Löscher-Löcher. Reinhard Kessler

Löscher-Löcher - Reinhard Kessler


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man direkt neidisch!“

      Ein paar Vögel waren zwar recht laut, aber das störte die Ruhe merkwürdigerweise nicht.

      Jelato frotzelte: „Vögel, die pfeifen, und Frauen, die krähen, musst du beizeiten den Hals umdrehn.“

      „Na, na, na.“

      „Wenn du wie ich in einer Kneipe gross geworden wärst, dann …“

      „Lass den Quatsch! Das ist was für niveaulose Singles und Akademiker ohne Abschluss.“

      „Was ist mit deinem Humor passiert? Komm, wir nehmen noch ein Dienstbier!“

      „Also dann!“

      Sie bewunderten auch die Holzskulpturen, die von irgend einem früheren Schnitz- und Sägewettbewerb stehen und hängen geblieben waren, und machten von sich und dem übergrossen Holzhasen ein paar Selfies – übrigens ohne das bekannte „Deppen-Zepter“, wie der Stick inzwischen auch weltweit genannt wird.

      Sie bewunderten auch die Holzskulpturen, die von irgendeinem früheren Schnitz- und Sägewettbewerb stehen und hängen geblieben waren

      Die Benutzer solcher „Deppen-Zepter“ rennen selbst bei Gewitter mit dem erhobenen Selfie-Stick herum.

      Viel Spass dabei dann auch noch von dieser Stelle.

      Dann passte auch schon wieder eine Wurst rein, was gleich zu einem kurzen Gedankenaustausch über Schweine führte.

      Gerome fragte Jelato: „Weisst du eigentlich, dass das Spürwildschwein Luise seit 1987 im Ruhestand ist?“

      „Die Glückliche – aber haben wir die Luise nicht eben gegessen?“

      „Ouh!“

      „Wäre doch möglich, oder?“

      „Das will ich nicht wirklich wissen. Ausserdem wäre sie dann ja doch steinalt geworden, die Luise, und sicher ungeniessbar.“

      „Wie alt werden Schweine eigentlich?“

      „Keine Ahnung. Wir essen sie ja immer recht jung.“

      „Der Mensch ist eben ein metastabiler Zustand, der nur durch permanente Energiezufuhr aufrecht erhalten werden kann.“

      „Genau. Ohne diese andauernde Energiezufuhr zerfallen wir in kurzer Zeit in unsere Einzelteile.“

      Während des folgenden tiefgründigen Gespräches über die Entropie und den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und der Unumkehrbarkeit von gewissen Vorgängen und Prozessen kam ein „Hündeler“ an der Hütte vorbei. Der Hund war natürlich nicht angeleint – trotz Wildschonzeit und Leinenpflicht im Wald. Viele Hundehalter scheren sich bekanntermassen einen Dreck um solche Bestimmungen. Ihr Credo: ,Der Hund muss doch laufen können, sonst hat er bald eine Stadtneurose und ist scheinschwanger und muss zum Hundepsychiater.‘ Der Hund roch an ihren Würstchen und Jelato protestierte: „Rufen Sie ihn zu sich, ich mag das nicht!“ „Entschuldigung.“

      Sonst passierte eigentlich nichts Spektakuläres im Wald, so wie das die meisten von uns auch von Sonntagsspaziergängen her kennen und schätzen. Da heute aber ein Werktag war, hatten die Leute zu arbeiten, und es war also richtig einsam da oben. Kaum eine Menschenseele war unterwegs. Nur eine lustige Gruppe fitter Rentner kam schnatternd und lachend näher und wanderte zielsicher offensichtlich in Richtung nächste Gaststätte. Einer roch die köstlichen Würstchen und witzelte: “Hier riechts denn fein. Ihr seid sicher keine Vegetarier, wie?“ Jelato rief zurück: „Sekundärvegetarier!“

      „Was ist das denn?“

      „Wir essen nur Tiere, die sich von Pflanzen ernähren!“

      Mit dieser Antwort hatte er die Lacher auf seiner Seite.

      „Ihr wisst aber schon, dass gegrillte Sachen krebserregend sind?“

      „Ha, wen interessiert denn, was die Krebse erregt?“

      Wiederum anerkennendes Gelächter der Gruppe, die ihre Wanderung anschliessend fortsetzte. Danach war es wieder ruhig.

      Schliesslich verplauderten sie noch ungefähr eine Stunde und berichteten sich gegenseitig von den inzwischen von ihnen gelösten und Aufsehen erregenden Fällen.

      Es war ein richtig ruhiger und erholsamer Tag in der Natur. Kaum der Rede wert bis – ja, bis zu einem bestimmten Moment, da änderte sich das von einer Sekunde auf die andere.

      Mehrere Polizeiwagen rasten mit Blaulicht, aber ohne Sirene, an ihrer Waldhütte vorbei. Sie zogen eine Wahnsinns-Staubwolke hinter sich her. Steinchen flogen hörbar in den Radkästen ans Blech. Anschliessend folgten noch ein paar Zivilfahrzeuge – ebenfalls mit hohem Tempo. Die Autos wippten auf dem unebenen Waldweg und einzelne Räder verloren auch ab und zu den Kontakt zum Boden oder schlugen in einem Schlagloch ein.

      Verwundert beobachteten sie das ungewöhnliche Schauspiel: Polizei mit Sondersignal? Mitten im Wald? An ihrem Grillplatz? Sie hörten die Polizeiwagen noch eine kurze Zeit den Waldweg weiter fahren. Dann hielten sie offensichtlich an, irgendwo ausser Sichtweite. Türen schlugen zu, das konnten sie hören.

      Sie wedelten mit den Händen den Staub vor ihren Gesichtern weg und husteten.

      „Was war das denn jetzt?“

      „Der ultimative Stossdämpfertest?“

      Gerome frotzelte: „Vielleicht macht der amerikanische Präsident auf diese Art einen ruhigen und erholsamen Waldspaziergang?“

      „Eher nicht, sonst hätten wir 4 Kilometer Sicherheitsabstand einhalten müssen und es wären 4 Hubschrauber in der Luft.“

      „Und 200 Sicherheitsleute im Anzug und mit Sonnenbrille würden absolut unauffällig im Wald herumlaufen.“

      „Mit Leitung am Kopf und Knopf im Ohr.“

      „Da ist bestimmt was passiert.“

      „Wir können ja auf dem Rückweg mal dort vorbei gehen. Das wäre kein grosser Umweg.“

      „Eigentlich könnten wir uns auch mal so langsam auf den Weg machen.“

      Sie packten ihre Habseligkeiten zusammen und löschten das Feuer mit Wasser aus dem nahen Holzbrunnen. Das zischte und machte Spass und Qualm. Da hatten unsere grossen Buben richtig Freude dran. Dann spazierten sie in die Richtung, wo sie den Polizeieinsatz vermuteten.

      Ihr Gehör hatte sie nicht getäuscht. Nach einiger Zeit wurden sie aber von einem Polizisten am Weitergehen gehindert: „Bitte nehmen Sie einen anderen Weg. Hier ist jetzt abgesperrt.“

      Er zeigte in Richtung eines anderen Weges und sagte:

      „Sie könnten hier hoch gehen.“

      „Was ist los?“

      „Kann ich Ihnen nicht sagen.“

      Jelato hatte aber schon lange Karli erkannt, der abseits vom Weg tief gebeugt im Dickicht in seinem typischen Eisbärenkostüm etwas untersuchte. Der weisse Überzug – im Fachjargon Ganzkörperkondom genannt – mit den dazu passenden modischen Kunststoffüberschuhen, den Handschuhen und der schicken Kopfabdeckung machte aus dem ganzen Kerl eine insgesamt lächerliche Erscheinung. Zusammen mit einem fotografierenden Kollegen und einem weiteren Spurensicherer in gleichem Outfit sah das aus wie eine kleine Eisbärenfamilie oder eine Fasnachts-Clique.

      Jelato und Gerome war der Ernst der Situation sofort klar. Wie oft waren sie in ihrem Leben schon an Tatorten gewesen!

      Leser kennen unseren Gerichtsmediziner Karli bereits von früher und wissen, dass er auch immer „Mr. Hmm“ genannt wurde. Warum? Das wird bald klar.

      Er begrüsste ihn mit einem lauten „Hallo, Karli!“. Der Angesprochene schaute sich um und kam gleich auf ihn zu.

      „Hallo, Jelato.“

      „Das ist Gerome, du erinnerst dich?“


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