E-Mail an Georg Friedrich Händel. Sabine Rydz

E-Mail an Georg Friedrich Händel - Sabine Rydz


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je leichfüßiger daher, um zu musizieren, für ihn waren eben die Sterne strahlender als strahlend, er hatte eben eine intensivere Betrachtungs- und Verarbeitungsweise als andere. Es war sein Lebensgefühl, als würde er mit einem Maserati durch Neapel düsen, vielleicht war es auch sein ultimatives Lebens-Elexier, wer, der Maserati?

      Nein natürlich die Musik, denn seine Lust auf Selbstdarstellung zeigte er bereits so dominant in frühester Jugend, da besaß er auch schon ein sensibles Feeling, wusste was ankam, wenn er so in die hungrigen Augen seiner frühen Fans beim Spielen sah, da beschlich ihn plötzlich eine unbändige Reiselust. Er wollte sofort hinaus in die weite Welt, nur das konnte all seine Wünsche, Träume und Fantasien befriedigen, aber nicht nur das, verehrter Georg Friedrich.

      Aber um auf internationale Tournee zu gehen, musste er doch noch einige musiktheoretische- und praktische Grundlagen trainieren oder erlernen, um seine Musikpassionen formvollendet darbieten zu können.

      Und wie schon bemerkt nahm er Unterricht bei seinem geschätzten Lehrer Zachow, zweifellos lernte er in Halle in der Marktkirche rasant schnell die Grundsätze der Harmonie, außerdem versteht sich das von selbst, jeder gute Musiker muss die hohe Kunst des Kontrapunktes beherrschen, und die Fähigkeiten der freien Improvisation wurden aus ihm herauskristallisiert, aber nicht nur auf seinen geliebten Tastinstrumenten, sondern auch auf der Oboe, sowie Violine, eigentlich auf allen Instrumenten. So begabt war der junge Georg Friedrich, dass er schon als Teenager fast auf allen Instrumenten spielen konnte. Unglaublich aber wahr, das konnte bis heute nicht getoppt werden, schon gar nicht von der Generation Relax. Oder?

      Traurig, ja richtig traurig eigentlich, dass ich so unbegabt bin, obwohl ich auch in Halle an der Saale geboren wurde, früher dachte ich immer deine Genialität hat etwas mit der Saale zu tun?

      Ja, sicherlich bei dir Georg Friedrich, aber leider nicht bei mir, dabei ist Wasser mein Lebens-Elexier, schließlich war ich mal Leistungsschwimmerin in der ehemaligen DDR, mein Lieber, außerdem ist es ja unser Urelement, na ja aber Talent kann man eben nicht erschwimmen und schon gar nicht erzwingen, ob nun mit Wasser oder ohne.

      Aber immerhin durfte ich Gitarre spielen lernen, schließlich gehörte ich ja zur Beat-Generation, dass wäre für den jungen Georg Friedrich sicherlich auch der Hype gewesen auf einer Gitarre seiner Kreativität freien Lauf zu lassen, leider 300 Jahre zu spät, mein Lieber, wir wollen ja auch mal unseren musikalischen Spaß haben.

      Aber du bist ja schon vor den Beatles zum Weltstar avanciert, und das in England, in London, im Mekka dieser hyper ventilierenden Musik-Stadt, ein Wahnsinn, unglaublich, das kommt alles nie wieder, dass irgend jemand aus Halle an der Saale fortgerissen vom Kontinent und in England so berühmt wird, geliebt und bedrängt wird von Männern und Frauen, und sogar als Bürgerlicher mit dem König und der Königin auf du und du steht und nicht mal politische Differenzen hat. Gute Reise weiterhin mein lieber Georg Friedrich, wir spielen fleißig deine Musik, sie hat Drang zum emotionalen Drama, zu einem blendendem Image hat sie vielen verholfen, und sie wirkt auf uns empathisch, einfach vital, mal adagio oder auch passionato, mal will man verführen und dann wieder erobern, fast wie Rivalen im Morgengrauen …

       Georg Friedrichs Familie und seine frühen

       musikalischen Aktivitäten und Träume

      „Wie lange soll ich bloß noch hier in Halle an Saale ausharren“, das wirst du dich pausenlos als talentierter junger Mann gefragt haben, denn unser schönes Halle war ja in der Barock-Zeit nicht gerade die ultimative Musik-Hochburg, und auch nicht das Dissidenten-Zentrum der ehemaligen DDR.

      Ja, du wolltest einfach mehr, nicht das Meer, aber eben hinaus in die Welt, endlich Freiheit spüren, du hattest keine Angst oder Skepsis gegenüber fremden Ländern, ganz im Gegenteil, du wolltest endlich Reisen, Aufbruch um jeden Preis, um die euphorischen Ankunft in einer neuen Welt zu erleben.

      Dieser Wunsch hatte sich ganz fest in dein aufnahmebereites Gehirn eingebrannt, sonst hättest du sicherlich auch Neurosen bekommen, ein Schreckensbild der Normalität, nicht nur bei Hochbegabten und Genies.

      Ein junger Mann deines Schlages verwandelt doch in der Fremde den Wind in Stürme, und wer sächsisch kann, ist überall in der Welt zu Hause, vor allem natürlich als genialer junger Musiker und Avantgard-Künstler, da spielt auch misstönender Gesang, ob Ost oder West keine Rolle, weil in der Kunst oder Musik geht es nicht nur um Geld, sondern um Provokation gepaart mit Durchsetzung von Talent, Kreativität. Oder? Was hast du für eine Position über Musik und Kreativität, würde mich sehr interessieren, kannst du nicht mal aus dem Olymp eine Mail schicken?

      Interessant wäre noch, ob unser Georg Friedrich zu diesem Zeitpunkt in Halle an der Saale lange blonde Haare trug, als er als junger zorniger Mann unterwegs war, aber keiner kann es genau sagen, oh pardon, er war ja nicht zornig, und mit Polizisten war er auch nicht in Straßenschlachten verwickelt, und schon gar nicht hat er die Hymne der amerikanischen Antikriegs- und Bürgerrechtsbewegung gesungen. „The Anser ist blowing in the wind …“ von Bob Dylan.

      Vielleicht doch? Mayby, sometimes?

      Ja, aber unser Georg Friedrich und Bob Dylan, sie wären gemeinsam der musikalische Hype zu allen Zeiten gewesen, wenn sie sich 1987 in Berlin zur 750 Jahrfeier kennen gelernt hätten. Zwei, die sich von assyrischen Gipslöwen und vom antiimperialistischen Kulturgut befreit haben und zwar schon in ihrer Jugend, und sie hätten sich auch mit Erfolg von der „Ensemble Musik“ strikt distanziert, wie sich das linientreue musikalische Treiben in der ehemaligen DDR nannte, und in Berlin im „Haus der Jungen Talente“, kurz Hdj T live abspielte.

      Aber plötzlich passiert etwas Unerwartetes im Leben von Georg Friedrich, ein starkes Rütteln aus dem Nichts. Es gibt eine kryptische Durchsage in seinem Gehirn, die da lautet: Ich will reisen, reisen, reisen und unterwegs sein, es ist das ultimative Lebensmotiv aller Sachsen, unsere DNA gewissermaßen, ich bin genauso reisewahnsinnig.

      Aber nicht nur Georg Friedrichs Reise- und Lebenslust kennzeichnete seinen Charakter, sondern vor allem sein lebendiges Bedürfnis zu musizieren und zu komponieren, erzählt von menschlichen Gefühlen. Er beschwört geradezu die Notwendigkeit von Schönheit und Kreativität, aber nicht nur im stillen Kämmerlein, nein du brauchtest jetzt unbedingt einen fähigen Musiklehrer, denn dein unstillbares Bedürfnis Musik zu schaffen, musste sofort befriedigt werden, in diesen Momenten hattest du ungeheure Kraft, die umgewandelt werden musste in musikalische Taten, da gab es keinen Weg zurück. Dabei kamst du, wie bereits bemerkt, gar nicht aus einer musikalischen Familie, die riesige Stammbäume von erfolgreichen Musikern aufweisen konnte. Nein ganz im Gegenteil, deine Mutter war Pastorentocher durch viele Generationen hindurch, evangelisch versteht sich im Kern-Lutherland, und dein gestrenger Herr Papa war erfolgreich als Barbier und Arzt pausenlos unterwegs, und Zeit seines Lebens auch als Retter überall im Ausland tätig.

      Als er dann zum zweiten Mal heiratete, war er zwanzig Jahre älter als seine blutjunge Frau, deine Mutter, mit der er noch vier Kinder bekam. Alle Achtung, eigentlich hattet ihr eine ganz moderne, interessante Familienkonstellation, wie sie heute fast normal ist, zumindest in der Bürgerlichen Mitte wie wir heute gerne die mittlere Schicht der Bourgeoisie nennen.

      Ja, da staunst du, Patch-Work-Familien sind heute nicht nur Lebens- und Trainings-Trends, sondern sogar Life-Style, mein Lieber, nicht nur in London, nein auch in Halle an der Saale.

      Ja, und was ich auch für die damalige Zeit verblüffend finde, dass dein Vater ununterbrochen als engagierter Barbier und Wundarzt arbeitete, was zu jener Zeit ein echter Knochenjob war, und eine Art Dienstleistung darstellte, und kein privilegiertes Leben versprach, unglaublich.

      Aber dein Herr Papa ist in Europa viel herumgekommen, und über Arbeitsmangel konnte er sich im Dreißigjährigen Krieg nicht gerade beklagen. Jahre später arbeitete er als Feldarzt im sächsischen Regiment, danach avancierte er doch tatsächlich zum höhergestellten Schiffsbarbier und Arzt und war pausenlos in Hamburg und Lübeck unterwegs. Später segelte er bis nach Portugal, man könnte sagen, er war also schon damals so eine spezielle Art oder der Vorläufer von „Ärzte ohne Grenzen“, irgendwie bewundernswert, dass muss ich neidlos anerkennen.

      Interessant


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