Geburtsort: Königsberg. Ursula Klein
folgte im Stillen der heilige Schwur: „Ich will das nie wieder machen!“ Mutter war während der Erziehungstortour immer in der Küche, weil sie es nicht mit ansehen konnte, wenn der Vater zu solchen Mitteln griff. Aber manchmal war es schon notwendig, dass die Kinder mit allem Nachdruck auf den Gehorsam aufmerksam gemacht wurden. Und schließlich war bisher noch kein Kind davon gestorben – Schläge waren ein allgemeines Erziehungsmittel.
Krohns Kinder bekamen gar nicht oft solche Erziehungsmaßnahmen zu spüren, denn kleine Zänkereien oder Hänseleien wurden sofort von Mutter geklärt. Hatte aber ein Kind die Unwahrheit gesagt oder war es wiederholt faul gewesen, dann spürten sie Vaters Hand.
Jedoch verging kein Tag, an dem ein Kind bockig oder böswillig ins Bett ging. Das gemeinsame Abendgebet machte allen Kindern durch den Glauben bewusst, dass Jesus auch den schlimmsten Sündern vergab, also auch ihnen. Und mit einem Gute-Nacht-Kuss vom Vater waren Schmach und Schmerz wieder vergessen, aber das Versprechen auf Besserung nicht.
Im Stillen und ganz geheim tauschten die Kinder nach solchen Berührungen mit dem Stock oder dem Riemen gegenseitig die Erfahrungen aus. Hanna wusste aus der Schule, dass in den Wintermonaten der Rohrstock des Lehrers – auf den warmen Ofen gelegt – sehr schnell seine Wirkung verlor, weil er durch das Austrocknen in tausend Stücke zerfiel, sobald er auf den Hosenboden oder die Hände niedersauste. Drohend stellte dann zwar der Lehrer die Frage: „Wer hat das gemacht?“, aber keiner der Kinder meldete sich freiwillig. Jedoch schneller als gedacht, hatte sich der Lehrer einen neuen Rohrstock besorgt und für die nächsten Tage legte er ihn auch nicht während der Pause aus der Hand.
Eine andere, auch ganz gut funktionierende Methode war, dass man unter den Schlüpfer Zeitungspapier legte. Dadurch entstanden nicht so schmerzende Riemen auf dem Hintern und man konnte sich besser wieder hinsetzen, denn sonst tat es höllisch weh. Bei manchen klappte dieser Trick aber nicht, wenn nämlich der Lehrer das zu dicke Polster entdeckt hatte. In solchen Fällen wurde dann kurzer Prozeß gemacht: Hose runter und der Rohrstock tanzte auf dem nackten Hintern.
Eigentlich durfte der Lehrer gar nicht so sehr schlagen, aber wo sollten sich die Kinder schon beschweren? Wenn sie Zuhause ihr Leid klagten, bekamen sie höchstens noch eine Ohrfeige dazu, weil sie nicht aufgepasst hatten.
Die größeren Kinder waren aber auf eine ganz tolle Idee gekommen: Ihr Lehrer schlug nicht auf den Hosenboden, sondern auf die Fingerspitzen.
Das tat furchtbar weh und außerdem konnte der so disziplinierte Schüler nicht mehr gut schreiben. Um den Schmerz besser äußerlich sichtbar zu machen, rieben sich die Kinder – die schon solche Maßnahmen ahnten – die Finger mit Zwiebeln ein. Wenn dann der Lehrer auf die Fingerspitzen einschlug, schwollen sie an und manchmal platzte auch die Haut auf. Wenn das erreicht war, konnte sich der Schüler beim Direktor beschweren. Und das tat gut, denn dann musste der Lehrer zur Schulleitung gehen und sich rechtfertigen. Das konnte natürlich auch weitere Konsequenzen für ihn haben. Der größte Wunsch der Schüler für solch einen Lehrer war, dass er in eine andere Schule versetzt würde.
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So waren schon viele Generationen erzogen worden und die Erfahrungen gingen von Hand zu Hand.
Und es waren langjährige Erfahrungen auf diesem Gebiet, denn Königsberg hatte schon seit 1699 die erste Armenschule, in der nicht nur lesen, schreiben und rechnen gelehrt wurde, sondern auch Hausandachten tägliche Pflichterfüllung waren. Anlässlich der Krönung erhielt die Schule 1701 das Prädikat „königlich“. Später wurde daraus das „Collegium Fridericianum“, allen bekannt als angesehendste aller ostpreußischen Schulen. Die Schulen vor dieser Zeit waren die sogenannten „Winkelschulen“, in denen „Lehrer unterrichteten“, die unausgebildet und desinteressiert waren, da sie nur ein ganz geringes Entgelt für ihre Arbeit erhielten. Doch bereits 1732 wurde die allgemeine Schulpflicht eingeführt und die Prediger für die Qualität des Unterrichts und der Unterrichtenden verantwortlich gemacht. Dadurch bedingt gab es 10 Jahre später bereits 18 Armenschulen, d. h. Volksschulen. Nun wurden auch die Lehrer richtig ausgebildet, und zwar in Deutsch, Litauisch und Polnisch, denn alle Sprachen waren in und um Königsberg gebräuchlich.
Nach diesen grundsätzlichen Anfängen und mit dem geistigen und kulturellen Aufschwung in und um Königsberg wurden noch weitere Bildungseinrichtungen geschaffen. So wurde 1840 die Kunstakademie gebaut, eine Meisterschule des deutschen Handwerks, 1914 das Hufe-Gymnasium, die Burgschule, die Friedrich-Ebert-Schule als Volksschule, die Taubstummenanstalt, die Blindenanstalt, 1930 die Handelshochschule als Mädchengewerbeschule, die im Volksmund „Klopsakademie“ genannt wurde, um nur einige zu nennen.
Die wesentlichste Bildungseinrichtung war und blieb jedoch die Universität, die durch Herzog Albrecht 1544 gegründet worden war. Hier wurden zwar anfänglich für das eigene Land vorwiegend Theologen, Juristen und Ärzte ausgebildet, jedoch wurde sehr schnell besonders über Immanuel Kant der gute Ruf über die Universität verbreitet.
Die Königsberger ehrten ihn durch ein Denkmal am Paradeplatz. Sein Grabmal am Dom ist heute noch ein wichtiges Kulturzeugnis aus dieser Zeit. Aus allen wesentlichen Städten, in denen Universitäten waren, kamen die Professoren zu Vorlesungen und Diskussionen, da hier eine freie und offene Meinungsäußerung die Kultur der Universität kennzeichnete. So setzten Johann Friedrich Herbart, Friedrich Wilhelm Bessel, Felix Dahn, der auch gleichzeitig Dichter war, Wilhelm v. Humboldt, Konrad Lorenz aus Österreich, Walther Ziesemer, Alfred Uckeley, Hans Rothfels und viele andere Gelehrte die Meilensteine für die Entwicklung der Universität und begründeten den Ruf für Königsberg.
Selbstverständlich waren bei den politischen und religiösen Streitgesprächen auch Grenzen gesetzt. So wurde Julius Rupp – ein Divisionsprediger - mehrmals inhaftiert, da er die Forderungen von Kant im Zusammenhang mit der christlichen Humanität predigte und somit nicht im Einklang der Kirche handelte. Um seine Ideen letztlich doch noch durchsetzen zu können, gründete er mit seinen Anhängern die „Freie evangelisch-katholische Gemeinde“, durfte aber keine kirchlichen Handlungen mehr vornehmen.
Bis zur Eingliederung Ostpreußens 1871 in das Deutsche Reich war Königsberg Bildungszentrum für Ostpreußen und natürlich auch Zentrum für die Verwaltung, das Militär und den Handel. Danach kämpfte Königsberg gegen die Zentren anderer deutscher Städte, um nicht zur Provinzstadt herabgewürdigt zu werden. Mit dem Versailler Vertrag und der Abspaltung Ostpreußens vom Deutschen Reich wussten sich die Königsberger mit eigener Kraft wieder Ansehen und Anerkennung zu verschaffen.
Durch die ständig wachsenden Zahlen der Studenten an der Königsberger Universität (1930 waren es über 4000, davon über 700 Frauen) wurde ein neues Gebäude errichtet, da die alten Gemäuer den Erfordernissen nicht mehr genügten. In dieser Zeit war es dann auch, dass Paul Stettiner als Stadtschulrat von Königsberg und treibende Kraft in allen kulturellen Dingen Vorlesungen und deutsche Sprachkurse organisierte. Damit hatte die Universität schon fast Volkscharakter erlangt, da die Litauer, Polen und Russen Deutsch als Umgangssprache brauchten.
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„Anna“, sagte Otto, „am Montag komme ich später nach Hause. Die Gewerkschaft hat im Betrieb einen Aushang gemacht. Sie bietet allen Interessierten einen Vortrag über die Wirtschaft unseres Landes nach dem Krieg an. Ich werde mir das einmal anhören, damit ich weiß, welche Probleme auf uns zukommen können. Vielleicht höre ich auch etwas über unsere Hausfinanzierung, denn wir haben ja noch eine Restschuld des Kredites von unserem Haus.“ „Die werden dir aber nicht sagen, wovon wir den Kredit bezahlen sollen, wenn du arbeitslos wirst, wenn die Mieteinnahmen weiterhin staatlich gelenkt werden und nicht erhöht werden dürfen, wo doch jetzt schon alles immer teurer wird. Aber geh` nur hin – vielleicht erfährst du ja etwas Interessantes.“
Hanna hatte zwar gehört, worüber sich die Eltern unterhalten hatten, aber den Inhalt hatte sie nicht verstanden. Was hatte der Hauskredit vom Vater mit einer Versammlung zu tun? Aber Mutter und Vater wussten ja immer Rat, also brauchte sie sich keine Gedanken darüber zu machen.
Als Otto nach Arbeitsschluss in die Eingangshalle kam, war sie schon fast überfüllt. Jeder, der sich einen Stuhl aus dem Betrieb organisiert hatte, konnte sich setzen, die anderen standen dichtgedrängt. Alle Männer – Frauen gab es kaum im Betrieb – unterhielten sich angeregt