Ghostsitter. Tommy Krappweis

Ghostsitter - Tommy Krappweis


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und sein Lebenswerk«, grummelte Welf, als hätte er Sorge, dass Tom vielleicht etwas Falsches sagen könnte. »Und die Schreckensfahrt ist unter den Geisterbahnen weltweit eine Legende.«

      »Eine Legende … Ja, so kann man es auch ausdrücken«, warf der Anwalt ein. »Allerdings sagt man das auch über Alexander den Großen, und der ist längst zu Staub zerfallen. Was uns direkt zurückführt zu der Geisterbahn, denn die ist …«

      Tom bemerkte, wie sich Welf auf dem Stuhl neben ihm aufrichtete und den Anwalt ansah, als würde er ihn gleich durch die vertäfelte Hauswand drücken.

      »Die ist … eine Legende. Vielleicht belassen wir es einfach dabei.« Rufus T. Feuerflieg öffnete den obersten Knopf seines Hemdkragens und nestelte ziemlich nervös an seiner Krawatte herum, als er weitersprach. »Also, Tom Röschenberg, da du mit vierzehn Jahren noch nicht geschäftsfähig bist, wird dein Onkel Welf als Verwalter eingesetzt. Du musst aber klar formulieren und natürlich auch unterschreiben, ob du das Erbe und die daran geknüpften Bedingungen annimmst oder nicht. Sonst gibt es auch nichts für dich zu verwalten. Also nimmst du das Erbe an oder n…«

      Eben hatte Tom noch ein Geräusch vernommen, das klang, als würde Welf die Nase hochziehen. Da war sein merkwürdiger Onkel auch schon mit einem blitzschnellen Satz vom Stuhl aufgesprungen und stand nun von einer Sekunde auf die nächste mitten im Raum.

      Gleichzeitig schwangen die schweren Doppeltüren auf, und Tom spürte einen erstaunlich kalten Luftzug, der ihn frösteln ließ. Ein spitzbärtiger Mann mit einem ausladenden schwarzen Cape und eine junge Frau in einem blutroten Hosenanzug standen im Türrahmen, als würden sie für eine Bühnenshow posieren. Und ganz kurz fragte sich Tom, woher eigentlich dieser Wind gekommen war, der anscheinend nur existierte, um das Cape des komischen Mannes effektvoll aufzubauschen.

      Dann machte der Spitzbart einen großen Schritt in den Raum hinein, dicht gefolgt von seiner Begleitung. Welf aber wich keinen Zentimeter zurück und machte auch keine Anstalten, aus dem Weg zu gehen.

      Den Spitzbart schien das nicht zu stören, fast so, als hätte er damit gerechnet. Er deutete eine Art Verbeugung an und machte eine ausladende Geste, die Tom irgendwie an einen Zirkusdirektor erinnerte. »Guten Tag zusammen. Meine Verehrung«, sagte er. »Mein Narrme ist Zoraaaschhhh …«

      »Name«, flüsterte die Frau neben ihm.

      Der Spitzbart bewegte kaum die Lippen und zischte: »Was?«

      »Es heißt Name und nicht Narrme«, wisperte die Frau kaum hörbar zurück. »Wieder mal zu viele gerollte R in einem Wort, das kein einziges R hat.«

      »Ah, darrrnke«, erwiderte der Spitzbart, und die Frau seufzte genervt.

      Okay, dachte Tom. Offensichtlich träume ich. Und zwar schon den ganzen Tag. Erst klingelt Wolverines Zwilling an der Tür und soll auch noch mein Onkel sein. Dann hat der tote Bruder meiner Oma einen Clown als Anwalt. Ich erbe zehn Millionen, dann aber wieder nicht, außer ich tingle mit einer Geisterbahn durchs Land, und jetzt platzt dieser Zeichentrickbösewicht hier rein und will mir ein paar R zu viel verkaufen? Das passiert doch alles nie im Leben wirklich!

      Der Spitzbart sah Tom scharf an. »Warrrum hast du dich gerrrade in die Wange gerrrzwickt?«

      »Kein R in gezwickt«, raunte die Frau neben ihm, aber der Spitzbart hörte nicht zu.

      »Weil ich für einen Moment gedacht hab, dass ich träume«, antwortete Tom wahrheitsgemäß. »Tu ich aber nicht. Ich bin wirklich hier, und das ist alles echt. Krass.«

      Der Spitzbart lächelte. »Ja, krrrass, hahaha! Was für ein schönes Worrrt.« Er trat etwas näher an Tom heran, und der spürte, dass Welf sofort ebenfalls etwas näher rückte.

      »Keine Sorrrge, ich tu dem Jungen nichts, ich will ihm nur einen Vorrrschlag machen«, erklärte der Spitzbart, ohne Welf überhaupt eines Blickes zu würdigen. »Hiermit biete ich dir für die Geisterbahn Schreckensfahrt und alles, was darin ist, hunderttausend Euro. Na, was sagst du? Dafür kannst du dir so viele Süßigkeiten kaufen, wie du essen kannst, und Spielzeug, bis dein ganzes Zimmer voll ist mit Teddybären, Spielzeugautos und Zinnsoldaten und …«

      »Ist das ein Scherz?«, unterbrach ihn Tom. Langsam wurde ihm das alles hier zu albern, und dieser Vorschlag war echt der Topper. »Also, erstens würde ich mir für hunderttausend Öcken sicher was anderes kaufen als einen Besuch im Krankenhaus, damit die mir den Süßkram wieder aus dem Magen pumpen. Zweitens bin ich irgendwie raus aus dem Teddybären-Alter, und drittens ist der Vorschlag ja wohl voll für’n Arsch.«

      Der Spitzbart sah ihn erstaunt an, während die Frau aussah, als habe sie mit Toms Antwort schon gerechnet.

      »Ich meine, Sie bieten mir läppische hunderttausend jetzt, damit ich auf mehrere Millionen in ein paar Jahren verzichte? Echt jetzt mal, für wie blöd halten Sie mich denn?« Tom wurde jetzt richtig sauer, denn wenn er eins überhaupt nicht leiden konnte, dann, dass man ihn für einen kleinen Doofie hielt. »Und das Wichtigste …«, sagte er und blickte dem Spitzbart dabei direkt in die Augen, ohne zu blinzeln, so wie das die Helden in den Actionfilmen immer machten. »Meinem Onkel Heinrich lag es wohl sehr am Herzen, dass ich diese Geisterbahn übernehme. So sehr, dass er mir dafür verdammt viel Geld vererben will. Also werde ich den Teufel tun und das alles jetzt verscherbeln.«

      Tom hörte Oma neben sich erleichtert ausatmen, und er bemerkte auch, dass Welf sich etwas entspannte. Er war aber noch nicht ganz fertig. Das Beste hatte er sich für den Schluss aufgespart. »Außerdem glaub ich nicht einmal, dass Sie mir die Hunderttausend überhaupt bezahlt hätten. Ich glaub Ihnen ja nicht mal Ihren Akzent.«

      »Wie kannst du es warrrgen«, schnaufte der Spitzbart.

      »Weil Sie gerade eben bei Ihrem Angebot an mich komplett vergessen haben, das R zu rrrrrollen«, antwortete Tom. »Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich glaub, ich muss hier irgendwo unterschreiben.«

      Und mit diesem Satz drehte Tom dem Spitzbart und seiner Begleitung einfach den Rücken zu und wandte sich an den Anwalt. »Sie haben bestimmt einen Stift für mich, oder?«

      Rufus T. Feuerflieg grinste so breit, dass der Schnurrbart fast die Ohren berührte, und reichte ihm mit formvollendeter Geste einen Füllfederhalter. Dann schob er Tom mit einer ebenso fließenden Bewegung die Urkunde über den Tisch. Gerade als sich Tom hinunterbeugte, um zu unterschreiben, hörte er die Stimme des Spitzbarts hinter sich und drehte sich erschrocken um.

      »Du … du neunmalkluge, drrreckige kleine Kanalrrratte«, knurrte der Spitzbart und streckte doch tatsächlich seine Hände nach Tom aus, als wolle er ihn an Ort und Stelle erwürgen.

      Tom war viel zu baff, um auszuweichen oder sich gar zu wehren, aber da war bereits Onkel Welf zur Stelle und stieß den Mann mit einer blitzschnellen Bewegung zurück. Doch bevor dieser rückwärts gegen die schwere Doppeltür gekracht wäre, hatte seine Begleitung ihn schon elegant abgefangen und gleichzeitig Welfs Arm mit ihrem ausgestreckten Bein zur Seite geschlagen.

      Was geht denn jetzt ab!, rief Tom innerlich, hatte aber immerhin die Geistesgegenwart, seine Oma aus der Gefahrenzone und hinter den schweren Schreibtisch zu ziehen. Dort kauerte der Anwalt bereits und grinste sie schelmisch an. »Willkommen auf den besten Plätzen und viel Spaß bei der Show! Die Frage ist nur: Wo kriegen wir so schnell Popcorn her?«

      Da schlug auch schon einer der Stühle neben ihnen ins Regal ein, und Tom war spätestens jetzt klar, von was für einer Show der Anwalt gesprochen hatte.

       Kapitel 5: Die Verwüstung

      Direkt vor ihnen lieferten sich Welf und die Frau in Rot einen Kampf, der sich so unglaublich schnell und gleichzeitig so heftig vor ihnen abspulte, dass es kaum möglich war, den Überblick zu behalten. Eben noch hatte Welf beide Arme der Frau festgehalten, als sie auch schon beide


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