Der Akron Tarot. Akron Frey
wir uns allen Alles dabei.
Die Entwicklung des Tarots
Der Tarot gilt heute als Orakel und spiritueller Weg zugleich. Die Karten entsprechen nicht nur den Seelenarchetypen, die wir in uns tragen, sondern unterliegen auch einem System, das in den vier Sätzen der Kleinen Arkana und vor allem den Trümpfen der Großen Arkana die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins vom Urknall bis zur Vollendung zeigt. Sie bebildern die notwendigen Transformationsstationen, die wir durchlaufen müssen, um in den Zustand der Vollkommenheit zu gelangen. Somit bietet die Ziehung neben den Tendenzen für die Zukunft in erster Linie wertvolle Hinweise für die eigene persönliche Entwicklung, indem sie innere Seelenprozesse durch die entstehende Komposition der Karten sichtbar macht.
Die Struktur der Karten
Eine Vielzahl von verschiedenen Tarotdecks, die heute auf dem Markt erhältlich sind, richten sich in Bedeutung und Aufbau im Wesentlichen nach den drei bekanntesten Tarotspielen: dem Tarot de Marseille, den Rider-Waite-Karten und dem Thoth-Tarot von Aleister Crowley. Diese Decks bestehen aus 22 großen Trümpfen, die in archetypischen Bildern den menschlichen Einweihungsweg nachstellen, sowie 56 weiteren Karten, die in vier Sätze zu je 14 Karten aufgeteilt sind. Sie folgen in ihrer Auslegung der hermetischen Tradition und gelten als Träger verschiedener Geheimlehren wie zum Beispiel der Magie, Hermetik, Theosophie oder dem Sepher Jezirab, dem Herzstück der Kabbala. Diese bezieht sich grob vereinfacht auf die Schöpfungsgeschichte und ihre ewigen Gesetze, die in die 32 Pfade der Weisheit, also in die zehn Sephirot und die die Sephirot miteinander verbindenden 22 Pfade, gegliedert werden. Die Sephirot stehen für die Emanation des Göttlichen und sind mit bestimmten Wirkungen und Eigenschaften belegt, die in ihrer Gesamtheit den vollkommenen, göttlichen Menschen zeigen. Die 22 Pfade, die analog zu den 22 hebräischen Buchstaben die Verbindung der Sephirot untereinander als Entwicklungswege zur Vollkommenheit repräsentieren, entsprechen den 22 Trümpfen, während die Kleinen Arkana in vier Sätze à zehn Zahlkarten und vier Hofkarten aufgeteilt sind. Die zehn Zählkarten eines jeden Satzes verlaufen analog zu den zehn Sephirot, während die vier Sätze die vier magischen Waffen - Stäbe, Kelche, Schwerter und Münzen - darstellen, die sowohl den vier Elementen Feuer. Wasser, Luft und Erde entsprechen wie auch dem hebräischen Tetragrammaton (Buchstabenkombination für Jahwe), Der Name Gottes durfte bei den Kabbalisten nicht ausgesprochen, sondern nur buchstabiert werden. Diese vier Buchstaben Jod—He—Vau—He wurden erstmals im 19. Jahrhundert den Elementen zugeordnet. Als Personenkarten schließen sich pro Satz jeweils vier Hofkarten an, die ebenfalls nach Elementen konfiguriert sind und verschiedene menschliche Charaktere darstellen: Die Könige oder Ritter entsprechen der Feuerenergie (Jod), die Königinnen dem Wasser (He). Prinzen symbolisieren die Luft (Vau) und die Prinzessinnen oder Pagen illustrieren die Erde (He).
Die Ursprünge
Die Verbindung des Tarots mit Weisheitslehren oder alten Mysterienpfaden existiert noch nicht so lange, denn ursprünglich wurde er als gewöhnliches Kartenspiel genutzt. Eines der hartnäckigsten Gerüchte besagt, dass die Karten ursprünglich aus Ägypten stammen, und ist auf Court de Gébelin (1719-1784) zurückzuführen. Erste schriftliche Erwähnungen gehen ins 14. Jahrhundert zurück, es gibt allerdings keine gesicherten Hinweise darauf, dass die Spielkarten zum Orakeln oder zu etwas anderem als zum Spielen benutzt worden sind. Trotzdem fanden sie eine schnelle Verbreitung. Als ältestes Deck gilt der italienische Visconti-Sforza-Taroccbi-Kartensatz aus dem 15. Jahrhundert. Das Wort taroccbi wurde in Italien ab dem 16. Jahrhundert für Karten benutzt. Der französische Begriff Tarot entstammt der italienischen Bezeichnung, wurde ins Englische übernommen und ist heute der allgemein verwendete Begriff.
Tarot als Einweihungsweg
Der Papst
Ihren Anfang nahm diese Entwicklung 1781 in einem Pariser Salon, in dem der Gelehrte Antoine Court de Gébelin das Tarocchi-Kartenspiel kennen lernte. Es war der Tarot de Marseille, der ihn zu der Erkenntnis veranlasste, es könne sich hierbei nicht nur um gewöhnliche Karten handeln. So glaubte er in den Bilderwelten der Trümpfe alte verborgene Erkenntnisse des Altertums, das so genannte Buch Thoth, zu entdecken. Jene geheimnisvolle Schrift galt unter Freigeistern als Wiege der Weisheit und verschlüsselte Bildersprache, die die geheimen Lehren dieses ägyptischen Gottes in Symbolen und Allegorien offenbarten. Thoth, der nach der gegenseitigen Beeinflussung der griechischen und ägyptischen Kultur eine Symbiose mit Hermes einging und zu Hermes Trismegistos, dem dreifach großen Hermes, wurde, spielte nicht nur in der Mystik des Altertums, sondern auch in den Geheimlehren des gesamten Abendlandes eine tragende Rolle. Ihm wurde die Erfindung des Wortes zugeschrieben. Weiterhin galt er als Gott des Mondes, der Zauberei und gleichzeitig auch als Seelenbegleiter, der die Einweihung in die verborgenen Mysterien gewährte, was nach Auffassung der Autoren auch ein Hinweis darauf sein könnte, dass er ursprünglich der alten dreifaltigen Göttin entsprang. Als Gott der Magier finden wir ihn im Trumpf I der Großen Arkana versinnbildlicht. Seine Werke sind vielfältig, und die okkulten Mysterien, deren Wissen ihm zugeschrieben werden, tauchen in der abendländischen Kultur als Geheimlehren immer wieder auf. Ihren Höhepunkt hatte die Hermetik in der Renaissance und Reformation, in der Denker wie Agrippa (1486-1535) oder Paracelsus (1493-1541) unter ihrem Einfluss standen. Danach wurde sie zur Randerscheinung, bis Court de Gébelin ihre mystische Weisheit wieder entdeckte und mit dem Tarotspiel in Verbindung brachte. Er glaubte auch zu wissen, dass der Tarot aus Ägypten stammte und von den Zigeunern nach Europa gebracht worden war. Ebenso schuf er die Verbindung zwischen der Großen Arkana und der jüdischen Religion, indem er feststellte, dass die großen Trumpfkarten eine bildhafte Entsprechung der 22 hebräischen Buchstaben waren, eine Behauptung, die später bei nachfolgenden okkult engagierten Gelehrten, Mystikern und Magiern reichlich Früchte tragen sollte und heute noch die spirituelle Betrachtungsweise der Karten tief beeinflusst, auch wenn sämtliche von Court de Gébelin aufgestellten Behauptungen aus heutiger Sicht zumindest als sehr fragwürdig erscheinen. Eine Erklärung seines ausgeprägten Sinnes für Eingebungen und Visionen mag die von zwei gegensätzlichen Strömungen geprägte Zeit sein, in der er lebte. Auf der einen Seite bildete sich der Siegeszug der Aufklärung und des Materialismus in Form der industriellen Revolution, und auf der anderen entfaltete sich eine immer stärker werdende Hinwendung zu Mystik und spiritueller Sinnsuche. Gébelin gehörte zu jenen Pionieren seiner Epoche, die dem Glauben frönten, man könne die materielle Welt nicht erobern, wenn man ihr tiefstes Wesen und das innere Wirken nicht begriffen hätte. Aus dieser Haltung schaffte er den Spagat zwischen den beiden Welten der Mystik und Ratio, indem er den Fortschritt mit klassischem Altertum zu verknüpfen suchte und damit einer der Vorreiter der Idee wurde, der Gesellschaft das verborgene oder verloren gegangene Geheimwissen wiederzubringen. So legte er nicht nur die Grundlage für den Tarot als spirituellen Einweihungsweg, sondern war mit seinem Bedürfnis, den Menschen die alten Weisheitslehren wieder zugänglich zu machen, zugleich auch einer der geistigen Väter der heutigen esoterischen Bewegung. Die Gegenströmung zum Rationalismus gewann in der ersten Hälfte des anbrechenden 19. Jahrhunderts immer mehr an Macht. Während im Sturm und Drang-Deutschland Goethe seinen von hermetischem Gedankengut durchtränkten Faust zu Papier brachte und Geheimgesellschaften wie die Rosenkreuzer oder Freimaurer aus dem Boden schossen, nahm auch das Wahrsagen mit Spielkarten an Beliebtheit ungeheuer zu. Zurückzuführen war dies unter anderem auf die berühmte Wahrsagerin Madame Lenormand (1772-1843), die das Kartenorakel aus dem verpönten Dunstkreis der Hinterhöfe in den Fokus der guten Gesellschaft brachte. Diese Sitten missfielen einem gewissen Abbé Alphonse Louis Constant (1810-1875), der sie in einem 1853 erschienenen Zeitungsartikel aufs Schärfste monierte. Darin beklagte er den Verfall der wahren Weisheit des Gottes Thoth zu Zigeuner- und Wahrsagekarten. Später nannte er sich