königin von Stockholm nach Rom

       Christinas Schwedenzeit

       Rastlos Reisende über Hamburg, Antwerpen bis Brüssel

       Eigensinnig Glaubende

       Wunschziel Italien

       Schönheit, Gunst und Außenwirkung

       Briefeschreiberin aus Leidenschaft

       Rom zum Ersten

       Kunstgenießerin und -kennerin

       Ein Monster in Fontainebleau?

       Unglücklich Liebende in Hamburg

       Rom zum Letzten

       Mystische Annäherungen, Alter und Tod

       Literaturliste

       Wichtige Daten aus Christinas Leben

       Bildnachweis

       Impressum

      EUROPATOUR

      MIT KÖNIGIN VON STOCKHOLM BIS ROM

      Noch ein Christina-Bild der Königin und berühmtesten Konvertitin vom Protestantismus zum Katholizismus? Unmöglich, den vielfältigen Biografien dieser widersprüchlichen barocken Persönlichkeit etwas Neues hinzuzufügen. Sicher, Meinungen, Interpretationen, Urteile sind möglich. Nicht gerade die Domäne von Historikern, die Fakten sichten und aufschreiben. Diesen danke ich für eine Fülle von Material und Informationen. Für mich steht jedoch die essayistische Arbeit im Vordergrund. Ein Essay erlaubt, Fakten mit Vermutungen zu verbinden. Zu erzählen, zu interpretieren.

      Die Biografien zeigen zwei Bilder, die kaum miteinander zu vereinen sind. Auf der einen Seite eine intelligente, sprachbegabte, an Geistesgeschichte und Kultur interessierte Förderin von Kunst und Wissenschaft, auf der anderen aber eine machtbesessene Egoistin, nur auf die eigenen Interessen und Wirkungen bedacht. Nicht leicht, sich zwischen Bewunderung und Abscheu zu entscheiden.

      Wie und wo lernen wir die Königin am besten kennen?

      Sicher nicht durch ihre offiziellen politischen Verlautbarungen. Auf keinen Fall durch das, was in Pamphleten über sie berichtet wird. Ebenfalls nicht durch ihre eigenen schriftstellerischen Werke, aus ihrer Autobiografie, den kurzen Schriften über Alexander und Caesar oder ihrer Mitwirkung an Liebeskomödien. Vielleicht durch ihre Aphorismen (auch als Sentenzen oder Maximen veröffentlicht) und ganz sicher durch ihre überlieferten Briefe aus Hamburg an den Kardinal Decio Azzolino, die wenigen 50 von vermutlich mehr als Tausenden, die fast täglich zwischen ihnen hin- und hergewechselt wurden. Diese 50 wurden dechiffriert und archiviert, in ihnen ahnen wir etwas von Christinas Persönlichkeit. Dort, wo sie unverstellt ihre Gefühle äußert, können wir mitfühlen.

      Das Charakterbild, das der Historiker Leopold von Ranke in seinem epochalen Geschichtswerk über die Päpste entwirft, das von 1834 bis 1836 das erste Mal erschien und dem die meisten Biografen zustimmen, ist eindeutig und treffend, obwohl ihm viele Einzelheiten damals nicht bekannt waren.

      Er geht vor allem von Christinas Weigerung aus, sich jemals zu verheiraten, ungewöhnlich für eine Königin zur damaligen Zeit. Bisher kannte man das nur von der englischen Königin Elisabeth I. Was ist mit einem weiblichen Wesen geschehen, das schon als junges Mädchen öffentlich verkündete, sie wolle »keines Mannes Ackerfurche« sein?

      Über diesen Geisteszustand schreibt Ranke: »Er hat etwas Gespanntes, Angestrengtes, es fehlt ihm das Gleichgewicht der Gesundheit, die Ruhe eines natürlichen und in sich befriedigten Daseins. Es ist nicht Neigung zu den Geschäften, dass sie sich so eifrig hineinwirft: Ehrgeiz und fürstliches Selbstgefühl treiben sie dazu an …«

      In ihren Briefen an den Kardinal Decio Azzolino aus den Jahren 1666 und 1667 fehlt jeder Hinweis auf ein »befriedigtes Dasein«, sie enthalten außer politischen Erwägungen große Klagen über unerfüllte Wünsche. Darauf komme ich zurück.

      Eine Würdigung ihrer Persönlichkeit, eine große Bewunderung spricht aus dem Buch von Oskar von Wertheimer, in den 1930er-Jahren erschienen. Der Autor wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Er operiert in seinem Buch mit dem Genie-Begriff. Selbst die widersprüchlichsten Vorkommnisse in Christinas Leben werden verständnisvoll kommentiert, eine rundum positive Sicht einer außergewöhnlichen Frau. Wertheimer lobt die anerkannte historische Arbeit des schwedischen Baron Carl Nils Daniel de Bildt, der 1931 in Rom starb, wo er lange für den schwedischen Staat gearbeitet hatte, und auf dem Friedhof der Nichtkatholiken begraben liegt. De Bildts Urteil, Christina sei eine »neuropathische Egoistin« gewesen, die aus ihrer Unruhe heraus nicht fähig war, abzuschalten, deutet Wertheimer als Kennzeichen eines immer empfänglichen Genies. Er ist überzeugt: »Sie musste für ihr Geschlecht büßen.«

      Auch der kenntnisreiche Roman von Sigrid Grabner ist parteiisch aus der Sicht einer fiktiven, die Königin liebenden Gestalt geschrieben. Ausgewogen sind die Schilderungen von Jörg-Peter Findeisen, sehr genau und verständlich die Christina von Georgina Masson aus den 1960er-Jahren. Dieses Buch schildert die Königin realistisch in ihren oft merkwürdigen Eigenheiten, aber mit Sympathie. Doch jeder, der das ausführliche und blendend formulierte Buch der neuseeländischen, in Paris lebenden Historikerin Veronica Buckley gelesen hat, wird sich fragen, warum ein Leser sich überhaupt dieser Figur annähern soll. Was an negativen Urteilen vor allem von Zeitgenossen über sie gefällt wurde, ist dort nachzulesen. Eine sehr ausführliche Lebensbeschreibung, recherchiert in den historisch zugänglichen Quellen, mit umfangreichem Bildmaterial, psychologisch überzeugend interpretiert.

      Nur eines kann Buckley ihren Lesern nicht deutlich machen: warum sie sich überhaupt mit dieser widersprüchlichen Person beschäftigen sollen, deren Vorhaben alle scheiterten, deren Erbe in alle Winde zerstreut wurde und die, was ihre Wirkung für die Zukunft betraf, kaum mehr als eine amüsante Fußnote der Geschichte


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