Unheimliches Wien. Gabriele Lukacs

Unheimliches Wien - Gabriele Lukacs


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       Totenköpfe auf zerfressenen Särgen künden von der Endlichkeit des Seins.

      In den Wiener Sagen begegnet uns noch eine andere Art von Geistern, die alten heidnischen Götter, die noch immer umgehen sollen und den Menschen manchmal helfen, manchmal schaden. Frau Holle (Hulda, Freia) begegnet uns ebenso wie Wotan und die wilde Jagd, die nächtens mit Donnergroll durch die Lande zieht. Die Wassergeister warnten zwar oft vor der Flut, zogen aber etliche Fischer zu sich hinab. In früheren Zeiten fühlten sich die Menschen von den Naturgewalten viel stärker bedroht als heute, und so sind auch diese Geister aus der Mode gekommen. Unheimliche Menschen gibt es heute keine mehr, der Henker, bei dessen Anblick einem graute, gehört der Vergangenheit an. Dafür gehen „Stecher“ mit AIDS-verseuchten Nadeln als eine neue Art von Gespenstern und Vampiren um, und schon bilden sich um sie neue Sagen – denn sie erzeugen Angst. Dasselbe gilt für die UFOs, deren einige über Wien gesichtet wurden. Der Vampirglaube hatte sonderbarerweise in Mittel- und Westeuropa in der Zeit der Aufklärung besondere Konjunktur, während der Hexenglaube allmählich an Bedeutung verlor. Die Kirche war nicht mehr das Maß aller Dinge, und was man in ihrem Namen über die Hexen fabuliert hatte, hatte keine Geltung mehr, daher verschwand das crimen magiae aus den Gesetzbüchern. Die Medizin hingegen war die kommende Wissenschaft, und die Toten waren real. Der Vampir ist eine Art unheiliges Gegenstück zu den Heiligen, galt der unverweste Körper doch oft als Zeichen der Heiligkeit. Mit den Vampiren hatte sich das 18. Jahrhundert jedoch ein Problem geschaffen, das die Aufklärer als „Aberglauben“ zu bekämpfen hatten. Auf Wiener Boden spielte der Vampirismus übrigens keine sehr große Rolle, der berühmteste Vampirjäger liegt aber hier begraben. Und so schließt sich der Kreis, der von echten übersinnlichen Erfahrungen bis zum Schwindel, von Vampirjägern bis zu Henkern, von heidnischen Göttern bis zu christlichen Heiligen, von unterirdischen Grüften bis zu unheimlichen Orten führt. Die Texte und Bilder in diesem Buch wollen Gedankenanstöße geben und Lust darauf machen, auf deren Spuren zu wandeln – sei es nachdenklich oder mit einem Schmunzeln oder gar mit einem gruseligen Schauer.

       Gespenster in einem Wiener Spukhaus.

      Von einigen Wiener Gebäuden und Plätzen ist glaubhaft überliefert, dass es sich um Spukhäuser oder doch zumindest um unheimliche Orte handelt. Die Autoren besuchten etliche davon und trafen für den Leser eine repräsentative Auswahl.

      1.,HERRENGASSE 9

      Eine bezeugte und durchaus glaubwürdige Spukgeschichte ist uns durch den englischen Botschafter Sir Horace Rumbold (1869 – 1941) überliefert worden. Sie trug sich während seiner Wiener Dienstzeit im Palais Clary in der Herrengasse zu, das seiner Gesandtschaft damals kurzfristig zur Verfügung stand. Wie er in seinen von Gunther Martin herausgegebenen Erinnerungen schreibt, habe ihm die Fürstin Clary eine höchst seltsame Geschichte erzählt. Während einer längeren Abwesenheit der Fürstenfamilie war das Palais geschlossen geblieben. Vor ihrer Rückkehr sollte die Beschließerin Vorbereitungen für den Empfang der Familie treffen. Als sie in das noch unbewohnte Gebäude kam, hörte sie Stimmen und Lärm aus einem der Zimmer und erblickte hinter einer Milchglastüre Menschen in altmodischer Kleidung. Als sie in das Zimmer trat, fand sie jedoch niemanden vor, und nichts deutete darauf hin, dass sich jemand vor kurzem darin aufgehalten hätte. Der Spuk war so plötzlich verschwunden, wie er aufgetaucht war. „Man könne kaum bestreiten“, erzählte die Fürstin dem Engländer, „dass in dem alten Bau bisweilen rätselhafte Gestalten auftauchten, ohne dass man ihr Erscheinen überzeugend zu erklären vermöchte.“ Sir Horace war ebenfalls ganz überzeugt: „Es steht auch außer Frage, dass das Palais Clary während der Zeit als Sitz unserer Gesandtschaft sein unheimliches Wesen noch deutlicher offenbarte“. Er berichtet von einem unheimlichen Erlebnis, das die Frau und die Tochter eines seiner Vorgänger dort hatten. „An einem sonnigen Vormittag saßen sie in einem langen, schmalen, galerieartigen Wohnzimmer, das sie normalerweise benützten. Miss X las ihrer Mutter aus einem französischen Buch vor, als diese zu ihrem Erstaunen den Leibjäger ihres Gatten wartend an der Stirnwand des Raumes stehen sah und ihrer Tochter befahl:, Sag Fritz (dem Leibjäger), er soll zu deinem Vater hinuntergehen, der ihn sicherlich braucht.‘ Miss X schritt auf den Mann zu, aber als sie näher kam, war er nicht mehr da. Sie ging zu ihrer Mutter zurück, da erblickten die beiden ihn wieder, und Miss X wollte ihm neuerlich den Auftrag überbringen. Das geschah dreimal, immer mit dem gleichen Ergebnis. Mutter und Tochter wären sehr erschrocken darüber gewesen, einen Geist vor sich zu sehen. Später erzählte Fürst Clary, dass in jenem Zimmer ein Leibjäger ermordet worden sei, der seitdem im Haus spukte.“

       Noch heute soll es im Palais Mollard-Clary in der Herrengasse 9 spuken.

      Das Palais Clary, das sich von 1760 bis 1922 im Besitz dieser Familie befand, ist eines der wenigen dokumentierten Spukhäuser Wiens. Ist es nicht eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die Britische Botschaft dort untergebracht war? Ein passenderes Haus für die geistergläubigen Briten hätte man in Wien schwerlich finden können. Doch berichtete auch der letzte Nachkomme der Familie, Alfons Clary-Aldringen, in seinem Buch „Geschichten eines alten Österreichers“ über unheimliche Begegnungen, die er in diesem Hause hatte. Und selbst später, als das Palais schon längst von der Niederösterreichischen Landessregierung zu Bürozwecken verwendet wurde, soll es unheimliche Erscheinungen gegeben haben.

       TIPP

       1., Herrengasse 9. Palais Mollard-Clary. Globen- und Esperantomuseum und Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Öffnungszeiten täglich außer Montag 10 : 00 – 18 : 00, Donnerstag bis 21 : 00.

      1., RENNGASSE 14

      Ein ebenfalls glaubhafter Zeuge erzählt von einem anderen Spukhaus aus jüngster Vergangenheit. Alfred Ballabene, „Jenseitsforscher“ und begabtes Medium, erhielt einst in einer Wohnung im 5. Stock des Hauses 1., Renngasse 14 eine schamanistische Initiation durch seinen Lehrer und Adoptivvater. Die Wohnung war angeblich während der Hitler-Ära ein Atelier des Fotografen Strobl gewesen, eines Mitarbeiters von Heinrich Hoffmann (1885 – 1957), der als Hitlers Leibfotograf bekannt wurde und in dessen Atelier Hitler das Lehrmädchen Eva Braun kennen gelernt hatte. Strobl konnte allerdings von der Autorin nicht identifiziert werden. Alfred Ballabene berichtete Folgendes:

      „Als die Wohnung von meinen Adoptiveltern übernommen wurde, war dort eine Kiste mit Fotos aus dem dritten Reich. Diese Kiste wurde den Engländern auf deren Wunsch übergeben. Ich sah hiervon nur ein Bild mit Göring. Was sich mir jedoch einprägte, war die Kuriosität der Szene. Göring stand mit einem Speer vor einem erlegten Eber. Auf dem Foto stand handgeschrieben, dass der Telegraphendraht (der quer über den Himmel auf dem Bild verlief) wegretuschiert werden sollte.“

       Schauplatz okkulter Einweihungen: Renngasse 14.

       Geisterbeschwörung im magischen Kultraum.

      Geisterscheinungen im magischen Kultraum

      Seine Erinnerung an Geisterscheinungen in dieser Wohnung veröffentlichte Alfred Ballabene in seinem Buch „Guru und Schülersohn“, wo er schreibt: „Die Wohnung von meinem Guru und Meister hatte Geschichte. Sie lag in der Innenstadt von Wien und zwar am Rande des alten Stadtgrabens. Alles rund herum hatte die Patina wechselvoller Ereignisse der letzten tausend Jahre. Türkenkriege, Pest, ein Knotenpunkt für den Handel mit dem Orient – die Stadt hatte ein wechselvolles Leben. Das strahlte


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