Ghostsitter. Tommy Krappweis

Ghostsitter - Tommy Krappweis


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der Sekretär des Anwalts den Spitzbart und seine Begleitung mit der gleichen oberflächlichen Höflichkeit verabschiedete, wie er Tom & Co begrüßt hatte. Man hätte meinen können, solche Art von Kämpfen wären in der Kanzlei an der Tagesordnung und nichts, worüber man sich wundern oder sonst wie erregen müsste. Na ja, vermutlich zahlte der Assistent auch nicht für die nun dringend notwendige Renovierung.

      Erst als auch die Tür der Kanzlei hörbar ins Schloss gefallen war, wagte sich Rufus T. Feuerflieg hinter der arg lädierten Deckung hervor, die einmal sein Schreibtisch gewesen war. »Lieber Welf, ich kann gar nicht sagen, was mich mehr freut: dass du gekommen bist, um uns zu beschützen, oder dass du jetzt wieder gehst. Sollte ich jemals ein Abrissunternehmen gründen, bist du der Erste, den ich anrufe. Für alle anderen Jobs stelle ich lieber ein tollwütiges Nashorn ein.«

      Oma lachte laut, und auch Tom fand immer mehr Gefallen an dem verrückten Humor des Anwalts. Welf allerdings wirkte, als hätte er gar nicht zugehört. Er griff sich die Urkunde, steckte sie in einen Umschlag und winkte dann Tom. »Lass uns gehen.«

      »Wie? Und Oma?«, fragte der, doch die winkte ab.

      »Alles gut, Tom. Ich bin der gleichen Meinung wie Welf. Du solltest keine Zeit verlieren und so schnell wie möglich dein Erbe in Augenschein nehmen. Viel hängt von den nächsten Stunden ab. Mehr als du dir vielleicht vorstellen kannst.«

      Tom verstand nur die Hälfte oder vielleicht noch weniger davon, und das gefiel ihm mal so gar nicht. Doch bevor er widersprechen konnte, hob Oma ihren Zeigefinger. »Nein, Tom. Du gehst jetzt mit Onkel Welf. Und mach dir um mich keine Sorgen, ich nehme nach dieser Aufregung sehr gerne die geruhsame Straßenbahn nach Hause. Bis später, mein Junge.«

      Und damit drückte sie ihn kurz, aber fest an sich, wuschelte ihm noch einmal durch die Haare und schob ihn dann hinter Welf her aus der Tür.

       Kapitel 6: Die Schreckensfahrt

      Du kanntest diesen Typen, oder?«, fragte Tom Welf, kaum dass sie wieder in seinem Ami-Schlitten saßen. Welf nickte.

      »Okay, und warum bitte wollte er nicht, dass ich unterschreibe? Warum wollte er mir die alte Geisterbahn abkaufen, und warum spricht er so, als hätte er einen Akzent, und warum ist die Frau in Rot so … so krass? Was bitte hatte das alles zu bedeuten?«, sprudelte es aus Tom heraus. Und das waren nur die wichtigsten Fragen, die in seinem Hirn darum drängelten, als Erstes durch seinen Mund nach draußen zu blubbern.

      Doch Welf antwortete nur: »Nicht jetzt.« Und schwieg.

      Da stieß Tom ein so lautes Boah-bin-ich-genervt-Geräusch hervor, dass Welf wohl dachte, auf der Straße hätte jemand gehupt und sich verwundert umsah.

      »Was soll das denn für eine Antwort sein?«, legte Tom im gleichen, ultragenervten Tonfall nach. »Nicht jetzt. Na toll! Das sind Antworten, wie man sie in irgendwelchen Fernsehserien hört, wenn die Leute einfach nur miteinander sprechen müssten, und dann wäre die Folge sofort rum, weil dann alles klar wäre. Stattdessen heißt es dann Nicht jetzt oder Alles zu seiner Zeit oder Glaub mir, das willst du nicht wirklich wissen, damit der Zuschauer möglichst lange keine Ahnung hat, was eigentlich los ist. Das hier ist aber keine Fernsehserie. Ich bin nicht der Zuschauer, sondern mittendrin, Welf-der-angeblich-mein-Onkel-ist! Also frag ich dich jetzt einfach noch einmal, und bitte, gib mir doch eine Antwort, die mir auch irgendwas beantwortet, okay?« Tom atmete nach diesem langen Wortschwall tief ein und wiederholte dann überdeutlich: »Was hatte das alles zu bedeuten?«

      »Glaub mir, das willst du nicht wirklich wissen«, sagte Welf, und der Anflug eines Grinsens umspielte seine schmalen Lippen.

      Tom fühlte sich ziemlich verarscht. »Toll, ganz toll. Danke. Super«, brummelte er und drehte sich so weit weg, wie es ihm in dem Autositz möglich war.

      Nach etwa zwanzig Minuten brütendem Schweigen erreichten sie schließlich das Gewerbegebiet außerhalb der Stadt. Zunächst reihten sich blitzsaubere und modern wirkende Fabrikgebäude, Firmensitze und Outlet-Stores entlang schnurgerader Straßen ohne Bäume oder Sträucher. Danach folgten einige Lagerhallen, ein ausgedehnter Schrottplatz, eine Kiesgrube. Und dann, ganz am Ende der Straße …

      »Eine Tankstelle?«, fragte Tom laut.

      Welf nickte. »Wurde gebaut, als man noch dachte, hier würde die Straße weitergehen bis zur Autobahn.«

      »Autobahn? Hier ist doch gar keine Autobahn, die führt doch auf der anderen Seite um die Stadt rum«, wunderte sich Tom.

      »Richtig«, grummelte Welf und stieg aus. Anscheinend dachte er, dass er Tom damit genug Informationen gegeben hatte.

      Tom stieg ebenfalls aus und sah sich um. Neben dem großen Werkstattgebäude mit dem riesigen, verrosteten Tor in der Mitte wirkte die Tankstelle selbst ziemlich klein. Doch auch das Kassenhäuschen und das Dach über den nicht vorhandenen Zapfsäulen war winzig im Vergleich zu modernen Tankstellen. Tom vermutete, dass diese hier wohl in den Fünfzigerjahren gebaut worden war. Die abgeblätterten Pastellfarben und die schmalen Zapfsäulen erinnerten Tom an die alten Sonntagnachmittagsfilme, die Oma so gerne schaute. Und das Dach hatte diese geschwungene, spitz zulaufende Form von Omas altem Couchtisch. Anscheinend hatte man sich damals entschieden, die Autobahn doch anders herum um die Stadt zu führen, was diese Tankstelle hier mitsamt der Straße überflüssig machte.

      Na, wenigstens wird die Miete hier billig sein, dachte Tom, als er Welf über den Platz folgte. Rechts neben der Tankstelle fiel ihm noch eine rostige Klappe im Boden auf, die mit einem schweren Metallriegel verschlossen war. Dies musste wohl der unterirdische Tank für die Zapfsäulen sein. Überall auf dem Platz wuchs Unkraut zwischen den Pflastersteinen, teilweise so hoch, dass es Tom bis zu den Knien reichte. Nur im Bereich der Ausfahrt aus der Werkstatt bis zur Straße war das Grünzeug halbwegs eingedämmt.

      Welf öffnete eine kleine Tür in dem großen Tor. Anstatt einer Einladung oder irgendeinem Wort der Erklärung stand er einfach nur da und nickte in Richtung des tiefschwarzen Nichts, das in der Halle auf Tom wartete.

      Tom seufzte. »Wie wär’s mit: Ich erklär dir gerne alles, bin ja schließlich dein Onkel, mach dir keine Sorgen, das wird schon?«

      »Ich erkläre nicht gern, bin auch nicht wirklich dein Onkel, Sorgen sind absolut berechtigt, und ob das alles wird, muss sich noch zeigen«, antwortete Welf nur.

      »Das ist ja … ziemlich ehrlich«, erwiderte Tom sarkastisch und trat dann extra forsch an Welf vorbei in die dunkle Werkhalle.

      Eigentlich hatte Tom angenommen, dass sich seine Augen gleich an die Dunkelheit gewöhnen würden und das restliche Licht ihm erlaubte, wenigstens irgendetwas zu erkennen. Stattdessen blieb es einfach nur schwarz. Allerdings spürte Tom sehr deutlich, dass da irgendetwas in der Halle war. Er hätte nicht genau sagen können, warum, aber das Gefühl war eindeutig: Irgendetwas stand da vor ihm, wie ein massiver Haufen dichteste Finsternis.

      »Achtung«, hörte er plötzlich Welf murmeln und danach ein Geräusch, als würde er einen schweren Schalter umlegen, der lautstark einrastete. Im nächsten Moment schrie Tom auf und riss die Arme hoch! Urplötzlich war es in der Halle zwei Dinge geworden: Hell und Laut.

      Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte Tom hinter seinem linken Arm hervor und versuchte gleichzeitig, sich mit den Händen irgendwie die Ohren zuzuhalten. Es gelang ihm immerhin so lange, bis der Schreck überwunden war und sein Gehirn erkannt hatte, dass das monströse Ding vor ihm nur im Vergleich zu »stockdunkel« wirklich hell und auch nur verglichen mit »Totenstille« wirklich laut war.

      Es war unglaublich, wie ein seltsamer Traum und doch real: Vor ihm blinkte und dudelte tatsächlich eine waschechte Geisterbahn, ganz genau so, wie man sie von typischen Rummelplätzen kannte.

      Na ja, vielleicht doch nicht ganz genau so, denn je mehr sich Toms Augen an


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