Die 8te Pforte. Akron Frey

Die 8te Pforte - Akron Frey


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sind vom gleichen Fleisch und Bein“, entgegnete Niemand.

      „Trotzdem habe ich das Gefühl“, sagte ich, von meinen eigenen Worten überrascht, „dass an deiner Geschichte irgendetwas nicht stimmt. Irgendwie fehlt mir der Zusammenhang. Worum geht es? Was verschweigst du mir? Irgendwie ergeben deine detaillierten Aussagen keinen Sinn.“ Ich wollte nicht mehr länger verdrängen. Ich war jetzt bereit, die andere Welt in meinem Inneren zu empfangen. Dann schloss ich die Augen.

      „Du hast Recht! Lüge und Wahrheit unterscheiden sich oft nur aus der Sicht, aus der wir sie betrachten“, pflichtete er mir bei. „Es ist eine alte Geschichte, und sie ist wie ein böser Fluch.“

      „Jaja, die entscheidenden Dinge sind oft verblüffend einfach“, erwiderte ich schon halb in Trance. Es war der seltsame Hauch, der vom Boden aufstieg, als ich zur Pforte an der Schwelle der Erinnerung lief und die alte Welt hinter mir zurücklies, jetzt erinnere ich mich wieder …“ Und mit einem Mal war mir klar, dass ich an seinen Gedanken teilhatte, denn ich kannte die Geschichte, wir hatten sie schon oft zusammen geträumt …“

      „Es ist nicht leicht“, entgegnete er, „die richtigen Worte für etwas zu finden, was man nur in aussergewöhnlichen Phasen fühlen kann. Aber jetzt stehst du exakt an der Schwelle und bist eben im Begriff, in meine Geschichte einzutreten, die dadurch zu deiner eigenen wird. Versuch aber nicht zu ergründen, was ich dir künde. Sei offen und lass dein Herz atmen. Dann wirst du verstehen.“

      „Ist das der Übergang?“ Einerseits fühlte ich seine Hand immer noch auf meiner Schulter, gleichzeitig hatte ich aber ein völlig anderes Bild und mir war, als ob ich in einem fremden Traum einen eigenen, wichtigen Lebensabschnitt betrat. Irgendwie existierte die Szene gar nicht wirklich, sondern umkreiste in einer unbeschreiblichen Gebäre das numinose Nichts, von dem meine begriffliche Welt nur ein Teil und meine Suche nach mir selbst wiederum ein noch kleinerer Ausschnitt ist. Mein einziger Halt war die innere Ahnung, dass ich in meinen eigenen Empfindungen, was auch immer passiert, ich selbst bin, und dass ich seinen Worten glauben konnte, auch wenn sie für meinen Verstand nicht leicht zu verstehen waren, denn irgendwie flossen sie aus mir.

       Es war vor langer, langer Zeit“, fing er mit seiner Geschichte an, während der Mond seinen leuchtenden Schimmer über die ganze Landschaft streute und die alten Bilder aus den versunkenen Stuben meiner Träume scheuchte, „als ich noch als Mensch auf Erden wanderte, nur von meiner inneren Stimme geleitet, die mich führte und jeden meiner Schritte prüfte. Es ging aber nicht nur um den Weg des Wissens, sondern auch um Erkenntnis und Weiterentwicklung all dessen, was ich liebte. Ich hatte in jener Zeit viel nachgedacht: Über die geistigen Kräfte, die in mir wirkten, über das Reich der Geister, das sich mit der Welt der Menschen ab und an in den Träumen vermischte und vor allem über die Liebe, die Menschen oft verführte.“

       „Wessen Stimme?“, wollte ich wissen, denn der Wille hinter seiner inneren Führung schien mir nicht unvertraut. „Was waren das für geistige Einflüsse? Wurdest du von den Göttern geführt?“

      „Ich wurde – ähnlich wie du – von meinem inneren Herrn Jedermann begleitet“, antwortete er mir, „eine Art Quasi-Seelenführer oder ein Teil von mir selbst. Denn ich hatte niemanden sonst, mit dem ich mich verstand. Es gab zu jener Zeit zwar viele andere geistige Begleitwesen, mit denen ich mich aber schlecht unterhielt, denn es waren keine, mit denen ich mich hätte tiefer austauschen wollen. Nur meine innere Stimme war immer da. Anfänglich dachte ich noch, ob ich nur ein Spielball meiner eigenen Erfahrungen wäre, ein willenloses Werkzeug, doch mit der Zeit entwickelte ich ein grosses Vertrauen zu der inneren Kraft und ich musste mir eingestehen, es gab für mich keinen besseren Begleiter auf diesem Weg.“

       „Das war eine sehr mutige und auch recht abenteuerliche Einschätzung von dir. Die moderne Psychologie würde behaupten, du wurdest von einem abgespaltenen inneren Teil dirigiert“, warf ich ein. Aber ich hätte da noch eine Frage: „Ist Herr Jedermann für dich das, was du für mich bist: Niemand?“

       „Mag sein“, erwiderte er. „Doch wer ist der, der glaubt, solche Kräfte benennen zu können? Nur weil Menschen solche Phänomene genau untersuchen und aus ihrer Verstandessicht zu einem verbindlichen Urteil kommen, heisst das noch lange nicht, dass solche Erkenntnisse richtig sind.“

       „Da stimme ich dir zu“, lenkte ich ein. „Solche geistigen Wesenheiten sind oft viel mehr als nur abgespaltene innere Anteile.“

       „Wenn du deine Empfindungen jetzt alle losgeworden bist und es dir hier auch recht ist“, spottete er in einem überaus freundlichen Ton, „dann würde ich meine Erzählung gerne hier fortsetzen wollen.“ Er hielt einen Moment inne und ich spürte eine sanfte Melancholie: „Ich hatte auf meinem Weg, wie schon angedeutet, sehr viel nachgedacht. Über den Weg, die Aufgabe und auch den Zweck und das Ziel, die meiner harrten. In der Zwischenzeit bemühte ich mich, die Beziehung zu Herrn Jedermann zu festigen, denn ich war entschlossen, das Geheimnis zwischen uns beiden zu lüften.“

       „Sicher ein löblicher Versuch“, sagte ich höflich und schmunzelte leise.

       „Und während ich mich mit meiner inneren Stimme beschäftigte, kam ich auf meiner Wanderung auch an die Unterweltsschwelle, aus deren Spalten es heftig rauchte und zischte“, setzte er seine Schilderung unbeirrt fort. „Während ich mich neugierig umschaute, begann es im gleichen Atemzug nach süsslichen Exkrementen zu stinken und ich hielt mir angewidert die Hand vor den Mund. Doch was war das? Irgendwie fühlte ich mich plötzlich beobachtet und Herr Jedermann liess plötzlich eine Saite in mir anklingen, die ich lange nicht mehr vernommen hatte. Gleichzeitig beäugten mich zahlreiche Blicke, denn als ich mich umsah, konnte ich erkennen, dass ich an der Pforte der libidinösen Unterwelt stand, der Hölle der unerlösten Liebessehnsucht, während dem mich Herr Jedermann aufklärte: Es seien dies die geistigen Blicke der abgeschiedenen Verführerinnen, die seit Urzeiten den Eingang zur Liebeshölle bewachten und eifersüchtig und unerlöst auf die männlichen Neuankömmlinge blickten.“

      Einen Moment lang hielt er inne und auf einmal stürmte die Erkenntnis seiner Worte mit aller Gewissheit auf mich ein, als er weitersprach: „Für mich war das ein erster finaler Höhepunkt. Ich hatte damals den magischen Weg zum ersten Mal durchlaufen und hatte irgendwie das Gefühl, als müsse ich der Mutter noch etwas beweisen. Als müsse ich am Ende meines Weges noch ungestraft die Liebeswelt durchdringen, um zu zeigen, dass ich das Menschsein überwunden hatte und für alle Verlockungen der Sünde nicht mehr empfänglich war.“

       „Das ist eine wahrlich kultig-verrückte Reise, von der du mir da berichtest“, stiess ich hervor, „eine richtige Initiation.“

       „Das ist erst der Anfang. Mein innerer Jedermann wies mich an, noch tiefer in das kosmische Gedächtnis einzudringen“, erzählte er weiter. „Doch der Weg ist gefährlich, sehr gefährlich“, sein stimmlicher Ausdruck wechselte die Tonlage und wurde mit einem Mal ziemlich grimmig, „denn die Augen dieser verführerischen Sünderinnen bewachen, wie gesagt, diese mörderische Schwelle, die Liebende nur einmal im Leben betreten können. Die Liebe verschlingt sie und gebiert sie neu.“

       „Liebe? Welche Liebe?“ Ich hob meinen Blick und schaute ihm direkt in die Augen. „Und wozu?“

       „Wenn du die Liebeswelt betrittst, begegnest du immer auch dem unsichtbaren Teil der Grossen Mutter. Jeder Liebesfunke ist ein Teil von ihr“, verkündete er mir mit einer grossen Geste. „Sie ist die Grundlage, auf der alles gedeiht. Alle sind ein Stück von ihr mit Leib und Liebe, und sie sind nur lebendig, wenn sie von ihrem Bild beseelt werden.“

       „Dann bist du in der Seelenwelt deinem


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