Glauben du musst. Sebastian Moll

Glauben du musst - Sebastian Moll


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Als Star-Wars-Fan können Sie vielleicht erkennen, dass Theologie nicht nur etwas für langweilige Spießer ist, und als frommer Christenmensch merken Sie womöglich, dass eine weit, weit entfernte Galaxis keinerlei Bedrohung für Ihren Glauben darstellt. Aber ich möchte dem Ergebnis auf keinen Fall vorgreifen. Lesen Sie erst einmal in Ruhe, wir sehen uns am Ende des Buches wieder.

      Kapitel IV

       „ICH FINDE IHREN MANGEL AN GLAUBEN BEKLAGENSWERT"

       RELIGION FÜR SKEPTIKER

      Menschen sind vergesslich. Das wissen wir alle, jeder von uns spürt es bei sich selbst. Ich persönlich kann mir vor allem drei Dinge nicht merken: Namen, Zahlen und … noch irgendwas. Aber in der Welt der großen Filmklassiker, insbesondere im Bereich der Science-Fiction, scheint eine regelrechte Massenamnesie zu herrschen. Erinnern Sie sich noch an den Film Ghostbusters (1984)? Ganz New York wird von Geistern heimgesucht, das Ende der Welt steht kurz bevor. Nur Peter Venkman, Raymond Stantz, Egon Spengler und Winston Zeddemore können den Untergang noch verhindern. Unter Einsatz ihres Lebens besiegen sie den zerstörerischen Marshmallow-Mann und werden dafür von den Bewohnern der Stadt frenetisch gefeiert. Fünf Jahre später treffen wir unsere vier Helden in Ghostbusters II wieder – doch niemand außer ihnen scheint sich an die Ereignisse des ersten Films erinnern zu können! Ray muss sich von einem überprivilegierten Neunjährigen vorhalten lassen, dass er und seine Kollegen „absoluter Müll“ seien. Der Richter, vor dem sich die drei Freunde verantworten müssen, weil sie mitten auf der First Avenue ein Loch gegraben haben, hält kategorisch fest: „Das Gesetz erkennt nicht die Existenz von Geistern an. Ich glaube auch nicht an solche. Ich möchte also keinen Humbug über irgendwelche Kobolde, Gespenster oder Dämonen hören. Wir werden uns in diesem Fall an die Fakten halten.“ Haben alle diese Leute die vergangenen Jahre auf dem Mond gelebt, mit geschlossenen Augen und Fingern in den Ohren?

      Im Star-Wars-Universum steht es um die Gedächtnisleistung der Menschen leider nicht viel besser. Die Jedi-Ritter waren, so erfahren wir es von Obi-Wan Kenobi in Episode IV, für mehr als 1000 Generationen die Wächter des Friedens und der Gerechtigkeit in der Alten Republik. 1000 Generationen – das sind nach allgemeiner Zählung etwa 25.000 Jahre. 25.000 Jahre lang spielten die Jedi also eine entscheidende und anerkannte Rolle im gesellschaftlichen System der Republik. Und doch muss man knapp 20 Jahre nach deren Zusammenbruch erst einmal jedem erklären, wer die Jedi waren und was es mit der Macht eigentlich auf sich hat! Luke Skywalker hat jedenfalls noch nie etwas davon gehört und muss es sich in aller Ruhe von Obi-Wan erläutern lassen. Aber auch dieser kann sich ja nicht einmal mehr an R2-D2 erinnern, obwohl der kleine Droide über 20 Jahre lang ein fester Bestandteil seines Lebens war. Nicht zuletzt sind auch die imperialen Offiziere völlig unwissend, machen sich gar lustig über den Glauben an die Macht. Als sich einer von ihnen der gewaltigen Möglichkeiten des Todessterns rühmt, weist Vader ihn zurecht: „Seien Sie nicht allzu stolz auf Ihr technologisches Schreckgespenst! Die Fähigkeit, einen ganzen Planeten zu vernichten, ist nichts gegen die Stärke, die die Macht verleiht.“ Der angesprochene Offizier, der im Film unbenannt bleibt, aber im Abspann als General Motti identifiziert wird, erwidert: „Verschonen Sie uns mit Ihrem Kinderschreck von der magischen Macht, Lord Vader. Ihre traurige Anhänglichkeit an diese altertümliche Religion hat Ihnen nicht geholfen, die gestohlenen Unterlagen herbeizuzaubern, und Sie ebenso wenig die geheimen Stützpunkte finden lassen …“ – woraufhin er Bekanntschaft mit Vaders legendärem Würgegriff macht wie auch mit dessen nicht minder legendären Worten: „Ich finde Ihren Mangel an Glauben beklagenswert.“ Hier zeigt sich übrigens bereits eine erste Parallele zwischen Vater und Sohn, die uns direkt hätte auffallen müssen. Als Han Solo über Lukes Training mit dem Lichtschwert spottet („Antiquierte Waffen und Religionen können es nicht mit einer guten Laserkanone aufnehmen“ – im Original bezeichnet er Lukes Religion als „hokey“, also Quatsch), entgegnet dieser in altklugem Tonfall: „Sie glauben wohl nicht an die Macht?“ Dass er selbst erst wenige Stunden zuvor das erste Mal davon gehört hat, hindert ihn offenbar nicht daran, nun arrogant auf die ‚Ungläubigen‘ herabzublicken. Zwar gelingt ihm wenig später eine erste Demonstration seiner neuen Fähigkeiten, indem er blind die Schüsse einer Roboterkugel abwehrt, doch hat diese Demonstration leider nicht denselben Effekt wie ein telekinetischer Würgegriff, weshalb Han Solo vorerst auf seiner Skepsis beharrt: „Ich nenne es Glück.“ Natürlich dienen solche in den Film eingebauten Erklärungen in erster Linie dem Publikum. Bis 1977 hatte ja tatsächlich noch nie jemand von den Jedi oder der Macht gehört. Dennoch gibt es, sagen wir mal, geschickte und weniger geschickte Wege für solche erzählerischen Notwendigkeiten. In Mel Brooks Star-Wars-Parodie Spaceballs (1987) werden diese etwas unbeholfenen Versuche dann auch geschickt aufs Korn genommen. Nachdem Colonel Sandfurz dem furchteinflößenden Lord Helmchen ausführlich die gemeinsamen Eroberungspläne erläutert hat, wendet sich dieser, der besagte Pläne natürlich längst kannte, zum Publikum und fragt: „Haben das alle verstanden?“

      Vielleicht ist die weitverbreitete Ablehnung gegenüber der Macht, die sich sowohl bei Han Solo als auch bei General Motti findet, aber auch nur ein Sinnbild für die Ablehnung gegenüber Religion im Allgemeinen, die uns auch in unserer Welt mehr als geläufig ist – entweder, weil wir sie selber verspüren, oder weil wir als religiöse Menschen damit leben müssen. Interessanterweise repräsentieren Han Solo und General Motti, trotz ihrer gemeinsamen Verachtung, zwei unterschiedliche Menschentypen und somit auch zwei unterschiedliche Charakterzüge, die zu ebendieser Verachtung führen. Han Solo ist der typische Draufgänger, der sich nach Abenteuer und Unabhängigkeit sehnt. Die Vorstellung, anderen gehorchen zu müssen, ist ihm zuwider. Daher reagiert er auch gereizt auf die Anordnungen von Prinzessin Leia: „Hören Sie, Hochwohlgeboren, eins wollen wir doch mal klarstellen: Ich nehme nur von einem Menschen Befehle entgegen. Von mir!“ Auch in der oben bereits erwähnten Szene mit Luke Skywalker kommt diese Haltung deutlich zum Ausdruck: „Junge, ich bin von einem Ende dieser Galaxis bis zum anderen geflogen. Ich habe allerhand merkwürdige Dinge gesehen, aber noch nie etwas, das mich davon überzeugt hat, dass es eine allmächtige Macht gibt, die alles beherrscht. Mein Schicksal jedenfalls wird nicht von einem mystischen Energiefeld beherrscht. Nichts als simple Tricks und Unsinn.“ Han möchte Herr seines eigenen Schicksals sein, Unterordnung ist seine Sache nicht. Menschen mit einer solchen Einstellung haben auch in unserer Welt eine kritische bis ablehnende Haltung gegenüber der Religion, besonders gegenüber den monotheistischen. (Der Einfachheit halber ist im Folgenden mit dem Begriff ‚Religion‘ immer ‚monotheistische Religion‘ gemeint.)

      Dem Islam wird zuweilen vorgeworfen, sein Name bedeute „Unterwerfung“. Bedenkt man die vielen negativen Assoziationen, die der Islam in unserer heutigen Diskussionskultur weckt, mag dieser Vorwurf berechtigt erscheinen, doch im Grunde ist diese Wortbedeutung nichts weiter als eine Banalität. Religion bedeutet immer Unterwerfung, Unterwerfung unter den Willen Gottes. Auch ein Christ würde dies nicht anders beschreiben. „Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe“, diese Worte Jesu im Garten Gethsemane, die er spricht, nachdem er seinen Vater zuvor angefleht hat, den Todeskelch an ihm vorübergehen zu lassen, zeugen von der völligen Ergebenheit in den Willen des Vaters. Er war hierin ein Vorbild, ein unerreichbares zwar wie in so vielem anderen auch, aber dennoch ein Vorbild. Durch ihn und mit ihm können Christen lernen, sich von Gott ergreifen zu lassen und ihren Willen in seinen dahinzugeben.

      Für Menschen, die sich selber als rebellisch definieren, ist eine solche Haltung kaum zu ertragen. Das ist einer der Gründe, warum sich pubertierende Jugendliche nur selten für Kirche und Christentum begeistern können. Letzten Endes steht jede Form von Emanzipation – und die Pubertät ist eine solche – der Forderung nach Unterwerfung entgegen. Der Begriff leitet sich vom lateinischen emancipatio ab und bezeichnete im römischen Recht die Entlassung bzw. den Freikauf des Sohnes aus der väterlichen Gewalt. Gibt es eine bessere Bezeichnung für die Abwendung von der Religion als den Sohn, der sich aus der Herrschaft des Vaters lösen will? Jesus selbst greift dieses Motiv in einem seiner berühmtesten Gleichnisse auf, dem Gleichnis vom verlorenen Sohn. In dieser Geschichte lässt sich der jüngere Sohn von seinem Vater seinen Vermögensanteil auszahlen (Emanzipation) und verlässt seine Familie, um das Geld in fernen Ländern zu verprassen. Später kehrt er verarmt und reuig zurück: „Vater,


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