Briefe aus der Ferne. Группа авторов

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August 2008).

      Diese wenigen, keineswegs einzigartigen Fälle erinnern daran, dass es eine Dimension von Herrschaft in menschlichen Gesellschaften gibt, die sich von ökonomischer Klassenherrschaft und dem Rassismus weißer Vorherrschaft unterscheidet. Es ist die patriarchale, die männliche Herrschaft über Frauen. Wenn ich mich nun wieder in der Linken engagiere, will ich, dass wir mehr tun, als nach den Geschlechtereffekten des Kapitalismus und der Klassenverhältnisse zu fragen, und sogar mehr, als die Dimensionen des Rassismus einzubeziehen. Ich will, dass anerkannt wird, dass das Patriarchat, die systematische männliche Herrschaft, kein Produkt unserer übersteigerten feministischen Phantasie, sondern historische Realität war und immer noch ist. Es funktioniert global, überschneidet sich mit kapitalistischen und weißen, rassistischen Herrschaftsverhältnissen in jedem Land und in jeder bekannten Institu­tion – Aktiengesellschaften, Universitäten, Militär, Kirchen, Synagogen und Moscheen, Stadtverwaltungen und politischen Parteien (die linken eingeschlossen). Jede/r von uns als Individuum, Mann oder Frau, weiß oder schwarz, mit oder ohne Eigentum, ist – unter anderem – durch diese Herrschaftsdimension formiert.

      Das bedeutet meines Erachtens, dass wir in unserem Engagement diesmal mehr tun müssen, als die Mehrwerttheorie aufzuarbeiten und die eingesetzte Zeit und deren Entlohnung aufzurechnen, so dass (diesmal) unbezahlte Arbeit, Pflegearbeit, Beziehungsarbeit, persönliche Dienste, Reproduktionsarbeit und Engagement für die Gemeinschaft berücksichtigt werden. Das ist selbstverständlich. Aber diesmal müssen wir zusätzlich eine weitere Dimension menschlicher Beziehungen in unsere Überlegungen einbeziehen, die zuvor, in den 1970ern und 80ern, außerhalb des sozialistisch-feministischen Arbeitsfeldes verbleiben konnte und in den separaten Bereich des radikalen Feminismus fiel. Ich meine Triebbesetzung (Begehren und Hass) und Gewalt (Zwang, Kontrolle und Töten).

      Ist es unmöglich, von Männern zu verlangen, dass sie für ihren Anteil an der Fortschreibung patriarchaler Macht Verantwortung übernehmen? Viele Frauen der besitzenden Klasse sind in der Linken aktiv. Sie haben es geschafft, ihr eigenes Verhältnis zur Klassenherrschaft zu erkennen, und kämpfen für dessen Veränderung. Viele Weiße beider Geschlechter haben es geschafft, die rassistischen Strukturen weißer Vorherrschaft zu erkennen, und kämpfen für ihre Überwindung. Ich glaube, es ist nicht undenkbar, dass Männer, als Männer, in fortschrittlichen sozialen Bewegungen die patriarchalen Herrschaftsverhältnisse erkennen und auf ihre Veränderung hinarbeiten können, sowohl analytisch und programmatisch in ihrer politischen Praxis als auch individuell in ihren politischen Beziehungen.

      Literatur

      Cockburn, Cynthia (1988): »Masculinity, feminism and the Left«, in: Rowena Chapman u. Jonathan Rutherford (Hg.): Male Order: Unwrapping Masculinity, London.

      Bronwyn Davies und Susanne Gannon

      Sydney, Australien

      Dr. Bronwyn Davies, Professorin an der University of Western Sydney; Leiterin des interdisziplinären Forschungsbereichs »Narrative Discourse and Pedagogy« an der Hochschule für Kunst.

      Veröffentlichungen: B. Davies (Hg.): Judith Butler in Conversation: Analysing the texts and talk of everyday life, New York 2008; Frösche und Schlangen und feministische Märchen, Hamburg 1992.

      Susanne Gannon, Dozentin für Literatur und Englisch an der University of Western Sydney.

      Veröffentlichung: mit B. Davies (Hg.): Doing collective biography: Investigating the production of subjectivity, Maidenhead 2006.

      Liebe Frigga,

      es ist uns eine Ehre, Teil dieser Umfrage zu sein. Wir betrachten Kritik und Selbstkritik als unverzichtbar für jeden politischen Schritt in Richtung Emanzipation. Darum bieten wir Einsicht in unsere Praxis der Erinnerungsarbeit als politische Methode, wie du sie uns gelehrt hast und wie sie in neue linke Politik Eingang finden sollte.

      Feministische poststrukturalistische Praxis – Forschungspraxis wie auch politische Praxis – erfordert die Entwicklung der Fähigkeit zur Selbstkritik und Selbstveränderung durch Analyse der Art und Weise, wie Diskurs auf uns wirkt – einzeln und kollektiv. Ein wirkungsvoller Ansatz dafür sind die Strategien der Erinnerungsarbeit, wie Haug u. a. sie in ihrem bahnbrechenden Buch darlegen, das 1987 auf Englisch erschien. Selbstkritik und Selbstveränderung ist in diesem Verständnis ein kollektiver, in Beziehung stattfindender Prozess. So wie wir die Methode nutzen, die wir Kollektives Biografieren genannt haben (Davies/­Gannon 2006), nehmen wir unsere eigenen autobiografischen Geschichten als Grundlage, auf der wir neue persönliche und kollektive Erkenntnisse darüber entwickeln, wie Diskurs auf uns wirkt und wie er historisch durch uns wirkt, um uns als bestimmte Subjekte zu produzieren.

      Feministische poststrukturalistische Theorie kann als dritter Feminismus betrachtet werden; sie folgte historisch auf den liberalen und den Radikalfeminismus (Kristeva 1981), ohne sie zu ersetzen. Während der liberale Feminismus einen Diskurs der Individualrechte zum Einsatz bringt, um im öffentlichen Bereich anzukommen, und der Radikalfeminismus das Frausein feiert und essenzialisiert, um den negativen Darstellungen von Frauen und Mädchen im Männlichkeitsdiskurs etwas entgegenzusetzen, versucht der feministische Poststrukturalismus die Kategorien »männlich« und »weiblich« selbst zu erschüttern, um sichtbar zu machen, wie sie hergestellt werden, und ihre Unvermeidlichkeit infrage zu stellen.

      Poststrukturalistische Analyse legt den Schwerpunkt auf den Diskurs sowie auf diskursive und regulative Praxen. Es versucht die Trennung in individuell/gesellschaftlich zu überwinden und zu ergründen, wie die sozialen Welten, die wir bewohnen, und die Möglichkeiten, darin zu existieren, durch Sprechen aktiv zum Leben erweckt werden. Der zentrale Schwerpunkt der feministischen poststrukturalistischen Theoriebildung liegt auf den Prozessen der geschlechtsspezifischen Subjektifizierung. Unter Subjektifizierung verstehen wir die historisch spezifischen Prozesse, in denen man den diskursiven Regimen und Regelwerken unterworfen wird, durch die geschlechtsspezifische Individuen und ihre sozialen Kontexte – im Rahmen desselben Prozesses – gleichzeitig konstruiert werden (Butler 1992; Foucault 1980).

      Feministischer Poststrukturalismus macht insbesondere die binären Oppositionen männlich/weiblich und heterosexuell/lesbisch erkennbar, analysierbar und veränderbar. Er zeigt auf, wie Machtverhältnisse kon­struiert und aufrechterhalten werden, indem sie der dominanten Hälfte des binären Paares Normalität, Rationalität und »Natürlichkeit« zuschreiben und im Gegensatz dazu die andere untergeordnete Hälfte als »anders«, mangelhaft und irrational kennzeichnen. Indem poststrukturalistische Theorie untersucht, wie sich das Soziale in das Individuum einschreibt, und indem sie das Kon­strukt »Individuum«, wie es in den essenzialisierenden Begriffen humanistischer Theorien auftaucht, infrage stellt, zeigt sie auf, wie Macht funktioniert: dass sie uns nicht nur zwingt, auf bestimmte Art zu existieren, sondern diese Seinsweisen als erstrebenswert erscheinen lässt, so dass wir sie ganz aktiv als unsere eigene annehmen.

      Dieser sehr andere Ansatz versetzt »grundlegende Ontologien, Methodologien und Epistemologien« in Unruhe (St. Pierre/Pillow 2000: 2) und eröffnet die Möglichkeit einer anderen Art von Handlungsfähigkeit. Das Subjekt ist nicht nur von außen »eingeschrieben«,, sondern durch aktive Verinnerlichung der Werte, Normen und Sehnsüchte, die es zu einem wieder­erkennbaren, legitimen Mitglied der eigenen sozialen Gruppe machen. In dem Maße, in dem sie (das weibliche Subjekt) aktiv und reflektiert an diesem Prozess mitwirkt, kann sie die Signifikationsprozesse, die ihre Persönlichkeit konstituieren, unterbrechen. Wie Butler es ausdrückt: Das »Subjekt ist weder eine Grundlage noch ein Produkt, sondern die permanente Möglichkeit eines bestimmten Umschreibungsprozesses (resignifying)« (1992: 13).

      Auf diese Weise bricht der poststrukturalistische Feminismus mit Theoriegebäuden, die Geschlecht und Sexualität (gender/sexuality) als unausweichlich darstellen, als von Sprachstrukturen, Sozialstrukturen und Wahrnehmung bestimmt. Er bricht außerdem mit Theoriegebäuden, die Macht so definieren, als könnten bestimmte Gruppen oder Individuen sie besitzen (Foucault 1980). Die Handlungsfähigkeit, die der feministische Poststrukturalismus eröffnet,


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