Geheimnisvoller Da Vinci Code in Wien. Gabriele Lukacs

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Johannes‘ Gesichtszüge sind feminin, seine Haare, sein weiches, bartloses Gesicht, seine Haltung gibt durchaus Anlass zu einer Deutung als weiblicher Apostel. Nur, wo wäre dann Johannes? War er beim Abendmahl nicht zugegen? Hat Leonardo ihn gar vergessen?

      „Gewisse weiche und weibliche“ Züge sieht Artur Rosenauer, Professor am Wiener Institut für Kunstgeschichte, sehr wohl an Leonardos Johannes-Figur. „Da Vinci war homosexuell – da gibt es kaum einen Zweifel“, erklärt er in einem Interview anlässlich der Filmpremiere von „The Da Vinci Code“. Um eine Frau könne es sich aber unmöglich handeln: „Das wäre an der Wand eines Klosters völlig unangebracht gewesen. Man darf ja nicht vergessen: Es war eine Auftragsarbeit, für die er bezahlt wurde.“ Leonardos homoerotische Neigung könnte durchaus in seinen Gemälden Niederschlag gefunden haben. Immer wieder engagierte er Knaben als Modelle und einige davon wurden seine Schüler, Diener und Liebhaber. Zur Zeit der Entstehung des Abendmahlbildes 1495–97 war sein damaliger „Schüler“ Salai 15 bis 17 Jahre alt. Ihn hat Leonardo jedoch nicht im Apostel Johannes verewigt. Das Rätsel bleibt ungelöst: ist nun Johannes oder doch Maria Magdalena dargestellt?

       Der auffällige V-Spalt.

      Wo ist der Kelch?

      Auf Leonardos Gemälde fehlt der Kelch. Eine merkwürdige Darstellung der Tafelszene, ist doch der Kelch eines der zentralen Elemente des Abendmahls. Gibt Leonardo damit einen Hinweis, dass mit dem Gral kein Gefäß, sondern ein Mensch gemeint sein könnte?

      Ist der auffällig große V-Spalt zwischen Johannes und Jesus ein Gralszeichen? Der Oberteil eines Kelches? Da ein Kelch aber nicht vollständig ist ohne Fuß, so müsse Jesus, den man in der geometrischen Figur eines spitz nach oben weisenden Dreiecks sehen kann, der Kelchfuß sein. Jesus stützt in dieser Auslegung Maria Magdalena. Beide zusammen bilden den Gral, Maria Magdalena den Kelch und Jesus den Fuß.

      Der Leipziger Kunsthistoriker und Leonardo-Forscher Franz Zöllner hat in der „Zeit“ entgegnet, dass sich die ungewöhnlichen Lücken des Gemäldes „aus dem simplen Umstand erklären, dass Leonardo die emotionsgeladene Reaktion der Jünger auf die Verrats-Ankündigung Christi möglichst expressiv darzustellen versuchte: ,Einer von euch wird mich verraten.‘ Dadurch zerfallen die Jünger in Gruppen, und so entstehen Lücken zwischen den Figuren.“ Der Leipziger Professor unterstreicht weiter, dass zu Leonardos Zeiten im „Abendmahl“ eine Maria Magdalena nicht unterzubringen war – die künstlerische Freiheit war nicht gegeben. „Der feminin wirkende Johannes hingegen ist nicht ungewöhnlich, er wurde oft als besonders junger, bartloser und daher weiblich anmutender Typ dargestellt.“

      Wessen Hand hält das Messer?

      Es könnte Petrus Hand sein, die als Drohgebärde ein Messer zückt. Eine Drohung? Gegen wen gerichtet? Gegen Johannes sicher nicht, der frei von jedem Verdacht als Verräter ausscheidet. Gegen einen möglicherweise weiblichen Apostel, gegen die Frau an Jesu Seite?

       Wessen Hand hält das Messer? Gegen wen richtet sich die Drohung? – Fragen, die offen bleiben.

      Diese in ihrer Größe und Perspektive falsch gemalte Hand ist Gegenstand von Interpretationen, weil ein Fehler Leonardos auszuschließen ist.

      Aus der Bibel lässt sich herauslesen, dass Petrus Maria Magdalena nicht eben wohlwollend gesinnt war. Er tadelt Jesus wegen der offensichtlichen Bevorzugung dieser Frau, die dem Heiland offenbar näher stand als die Apostel, insbesondere Petrus selbst.

      Absicht oder Zufall? Was steckt dahinter?

      Code Nr. 2:

       Die zwölf Apostel und ihre Sternzeichen

      Die Astrologie könnte weitere Indizien zur Aufklärung der Frage „Johannes oder Maria Magdalena“ liefern. Mehrere Autoren haben sich mit einer astrologischen Zuordnung der zwölf Apostel befasst und kommen zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen.

      Der österreichische Mythenforscher Erich von Beckerath (1891–1981) analysiert in seinem Werk „Geheimsprache der Bilder“ Leonardos Abendmahl ebenfalls nach astrologischen Gesichtspunkten. Für ihn besteht kein Zweifel, dass Leonardo nicht nur Maler, Ingenieur und Erfinder, sondern auch Astrologe war. Es wäre sogar undenkbar, dass ein Universalgelehrter wie Leonardo nicht Astronomie und Astrologie studiert hätte. Leonardos Einteilung der Apostel entspricht der Elementelehre und die zwölf Apostel sind eindeutig den zwölf Tierkreiszeichen zugeordnet.

      Welcher Apostel steht für welches Tierkreiszeichen? Wo beginnt die Zählung?

      Nach Beckerath beginnt die Zählung rechts vom Betrachter aus gesehen und geht nach links, weil die Sprache der Apostel Hebräisch/Aramäisch war und diese von rechts nach links gelesen wird. Das astronomische Jahr beginnt im Frühlingspunkt mit dem Sternzeichen Widder. Demnach wäre der erste Apostel ganz rechts dem Widder zugeordnet und der letzte Apostel ganz links dem Sternzeichen Fische.

      Von rechts nach links gelesen ergibt sich folgende Anordnung: Simon (Widder), Thaddäus (Stier), Matthäus (Zwillinge); Philippus (Krebs), Jakobus d. Ältere (Löwe), Thomas (Jungfrau); Johannes (Waage), Judas (Skorpion), Petrus (Schütze); Andreas (Steinbock), Jakobus d. Jüngere (Wassermann), Bartholomäus (Fische).

      Im Zentrum des Bildes, zwischen Jungfrau und Waage, sitzt Christus, auf den alle Perspektivlinien im Gemälde hinführen. Er verkörpert die Sonne, das Zentrum unseres Kosmos. In diesem Sinne ist das Abendmahlbild eine astrologische Darstellung. Die Charaktereigenschaften der zwölf Sternzeichen sind in den zwölf Aposteln dargestellt, wobei der Code aber erst über Leonardos Selbstportrait entschlüsselt werden kann.

      Mit dieser Zuordnung kann dreierlei erklärt werden:

      1 Warum ist der Jünger Johannes auffallend weiblich dargestellt? Er ist dem Zeichen Waage zugeordnet, das vom weiblichsten aller Planeten beherrscht wird, von der Venus. Johannes als Waage wirkt ausgeglichen, in Harmonie. Oder ist es doch eine Frau, Maria Magdalena, die als Venus dargestellt wird?

      2 Neben Johannes sitzt Judas, der folgerichtig dem Zeichen Skorpion zugeordnet ist. Dieses Zeichen steht für Leben und Tod, für Mystik und Geheimnistuerei, für Idealismus, aber auch für Verrat – zum Charakter des Judas passend.

      3 Hat sich Leonardo selbst im Abendmahl verewigt? Das wäre nicht ungewöhnlich für einen Maler der Renaissance. Er wäre demnach der zweite von rechts, der Apostel Thaddäus, neben dem Widder, also Stier.

      Leonardo wurde am 15. April 1452 im Sternzeichen Stier geboren. Heute fällt der 15. April jedoch in das Sternzeichen Widder (21.3.–20.4.), wie Astrologen sofort anmerken würden. Aus der immer größer werdenden Abweichung des Kalenders vom tatsächlichen Sonnenjahr erwuchs die Notwendigkeit einer Kalenderreform, die im Jahr 1582 durchgeführt wurde. Man addierte die zehn fehlenden Tage, wodurch der 15. April zum 25. April wird und somit auch in unserem heutigen Kalender in das Sternzeichen Stier (21.4.–21.5.) fällt. Im Apostel Thaddäus, der nach Beckerath das Sternzeichen Stier darstellt, sehen manche Leonardoexperten ein Selbstportrait des greisen Malers. Er sieht ihm in der Tat verblüffend ähnlich.

       Die 12 Apostel und ihre Sternzeichen.

      Beckerath führt weiter aus, dass Leonardo die Apostel nicht nur den Tierkreiszeichen zuordnet, sondern auch den Elementen und Temperamenten. Angeordnet werden sie in vier Dreiergruppen. Das entspricht den vier Trigonen, den vier Temperamenten (cholerisch, melancholisch, phlegmatisch, sanguinisch) und den vier Jahreszeiten.

      Leonardo selbst schreibt über die Darstellung der Apostel: „Also hier in zwölf ganzen Figuren wird dir die Kosmographie der kleinen Welt (Mikrokosmos) vorgeführt, nach derselben


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