Das große Littlejohn-Kompendium. John Martin Littlejohn
umfasst 130 von ihnen. Die Arbeit in diesem Semester schreitet gegenüber den bisherigen stetig fort. Demonstrationen der Anatomie, Geburtshilfe und der Histologie bzw. Pathologie sowie mikroskopische Schnitte werden im Unterricht per Laterna magica55 gelehrt und besprochen. Die Ernährungslehre wurde hinzugefügt, sodass die Studenten eine korrekte Anschauung der Ernährung im Allgemeinen und die Anwendung der Ernährungsprinzipien in Gesundheit, Krankheit und Erholung gewinnen. Die osteopathische Therapie, jener so bedeutende Teil der osteopathischen Arbeit, wird in kleinen Abschnitten und unter persönlicher Anleitung jedem einzelnen Studenten vermittelt.
Andere Schulen behaupten, dass sie überlegene Fähigkeiten besäßen und überlegene Kurse gäben. Unsere Schule versucht nicht, andere Schulen und deren Methoden zu kritisieren. Sie beansprucht lediglich, die erste Schule des ursprünglichen Gründers der Wissenschaft der Osteopathie zu sein, deren Präsident er gegenwärtig ist. Dr. A. T. Still ist der Gründer der Osteopathie und Vater des Organisationsplans der American School. Das Ziel von Dr. A. T. Still, seinen Söhnen und der Mitglieder der Fakultät besteht darin, die Osteopathie in ihrem ganzen Umfang zu lehren. Sie erkennen, dass dabei der Anfang mit Chemie, Anatomie und Physiologie gemacht werden muss, sodass der Student durchgehend mit dem menschlichen Körper in seinen winzigsten Strukturen und funktionellen Beziehungen vertraut wird. Damit sind sie in der Lage, den Körper osteopathisch so zu untersuchen, wie ein Mechaniker einen Mechanismus untersuchen würde, um den Zustand des Körpers zu diagnostizieren, und die Vorsorge und Therapie der Natur bei der Normalisierung des belebten menschlichen Mechanismus anzuwenden.
Obgleich diese Schule die Osteopathie unterrichtet, akzeptiert sie, dass die Studenten die osteopathischen Maßnahmen nicht ohne ein angemessenes Wissen über Anatomie, Histologie, Chemie, Physiologie, Pathologie, Symptomatologie, Ernährung, Psychologie und Chirurgie anwenden können. Einige Colleges behaupten, das Erlernen osteopathischer Techniken für eine osteopathische Ausbildung genügt. Jedermann weiß aber, dass dies erst nach Erlangen eines gründlichen Wissens im Bereich Anatomie und Physiologie des Körpers möglich ist. Es ist schlicht unmöglich, etwas zu praktizieren, das man nicht wirklich verstanden hat. Zwei Semester, angefüllt mit theoretischer und praktischer Arbeit, die auf einer durchgehenden Erfassung der Anatomie und Physiologie des Körpers gründen, repräsentieren die echte Osteopathie, im Gegensatz zum Besuch von Kurzausbildungen, in denen lediglich mechanischer Aktionismus, ohne vorbereitende Kenntnis und entsprechende Einweisungen, vermittelt wird.
Geschäftlich lohnt sich die Osteopathie aufgrund der hohen Nachfrage. Dies hat dazu geführt, dass vergleichsweise wenig Graduierte seriöser Colleges praktizieren. Der Markt wird von Fälschungen überschwemmt, die jedoch beim Erscheinen der ‚echten‘ Osteopathen verdrängt werden. Da die Menschen letztlich doch immer zu den qualifiziertesten Praktikern gehen, wird an dieser Schule folglich der Grundstein sowohl für Ihre beruflich, als auch Ihre finanzielle Sicherheit gesorgt. Sogar die Ärzte der alten Schule kommen, um einen Kurs für Postgraduierte in Osteopathie zu belegen, weil sie erkennen, dass sie mit dem Fortschritt der Wissenschaft und der Heilkunst Schritt halten müssen, um Erfolg zu haben. Keine Profession bietet vergleichbare Anreize für die heutigen Männer und Frauen wie die Osteopathie.
ABB. 6: JOHN M. LITTLEJOHN AM SCHREIBTISCH IN KIRKSVILLE (1898)
Unmittelbar nach Amtsantritt in Kirksville im Jahr 1898 beginnt Littlejohn mit vertieften medizinischen Studien und seinen bis heute unerreichten publizistischen und lehrenden Aktivitäten. Er zeichnet nicht nur verantwortlich für die Etablierung vier der bedeutendsten Fachzeitschriften seiner Zeit und die Anhebung des Ausbildungsstandards weit über universitäre Vorgaben, sondern bereist schon 1898 Europa, um dort die Osteopathie vorzustellen. Schließlich gründet er 1917 mit der British School of Osteopathy die erste Osteopathieschule außerhalb der Vereinigten Staaten überhaupt.
WAS DIE OSTEOPATHIE IST
Die Osteopathie ist eine Wissenschaft bzw. Methode, um Krankheiten zu behandeln, die zuerst von Dr. A. T. Still 1874 entdeckt wurde. Dr. Still schloss,
„[…] dass ein natürlicher Blutfluss Gesundheit ist; dass Krankheit die Wirkung einer lokalen oder allgemeinen Störung des Blutes ist; dass die Erregung der Nerven die Muskeln dazu veranlasst zu kontrahierten und den venösen Fluss des Blutes zum Herzen einzuengen; und dass die Knochen als Hebel benutzt werden können, um den Druck auf Nerven, Venen und Arterien zu erleichtern.“ 56
Das geltende Recht von Missouri, Vermont, Nord und Süd Dakota, Michigan, Iowa, Illinois und Tennessee erklärt die Osteopathie zu „[…] einem System, einer Methode oder Wissenschaft des Heilens.“
ABB. 7: AMERICAN SCHOOL OF OSTEOPATHY – DIE ERSTE OSTEOPATHIESCHULE (1894)
In diesem Gebäude unterrichteten A. T. Still und W. Smith die erste Osteopathieklasse.
Die Osteopathie ist für immer mit dem Namen von Andrew Taylor Still verbunden. Dr. Still war ehemals allopathischer Arzt und Chirurg in der Bundesarmee. Vor über 40 Jahren erkannte er, dass die gewöhnlich verwendeten Heilmittel bei der Behandlung von Krankheiten unzureichend waren. Dann formulierte er die Anschauung, dass das menschliche System eine von ihrem Schöpfer vollkommen gestaltete Maschine sei. Sofern diese Maschine in einem Zustand angemessener Anpassung gehalten werde, sei sie fähig, mit der Zeit Schritt zu halten und eine längere Periode der Existenz zu bestehen. Nachdem er vier Kinder trotz der besten Kunstfertigkeit und Medikamentengabe aufgrund spinaler Meningitis verloren hatte, suchte er in der Natur Trost für sein trauerndes Herz und fand in den Knochen das Rohmaterial für den Aufbau seiner Wissenschaft. Er stellte fest, dass im Kontext der skelettalen Struktur nahezu beliebig Manipulationen durchgeführt werden konnten, um sämtliche Organe zu stimulieren und in ihre Funktionen zu normalisieren. Nachdem er für mehrere Jahre am Experimentiertisch der Natur gearbeitet hatte, schloss er, dass er eine neue Wissenschaft gefunden habe – und diese neue Wissenschaft des Heilens nannte er Osteopathie.
Das Grundprinzip der Osteopathie besteht darin, dass sämtliche Körpergewebe und Strukturen in einem gesunden Organismus kontinuierlich verbunden sind. Daher verwendet die Osteopathie das knöcherne Rahmenwerk diagnostisch, um physische Referenzpunkte zu finden und dislozierte Teile des Körpers anzupassen. Dr. Still zufolge dienen die Knochen bei der Manipulation lediglich als Medium der therapeutischen Aktion.
ABB. 8: ERSTE OSTEOPATHIEKLASSE (1894)
Die erste Osteopathieklasse bestand überwiegend aus den Familienmitgliedern von Still und einigen seiner ehemaligen Patienten.
Die wesentlichen Prinzipien der Osteopathie sind als zweifache Regel aufgestellt:
(1)„Gesundheit ist natürlich. Krankheit und Tod zwischen Geburt und natürlichem Tod sind unnatürlich.“
(2)„Alle körperlichen Störungen sind das Ergebnis mechanischer Behinderung des freien Kreislaufs vitaler Flüssigkeiten und Kräfte.“
Die Osteopathie hat das experimentelle Stadium verlassen. Sie ist jetzt ein bewiesenes System der Heilung. Und der osteopathische Kliniker belegt dies mit seinen Ergebnissen als einziger Rechtfertigung. Die Osteopathie erzielt diese Ergebnisse, weil sie eine Natur verwendet und unterstützt, der eine besondere Kraft innewohnt. Und diese Kraft der Natur ist die heilsamste, weil sie natürlich ist.
ABB. 9: FAKULTÄT DER A.S.O. (1895)
Wie bei den ‚Knochensetzern‘ üblich, übernahmen v. a. die Kinder von Still den Unterricht der nachfolgenden Klassen.
Entsprechend sind auch die Kräfte des Körpers gleichermaßen regenerativ, sodass aus osteopathischer Sicht weder Massage, noch Medikamentengabe noch irgendeine Art künstlicher Behandlung erforderlich