Ein Arzt als Patient. Wolfgang Wild
genommen; Sie werden das schaffen.“
Zunächst war ich wirklich geduldig, aber nach dem dritten Fehlversuch sagte ich: „Mehr als drei Mal sollte man es nicht versuchen; schicken Sie doch bitte jemanden, der heute besser in Form ist als Sie.“
Das war der Kollegin so peinlich, dass sie auch noch vergaß, den Stauschlauch am Oberarm zu lösen. Kurz darauf, noch vor der Visite, kam der Stationsarzt und führte mühelos die Blutentnahme durch.
Zur Visite wurde zu meiner Freude schon über die Entlassung gesprochen, und die Stationsschwester erhielt den Auftrag, mein Schmerzmittel um die Hälfte zu reduzieren. Natürlich bekam ich am nächsten Tag wieder die volle Dosis ans Bett gestellt. Mit Unverständnis im Gesichtsausdruck ließ ich es korrigieren. Einem Nichtmediziner wäre das nicht aufgefallen. Bei diesem Medikament konnte zwar nichts passieren, aber dieser am häufigsten vorkommende Irrtum kann bei anderen Medikamenten ernste Folgen haben.
Am Vortag der Entlassung bat ich darum, mir noch einmal den Blutdruck zu messen. Es kam eine Schwester und wickelte mir eine Blutdruckmanschette um den rechten Oberarm. Diese roch so stark nach Schweiß, dass ich am liebsten auf die Messung verzichtet hätte, aber ich wollte nicht abermals Kritik anbringen, da ich als Gefäßpatient damit rechnen musste, hier noch mehrmals „Gast“ sein zu dürfen.
Es ist schon verwunderlich, dass noch nicht alle die dafür vorgesehenen Einmalmanschettenbezüge verwenden, werden doch die Unterlagen auf den Untersuchungsliegen für den nächsten Patienten stets auch erneuert.
Jetzt, zwölf Jahre später, wurde bei mir in einer Praxis für Kardiologie mit einem solchen personengebundenen Manschettenüberzug der Blutdruck gemessen, damit kein direkter Kontakt zur Haut anderer Kranker besteht. Na bitte, es geht doch!
Am Folgetag, dem fünften September, verließ ich die Klinik, und noch am Entlassungstag ging ich wieder in meine Praxis.
3. Kapitel
Dezember 1998: Das falsche Bett und die erste Komplikation.
Zwei Wochen nach meiner Entlassung wurde in einem Speziallabor nachgewiesen, dass bei mir angeborene Gerinnungsstörungen vorliegen. Diese Neigung zu verstärkter Gerinnung des Blutes wird mit dazu beigetragen haben, dass sich bereits ein Vierteljahr nach der letzten stationären Behandlung im August die mir nun bekannten Symptome wie Schmerzen, fehlende tastbare Fußpulse und Kältegefühl schon wieder einstellten. Zunächst hat man die Hoffnung, dass es durch vieles Umherlaufen besser wird. Dadurch merkten auch immer die Mitarbeiter der Praxis, wenn es wieder soweit war.
Die erneute stationäre Aufnahme war nicht zu umgehen. (S.27)
Die erneute stationäre Aufnahme war nicht zu umgehen. Wieder erfolgte sofort eine Gefäßdarstellung mit einer erfolgreichen Lyse. Das ist eine Durchspülung des Bypasses mit einem das Blutgerinnsel auflösenden Medikament. Dabei sah man allerdings erneut die enge Stelle (Stenose) an der oberen Anastomose, die bei der letzten stationären Behandlung geglättet worden war. Diesmal bestand nun die Notwendigkeit, hier operativ zu korrigieren, obwohl zunächst die Durchblutung des Beines wieder hergestellt war und keine Notfallsituation vorlag. Trotzdem erfolgte die Operation bereits zwei Tage später, ohne die Wirkung des gerinnungshemmenden Medikamentes zu blocken. Das sollte noch Folgen haben.
Nach den üblichen Operationsvorbereitungen brachte mich ein Krankenträger in den Operationssaal. Dort wurde ich zunächst im Wartebereich abgestellt und später auf einen Operationstisch umgelagert. Das Bett wird danach auf dem sogenannten Bettenbahnhof geparkt.
Die Einleitung der Narkose ist immer wieder faszinierend. Während des Gesprächs mit dem Narkosearzt oder der Narkoseschwester wird dieses nicht nur im Satz, sondern innerhalb eines Wortes unterbrochen. Plötzlich ist man „nicht mehr da“.
Weil man vorher davon ausgeht, dass man wieder erwacht, wäre das Gegenteil für einen Patienten im angemessenen Alter oder mit unheilbarer Krankheit der angenehmste Tod. Es bliebe ihm das bewusste Warten auf den Tod erspart. Der Narkosearzt und alle anderen, die sich um den Patienten kümmern, bemühen sich aber gerade darum, dass dies nicht passiert.
Während meiner Operation wurde die Stenose an der oberen Anastomose durch ein plastisches Verfahren erweitert. Entsprechend der Narkosedauer soll der Zustand des frisch Operierten auch angemessen überwacht werden, bevor man diesen wieder auf die Station zurück bringt. Nach dem Eingriff wird der Patient dann im Normalfall wieder in „sein“ Bett umgelagert. Bei mir war es jedoch anders.
So richtig munter wurde ich erst, nachdem ich mich schon wieder eine ganze Weile auf Station in meinem Zimmer befand. Somit stellte ich auch erst jetzt, und nicht schon im Aufwachraum, fest, dass ich in das Bett eines anderen Patienten gelegt worden war. Das Giebelbrett am Fußende meines Bettes war zuvor grün gewesen, und das, worauf ich nun erstaunt blickte, plötzlich rosa. Da es sich nicht um Nachwirkungen der Narkose handeln konnte, musste ich wohl im Bett eines anderen Kranken liegen. Diese Vorstellung war sehr unangenehm.
Verständlicherweise hatte ich nur einen Wunsch: Nur so schnell wie möglich raus zu kommen aus diesem Bett, deshalb drückte ich auf die Klingel. Zufällig kam die Stationsschwester, die wohl gerade in der Nähe zu tun gehabt hatte. „Oberschwester, ich wurde im Operationssaal in das Bett eines anderen gelegt.“
„Das ist unmöglich“, sagte sie mit Überzeugung in der Stimme, denn schließlich kann ja wohl nicht sein, was nicht sein darf.
„Doch, schauen Sie mal auf das Namensschild“.
„Tatsächlich – ein anderer Name, und jetzt sehe ich auch, dass es kein Bett unserer Station ist. Es gehört der Klinik für HNO-Krankheiten.“
Die Oberschwester schien nicht wirklich entsetzt zu sein; sie tangierte es nur insofern, dass sie nun bemüht war, „ihr chirurgisches“ Bett wieder zurück zu erhalten. Noch im Laufe des Nachmittages wurde der Austausch und der Neubezug der Betten vollzogen, und bald lag ich glücklich und zufrieden wieder in „meinem“ Bett.
Zur Visite am nächsten Tag versicherten mir die Ärzte, was ich auch aus eigener Klinikerfahrung wusste, mir jedoch im Nachhinein auch nicht mehr half: „Herr Wild, so etwas kommt zum Glück recht selten vor, aber es ist schon eigenartig, dass dies ausgerechnet einem Kollegen passieren musste.“
Das war aber nur das einleitende Visitengespräch, denn beim Zurücknehmen der Bettdecke blickten alle entsetzt auf mein operiertes Bein und warteten darauf, dass der Oberarzt etwas dazu sagte. Schon in der Nacht hatte ich eine Umfangszunahme meines Oberschenkels am linken Bein verspürt, und so ahnte ich, dass es auch heute nicht mein Tag werden würde.
Als der Oberarzt, der mich operiert hatte, diesen Befund sah, sagte er nur: „Scheibenkleister!“ Damit war die Visite zunächst beendet.
Bei einer offenbar auf dem Gang stattgefundenen Beratung musste man sich eingestehen, dass die Operation zu früh durchgeführt worden war. Das blutgerinnungshemmende Medikament, welches ich täglich einnehmen musste, war zwar abgesetzt worden, aber nach zwei Tagen war dieser Wirkstoff im Körper noch längst nicht abgebaut. Deshalb kam es zu einer Nachblutung und Ausbildung eines großen Blutergusses.
Nach wenigen Minuten kam der Stationsarzt zurück und teilte mir mit: „Herr Kollege, Sie müssen heute noch einmal nüchtern bleiben, Sie wissen wohl, warum?“
„Ja, ich weiß.“ Mir war klar, dass der Bluterguss operativ ausgeräumt werden musste, was dann auch am frühen Nachmittag geschah.
Somit hatte ich bisher an jedem Tag des jetzigen stationären Aufenthaltes ein Erlebnis, welches nicht hätte sein müssen. Die „Bettgeschichte“ kommt in die Rubrik „dumm gelaufen“, aber die zu frühe Operation kann man schon als Behandlungsfehler einordnen.
Damit es nicht so weiterging, musste ich in den nächsten Tagen etwas tun, was mir