Rotz am Backen, Scheiß am Been - ach wie ist das Läähm scheen. Klaus Eulenberger

Rotz am Backen, Scheiß am Been - ach wie ist das Läähm scheen - Klaus Eulenberger


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musst du dem Wittsch …“

      „Sag doch nicht immer Wittsch, Oma – das macht mich noch ganz krank.“

      „Auf alle Fälle musst du dem, na du weißt schon, eine Vollmacht mitgeben, dass er berechtigt ist, in der Grenadierstraße 6 in Chemnitz im ersten Stock nach verwertbaren Dingen zu suchen und deine eidesstattliche Erklärung, dass du der Wohnungsmieter bist und zur Sicherheit noch, dass du im Gemeindeamt Kleinwaltersdorf arbeitest. Das gibt dem Ganzen noch einen amtlichen Anstrich. Ach – noch etwas fällt mir ein. Du musst dem Wittsch …“

      „Oma!“

      „… sagen, und dem Johann übrigens auch, dass der Johann nicht reden sondern nur etwas zeigen, darf. Sonst merken die, dass er ein Ausländer und etwas faul ist.“

      „Ja, Mutti, so machen wir das. Es ist alles schon sehr kompliziert und schwer – hoffentlich kommt mein Herbertl bald von der Front zurück oder der elendige Krieg ist bald vorbei.“

      „Bravo, meine Große, so habe ich dich doch noch nie reden gehört, der Krieg ist eine Schande für unser gesamtes Land.“

      „Pst, lass das nur nicht unsere Volksgenossen hören. Ich habe da manchmal richtig Angst bei dir, Oma.“

      „Na ja, Gretel, ich bin ja auch nicht im Bund deutscher Mädchen gewesen, wie du. Ich kann ja mal meine Meinung frei und offen sagen.“

      „Oma, du wirst dich nie ändern.“

      Nachdem dies nun abgearbeitet war, kam ich an die Reihe. Mir war schon ganz schön mulmig zu Mute. Zunächst einmal kam der Vorfall mit der am Leiterwagen eingespannten Ziege und dem kleinen Unfall an die Reihe: „Lothar und du, ihr habt überhaupt kein Recht, eigenmächtig so etwas zu tun. Ihr könnt nicht einfach die Ziege einspannen und damit losgehen. Da braucht es etwas Erfahrung und das richtige Geschirr – das wird euch der Johann schon noch zeigen. Außerdem dürft ihr nicht einfach mit dem Handwagen ins Dorf fahren. Das ist viel zu gefährlich. Also nochmals Klaus, wenn ihr das Gut verlassen wollt, müsst ihr mich oder Oma oder Friedel fragen. Anders geht das ganz einfach nicht. Hast du das nun endlich verstanden und wirst du dich danach richten?“

      „Ja, Mama, das werde ich.“ Es war überstanden. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass sie, wenn ich immer gegenhielt, superzornig wurde und ich nur das Gegenteil erreichte.

      Am nächsten Tag kam der Wittsch mit seinem F7 in den Hof gerollt. Am Abend zuvor hatte Mutti, nach der Reformande an mich, zusammen mit Oma, ein Sechsaugengespräch mit Johann geführt und dieser hatte zugestimmt, zusammen mit dem „Mörder“ nach Chemnitz zu fahren.

      Der Herr Wittasch stieg aus dem Auto aus – er war relativ klein, stark übergewichtig mit ziemlich dickem Bauch, welcher durch ein Sakko eingehüllt wurde. Neugierig schaute ich hin und überlegte mir: „Das Sakko ließe sich niemals über diesem dicken Bauch schließen, der Knopf hätte keine Chance in das Knopfloch zu gelangen.“ Auf seinem fast kahlen Schädel war nur ein Haarkranz sichtbar, seine Schiebermütze war verrutscht und saß auf Pfiff auf einer Seite. Mutti war sofort da und rief: „Sagt bitte sofort dem Johann Bescheid – das Auto ist da.“ Nach kurzer Zeit kam auch Johann und wurde dem Autofahrer vorgestellt. Als Johann die etwas verschobene Figur des Herrn Wittasch mit Gehstock sah, schien es mir, als wenn er schmunzeln würde, sein schwarzes Menjoubärtchen zuckte belustigt. Danach wurden ein großer, offener Pappkarton und drei Holzkisten (die schönen Plastikkästen von heute gab es ja damals noch nicht) in den hinteren Teil des Autos hineingelegt. Mutti übergab Herrn Wittasch noch einen Umschlag mit Schreiben – Johann holte sich schnell noch eine Jacke und ab ging die Post durch unser großes Tor. Wir alle winkten freundlich hinterher, vor allem Tante Friedel gestikulierte sehr begeistert. Mehrfach hatte sie schon zu ihrer Schwester Gretel gesagt: „Ach, weißt du, der Johann ist ein richtig hübscher Mann, der könnte mir sehr gefallen. Ich mag solche dunklen Typen mit schwarzen Haaren, er ist einfach ein schöner Mann.“

      „Sicher hast du Recht, Friedchen, ich sehe es genauso – du solltest aber zurückhaltend sein. Dein Herbert wird schon bald wieder hier sein. Nicht, dass du auf dumme Gedanken kommst. Schließlich ist der Johann uns hier als Gefangener zugeteilt.“

      „Aber Gretel, du machst mir richtig Angst, du siehst ganz blass um die Nase aus und außerdem bist du ja so dünn – das ist mir bisher nie aufgefallen.“

      „Mach dir keine Sorgen, Friedel, ich bin nur etwas unruhig, weil der Johann mit nach Chemnitz gefahren ist und doch eigentlich unser Gut nicht verlassen darf. Außerdem ist der Wittasch wirklich ein komischer Kerl, hoffentlich passiert da nichts.“

      „Komm Gretel, wir gehen ins Haus, setzen uns an den Kamin und schwatzen ein wenig – das ist doch immer gemütlich.“

      Am späten Abend kam das Auto von Chemnitz zurück. Johann stieg als Erster aus – wirkte ruhig wie immer, aber Mutti, die schon lange auf dem Hof wartete, spürte irgendetwas. „Johann, schön, dass ihr gesund wieder angekommen seid. War alles in Ordnung? Habt ihr in dem Dreck und Durcheinander etwas gefunden und mitgebracht?“

      „Oui, ja, ja – ier schauen.“ Johann zeigte auf all die Dinge, die sie mitgebracht hatten: eine Decke (es war ein Federbett), noch eine Decke (es war aber nur ein Kopfkissen), viel Bettwäsche, einen großen Packen gefalteter Hemden und Pullover, Handtücher, Taschentücher, Wischtücher, Kaffeekannen und viele Bilder von Spitzweg. Das wichtigste für meine Mutti war aber das Rosenthaler Porzellan – das Speiseservice mit vielen tiefen und flachen Tellern, Vorlegetellern, Soßiere, Suppenterrine und vor allem das komplette Kaffeeservice mit kleinen und großen Zuckerbehältern, Kuchentellern. Als sie das sah, strahlte sie und nahm eine Tasse. „Ach, Johann schau mal das wunderbare dünne Porzellan“, ging auf Johann zu und gab ihm einen Schmatz auf die Wange. Dieser war erstaunt, nahm den Kuss aber freudig entgegen, er lächelte. Oma, die dies sah, schmunzelte und sagte zu Mama: „Na Gretel, lass das nur nicht den NSDAP-Ortsvorsteher sehen.“

      Aufgeregt quakte ich dazwischen: „Johann, du solltest mir doch meinen braunen Teddybär, den Brummi und die Puppe ‚Freche Liese‘ mitbringen.“ „Klous (so richtig Klaus auszusprechen, gelang ihm selten), haben wir nicht gesucht, non, non, isch meine, nicht funden. Aber hier – sieh – ein Auto und Kugeln.“ Er übergab mir meinen Holzlaster und ein paar Murmeln. Das war natürlich nicht gerade viel, aber besser als gar nichts. Ich nahm es zufrieden entgegen und drückte Johann dankbar die Hand.

      Mama ging zur Haustür und rief hinein: „Oma, bring mal bitte den Nicolaj und den Marcel mit. Die sollen mal alles ins Haus hineintragen.“

      Während all dieser Gespräche hatte sich nun natürlich auch Herr Wittasch aus dem Auto geschält. Er sah etwas mitgenommen und äußerst unzufrieden aus. Das traf übrigens auch auf Johann zu, welcher erschöpft und abgespannt wirkte. Wittasch ging sofort auf Mutti zu und speckerte äußerst unzufrieden los: „Frau Eulenberger, da lief wieder mal einiges schief. Als wir ankamen, haben wir uns sofort bei der Familie Goldmann gemeldet, welche ins Nachbarhaus zu Bekannten gezogen ist. Sie wussten auch Bescheid und haben sich sehr interessiert, wie es Ihnen geht. Dann haben wir begonnen zu suchen. Es war aber äußerst risikovoll, weil wir immer dachten, dass noch ein Teil der Decke einstürzt. Plötzlich rief ein alter Mann von unten mit Donnerstimme: ‚Was tun Sie denn hier? Das ist verboten. Kommen Sie sofort herunter – auf der Stelle!‘

      Der Mann stellte sich als Herr Lehmann vor und war für diesen Distrikt der Luftschutzobmann und verantwortlich für zivile Verteidigung, wie er uns sagte. Zudem sagte er uns noch, dass er uns anzeigen müsste, da wir eine illegale Räumung durchführen würden. Dazu bräuchte es eine Genehmigung vom Zivilschutz. Bei diesem hätten wir die Entsorgung von persönlichen Dingen beantragen müssen. Mit ernsten Worten sagte er, es gehe um Deutschland und da müsse sich jeder ganz diszipliniert verhalten – sein NSDAP-Abzeichen auf dem Revers blitzte in der Sonne. Ich bekam richtig Angst, dass er uns anzeigt und redete mit Engelszungen, dass wir das alles einsehen würden und in Zukunft passiert das nie wieder. Er ließ sich kaum erweichen und wir bekamen richtiggehende Furcht. Ich schaute zu Johann – der schaute recht bedrückt und schüttelte den Kopf. Plötzlich sagte er: ‚Bitte, Verständnis – Familie kein Haus mehr.‘ Na, da war vielleicht etwas los. Der Alte kreischte: ‚Ist hier


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