100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1. Erhard Heckmann
hießt, bietet auch den Zugang zum Tweedsmuir Provincial Park, in dessen einsamer Wildnis der Naturmensch alles findet was sein Herz begehrt. Blühende Bergwiesen, weite Täler, Wasserfälle, glasklare Seen und Flüsse, Gletscher, die bunten Regenbogen-Berge und dichte Naturwälder. Es ist eine Wunschgegend ohne jeden Weg, um mit Rucksack, Kanu, Pferd oder Wasserflugzeug in ihr unterwegs zu sein. Auch anschließend locken im westlichen Teil des Chilctins noch mehrere Schotterstraßen und Lodges in eine fantastische Seen- und Bergwelt, während im Osten Ranches, Salbeibüsche, Grasland und halbwüstenartige Landschaften dominieren. Aber dazu kommen wir später.
Zurück zu unserer „Queen“, mit der wir am nächsten Morgen gegen 9 Uhr im Hafen von Port Hardy einlaufen, wo sich der Himmel noch immer verhangen präsentiert und auch die 797 Kanadischen Dollars (340 für uns, der Rest fürs Wohnmobil) endgültig „abgefahren“ sind. Und weil Port Hardy für uns kein Neuland ist, geht es unter dem grauen Himmel auch gleich weiter nach Telegraph Cove, wo in der Queen Charlotte Strait ganzjährig Schwertwale zu Hause sind und wir um 12 Uhr bei „Stubbs“ eine Tour reserviert haben. Als wir dort einbiegen kämpft sich auch die Sonne wieder durch die Wolken und taucht das pittoreske Örtchen in gespenstiges Licht. Eine Handvoll kleine Häuser, und die meisten von ihnen ruhen auf Stelzen und lehnen sich an der linken Seite des kleinen Hafens an den Hang und seinen hölzernen Boardwalk an. Der winzige Parkplatz befindet sich gleich am Ortseingang, denn anderswo gibt es „bei Wasser und Holzstegen“ keine Möglichkeit. Und die zweistündige Tour, für die pro Person 100 Dollar fällig wurden? Man hätte sie sich auch schenken können, vor allem bei diesem grauen Schauerwetter mit peitschendem Wind. Wer noch nie Wale gesehen hat, der wird hier immer fündig, denn diese Schwertwale, oder Orcas, leben hier in kleinen Familienverbänden oder treten in Schulen auf. Im Gegensatz zu den lustigen Buckelwalen springen sie selten, und von ihrem wunderschönen schwarzweißen Körper war bei der aufgewühlten See auch nicht mehr zu sehnen als das markante Dreieck der Spitzen Rückenflosse. Für Buckelwale war die Zeit nicht ganz passend, und die zwei oder drei „Pinks“, als auch einige Seelöwen und Weißkopfseeadler konnten dann auch nicht mehr viel retten. Vielleicht hatten wir auf dieser Fahrt auch ganz einfach kein Glück, denn ein paar Tage später war es in Tofino ähnlich, obwohl die Jahreszeit für die Westküste nicht die schlechteste war. Dennoch: Es gibt andere Orte, an denen man die Meeressäuger wirklich „erlebt“. Und dann heißt das Zauberwort dafür auch „Zodiak“, nicht Fischerkahn, um mit ihnen fast auf gleicher Höhe zu sein. Aber was soll‘s. Das Wetter muss man nehmen wie es ist, und die Wale sind eben auch nicht immer dort, wo man sie gerne hätte. Dafür entschädigen am Abend schönes Wetter und der empfehlenswerte Campingplatz „Fisherboy Park“ in Sayward. Die Anlage, die auch über Motel und Hütten verfügt, ist adrett wie die alten Bäume und der umliegende Wald schön. Eine nette Zugabe sind die durch Kettensägen entstandenen und den gepflegten Rasen dekorierenden Holzplastiken, die auf dieser Insel zu den größten privaten Sammlungen ihrer Art zählen. Wir werden ihnen und dem nahen Salmon River auf einem kleinen Spaziergang auch noch etwas Zeit widmen, doch jetzt haben Grill, Stakes und Gemüse Vorrang, und das heißt Holz hacken und Feuer machen!
Der nächste Morgen ist noch sehr jung, frisch und schön und auf dem Asphalt der „19“ rollt unser Fahrzeug Richtung Campbell River recht flott nach Süden. Das Tagesziel Tofino ist 400 Kilometer entfernt, und zu beiden Seiten der Straße derzeit nur Wald. Also hier Zeit „einfahren“, um sie unterwegs an schönen Orten wieder zusätzlich zur Hand zu haben.
Auf der Höhe von Campbell River, wo die „28“ zum Strathcona Provincial Park abzweigt und über Gold River weiter nach Thasis führt und damit die Verbindung zum Pazifik herstellt, bot sich uns erstmals der neue „Inland Island Highway“ an der, weil höher gelegen, alpine Blicke und auch solche auf die Strait of Georgia erlaubt. Etwa acht Kilometer weiter westlich verlaufend zieht er parallel zur alten Küstenstraße nach Nanaimo, wo er auf den Trans-Canada trifft. Von der alten „Ocean Road“, die weiterhin die Küstenorte verbindet, erhielt er die Nummer 19, während ihr selbst in diesem Bereich ein zusätzliches „A“ angefügt wurde. Bei Comox fahren wir auf diese alte Küstenstraße auch nochmals kurz zurück, um die dortige „Marsh and Wildlife Viewing Area“, die gleichzeitig auch den Comox Gletscher und das Mt. Washington Alpin Ski Resort in den Blick rückt, als Frühstücksplatz zu nutzen und uns ein wenig umzusehen. Die Marsch ist zwar schön, aber viel Lebendiges war zu dieser Zeit nicht zu entdecken.
Von den nächsten beiden Stopps – zu Beginn der nach Tofino führenden Nr.4 – ist der im Little Quallicum Falls Provincial Park ein sehr kurzer, denn die Schlucht mit ihren zwei unspektakulären, aber sehr schönen Wasserfällen ist zwar ein hübsches Fleckchen Erde, aber wir möchten im 157 Hektar großen McMillian Provincial Park eine längere Pause einlegen, wo „Cathedral Cove“ einen Einblick in die Westküsten-Regenwälder bietet und schöne Wanderwege zu gewaltigen Helmlock-Tannen und Douglasien führen und eine Vorstellung davon vermitteln, wie die Urwälder hier einst aussahen. Auf der linken Straßenseite locken 800 Jahre alte Zedern, die das Feuer vor 300 Jahren überlebten. Heute präsentieren sich diese Giganten mit 85 Meter Höhe und Umfängen bis zu 12 Meter. Es sind Riesen und Zeitzeugen, die Respekt einflößen und uns kleinen Menschenseelen in der Stille dieses wunderschönen Waldes sogar das Gefühl geben, von ihnen beschützt zu sein.
Fünfzehn Kilometer weiter zu Port Alberni im Alberni-Tal beginnt die Pacific Rim Region. Der Ort selbst ist eine Stadt der Sägewerke, ziemlich langgezogen und durch das Alberni Inlet, dem längsten Fjord auf Vancouver Island, mit dem Ozean verbunden. Der geschäftige Hafen ist jedoch nicht nur Ausgangspunkt zu einigen der besten Fischgründe dieser Welt, sondern lockt auch Touristen auf einen Frachter, der die kleinen Orte in der langen Bucht und dem Barkley Sound ansteuert. Nicht gerade komfortabel, aber bei gutem Wetter eine sehr interessante Tagestour. Früher lebte die fast 20.000 Einwohner fassende Stadt mit Tiefseehafen, Casino, Airport, Shopping Mall und Farmers Markt (samstags) nur von Holz und Bergwerken, doch inzwischen dirigiert auch der Tourismus den Rhythmus, den ganz besonders die „Fisher“ bestimmen, weil in diesen Gewässern auch alle fünf Arten der Pazifk-Lachse schwimmen.
Neunzig Kilometer weiter, wo unsere westwärts ziehende „4“ bei Long Beach nach Norden abknickt um in Tofino ihren letzten Meter zu vollenden, drehen wir nach Süden, um einen Abstecher nach Ucluelet am Barcley Sound zu machen. Das einstige Holz- und Fischerdörfchen am Ende der Straße feierte an diesem Sonntag zufällig sein Lachs-Festival, und bei einem solchen steht immer auch ein „Fish-Derby“ im Mittelpunkt. Daraus folgt zunächst, dass jeder mögliche Parkmeter entlang der Straße kreuz und quer mit Pick-ups zugestopft ist, und dass die Durchsagen von Siegernamen, Maßen und Gewichten im Gejohle, Klatschen und der kreischenden Lautsprechermusik völlig untergehen, obwohl man diejenigen, die sich dort um den Moderator drängen wahrscheinlich an zehn Händen locker abzählen könnte. Touristisch fühlt sich hier wohl nur der Angler wohl, zumal der Wild Pacific-Trail hier noch auf seine Vollendung wartet. Bekannt ist Ucluelet allerdings schon jetzt für die Wanderung der Grauwale, die im Frühjahr und Herbst mit bis zu 20.000 dieser Giganten die Küstengewässer durchpflügen, wenn sie auf ihrer jährlichen Reise zwischen den Gebärgründen in Mexiko und den Gewässern am Polarkreis ihren Standort wechseln. Für uns waren diese grauen Riesen 2010 ebenfalls ein wichtiger Grund um Tofino, und dort „Jamie’s“ anzusteuern, denn in Sachen „Wale Watching“ haben beide, die Gegend und die Firma, einen sehr guten Namen, während das Fish-Derby uns so wenig beeindruckt wie der Rummelplatz.
Gegen 19 Uhr rollen wir daher schon auf einen Campingplatz, dessen naturbelassener langer Strand mit viel Treibholz hier die Regel ist. Ein Schönheitsfleck: Wegen der Nähe zu Tofino sind die Standplätze so knapp bemessen, dass man besser schon vorher zu einem anderen abbiegt. Insgesamt war die heutige Fahrt aber sehr schön, das Verkehrsaufkommen ab Port Alberni, wo die Straße zu kurven beginnt, für kanadische Verhältnisse jedoch ungewohnt. Der Grund: Die Küstenstadt ist für die Insulaner ein anziehender Ferienort, und die „4“ die einzige Straße, die zu ihm führt. Aber wer hier unterwegs ist – richtig eng, kurvig und bergig wird es erst auf den letzten dreißig Kilometern – der hat auch Zeit dafür.
An Tofinos Küste brechen sich nicht nur die Wellen aus Japan, der Ort ist auch bekannt für Walbeobachtungen und gilt als der beste Ausgangspunkt für Touren in den Pacifik Rim Park. Bären gibt es hier auch, aber nur die Schwarzen, und die sind wegen der Krabben