Die gesammelten Schriften von Viola M. Frymann, DO. Viola M Frymann
„eingestimmt“ sind.
Mit dem Schließen der Augen werden äußere, ablenkende Stimuli reduziert und es ist einfacher, die erforderliche intensive Konzentration aufzubringen. Halten Sie diese Konzentration für mindestens fünf Minuten aufrecht und erforschen Sie die innere Funktion der Extremität unter Ihrer Hand. Erinnern Sie sich, dass bei dem Untersuchten keine nach außen hin sichtbare Bewegung der Arme auftritt. Während Sie die inneren Aktivitäten untersuchen, achten Sie hin und wieder auf die Aktivität in Ihrer eigenen Hand, im Handgelenk, Unterarm und Schulter. Beeilen Sie sich bei dieser Wahrnehmungsübung nicht. Braucht das Einstimmen schon seine Zeit, erfordert die Wahrnehmung und das Analysieren noch bedeutend länger.
Warum liegt die inaktive Hand auf dem Tisch? Zum Vergleich. Sie hilft dem Studenten, eine Region mit Bewegung von einer bewegungslosen Region zu unterscheiden.
Im zweiten Schritt wird das Sakrum untersucht. Der Patient befindet sich in Rückenlage, entspannt und bequem. Der Student lässt seine rechte Hand unter das Sakrum gleiten, die Fingerspitzen an der Sakrumbasis, der Daumen und kleine Finger jeweils über dem linken und rechten Iliosakralgelenk, das Steißbein ruht im Handballen. Unterarm und Ellbogen des Studenten ruhen bequem auf der Liege. Ist der untersuchende Student groß wird er entspannter sein, wenn er seitlich neben der Liege sitzt. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und machen Sie es sich in Ihrer Position bequem. Schließen Sie die Augen und konzentrieren Sie sich auf die Empfindungen Ihrer Hand. Spüren Sie irgendeine Aktivität an bzw. in ihr? Gibt es irgendeine Bewegung im Zusammenhang mit der Atmung? Falls ja, bitten Sie den Patienten, den Atem anzuhalten und beobachten Sie mit Ihrer Hand, was passiert. Die wahrzunehmende Bewegung bei angehaltener Atmung wurde mit dem sanften Rollen eines verankerten Bootes auf ruhiger See verglichen. Können Sie, wenn der Patient wieder und weiter atmet, die zwei festgestellten Bewegungen unterscheiden? Welche Veränderungen geschehen in der Muskulatur in Hand und Arm des Untersuchers, um die eine oder andere Bewegung wahrnehmen zu können? Nehmen Sie sich, wie bei der ersten Übung, auch für diese viel Zeit. Sowohl Dr. Still als auch Dr. Sutherland haben sich häufig länger mit der tiefgehenden Untersuchung der Gewebe eines Patienten beschäftigt. Was brauchen wir noch, um auf die Gewebe eingehen zu können und bis wir das, was sie uns mitteilen, verstehen?
Zusätzlich zu den beiden in diesem Kapitel beschriebenen praktischen Übungen sollte jede Übungseinheit eine Phase enthalten, in der frühere Übungen wieder aufgegriffen werden. Dazu zählt insbesondere die Palpation eines exartikulierten Knochens mit verbundenen Augen, des gleichen Knochen in situ am lebenden Menschen, mehrerer unbelebter Objekte verschiedener Textur, Form etc. und verschiedene Regionen am lebenden Organismus.
(Falls sich die Gelegenheit ergibt, palpieren Sie Gewebe von Tieren und stellen Sie Unterschiede zu den menschlichen Geweben fest.)
Diese Übungen sind ein äußerst wichtiger Auftakt für das Studium der Kunst der Osteopathie. Sie wurden zur Ausbildung der Instrumentarien entwickelt, die für den osteopathischen Wissenschaftler und Künstler unverzichtbar sind.
Teil IV
„Das Gefühl der Gewebe sticht wie ein Leuchtfeuer hervor, vorausgesetzt wir haben den taktilen Sinn gründlich entwickelt und wissen die Befunde zu interpretieren. Diese Befunde sind genauso Teil der Realität wie objektive Manifestationen, etwa individuelle Symptome oder Laborergebnisse.“ (Carl P. McConnell12)
Im Verlauf der Palpationsuntersuchungen wird ein Fortschritt deutlich, von der palpatorischen Differenzierung, bei der eine unbelebte Substanz von einer anderen unterschieden wird, über die dimensionale Differenzierung mittels Palpation, bei der eine Form von einer anderen unterschieden wird, bis hin zur palpatorischen Wahrnehmung der Motilität, welche die physiologischen Qualitäten eines lebenden Organismus von einem anderen unterscheidet.
Jetzt ist es unser Ziel, uns tiefer mit den physiologischen Manifestationen zu beschäftigen und zu beleuchten, wie sie mit der trainierten, sensitiven Palpation erforscht werden können. In keinem Bereich menschlichen Bestrebens ist das alte Kindheitsaxiom wichtiger „Übung macht den Meister!“ McConnell schrieb 1924: „Hierin liegt die mögliche Finesse ätiologischer, pathologischer, diagnostischer, prognostischer und therapeutischer Befunde, der man sich allgemein nicht mit einer anderen Methode, Messung oder einer Methodenkombination nähern kann. Und immer noch ist jeder und sind alle von uns noch weit, sehr weit vom Anfang entfernt, selbst das meiste herauszuholen.“13
H. V. Hoover versuchte bei seiner Darstellung der Funktionellen Technik den Osteopathen mit den inhärenten dynamischen Qualitäten des menschlichen Mechanismus vertraut zu machen.14 Rollin Becker beschrieb in seiner Studie über Schleudertraumata die Reaktionen dieses dynamischen Mechanismus auf die Verletzungen von außen und wies darauf hin, was zur Wiederherstellung der normalen physiologischen Aktivität dieses Mechanismus getan werden muss.15 In ihrer Publikation The Expanding Osteopathic Concept16 stellte die Cranial Academy die physiologischen Mechanismen und deren strukturelle Basis einzeln dar, bevor sie Beispiele der komplexen Störungen lieferte, die sie kollektiv beeinflussen und simultan mehrere klinische Manifestationen auslösen.
Es ist wichtig, intellektuell zu verstehen, wie diese physiologischen Funktionen wirken und was passieren kann, wenn sie durcheinander geraten. Allerdings ist es jedoch etwas vollkommen anderes, selbst in der Lage zu sein, die Hände auf den Patienten zu legen, die Natur und das Ausmaß der Desorganisation zu analysieren und zu wissen, was getan werden kann, um die normale, unbehinderte, rhythmische Physiologie wieder herzustellen. Unsere Aufgabe besteht zunächst darin, zu wissen, was den Geweben unter unseren Händen passiert ist und passieren wird, daraufhin zu wissen, was dafür getan werden kann und schließlich, die entsprechenden Maßnahmen durchzuführen.
Für die weitere Erörterung dieser tiefgehenden Thematik wird das Thema in drei Abschnitte geteilt. Jeder Teil steht mit den anderen beiden in Verbindung und jeder ist tatsächlich ein integraler Bestandteil des Ganzen. Im letzten Kapitel wurde die vom menschlichen Wahrnehmungsapparat durchgeführte Selektivität beschrieben und die Aufmerksamkeit auf die Unfähigkeit des Bewusstseins gelenkt, mehr als eine Manifestation auf einmal zu untersuchen. So verhält es sich auch bei dem Studium der inneren Rhythmen.
Die Unterteilungen sind:
A. Inhärente innere Motilität
B. Spontane äußere Bewegung
C. Im Inneren eingeschlossene Kräfte und ihr Release
A. Inhärente innere Motilität
Die inhärente Motilität der Herzmuskulatur, genauer gesagt deren Kontraktilität, die einen rhythmischen Kontraktions- und Entspannungszyklus ausführt, solange wie der Mensch lebt, ist ein allgemein akzeptiertes physiologisches Konzept. Die rein muskulären rhythmischen Kontraktionen sind in der vierten Woche der Fötalentwicklung feststellbar.17 Die inhärente Motilität der Gastrointestinalmuskulatur ist ein weiteres, allgemein akzeptiertes, physiologisches Konzept. Die inhärente Motilität des Zentralen Nervensystems ist uns weniger vertraut, da sie der direkten Beobachtung weniger zugänglich ist. Sie wurde jedoch beobachtet und deren strukturelle Basis wurde vor Kurzem enthüllt.18 Gehirn und Rückenmark stehen über Nervenbahnen mit fortschreitend feinerem Durchmesser in unmittelbarer Kommunikation mit den äußersten Grenzen des Körpers. Gehirn und Rückenmark werden von der Zerebrospinalen Flüssigkeit umgeben, umspült und ernährt, die über die perineuralen Lymphbahnen und Kollagentubuli des Bindegewebesystems in engem fluidem Kontakt mit jeder Zelle im Körper steht.19 Die rhythmische Bewegung, die im Unterarm und in der Schaukelbewegung des Sakrum zu fühlen waren, sind nur Projektionen der inhärenten Motilität des Zentralen Nervensystems und der Fluktuation