Wenig Work, viel Travel. Desirée Tischner

Wenig Work, viel Travel - Desirée Tischner


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sehr langen und kalten Winter hat der Frühling auch Mitte Mai noch nicht so recht Einzug halten können. Wir sparen uns also jegliches Sightseeing und brechen am nächsten Tag zu unserem vorab gemieteten Ferienhaus an der South Shore auf. Dort werden wir am ruhig gelegenen Minamkeak Lake nahe der Stadt Bridgewater unsere erste Kanadazeit verbringen und Ausflüge in die nähere Umgebung unternehmen.

      Das Ferienhaus am Minamkeak Lake

      In den ersten Tagen stehen jedoch erst einmal einige organisatorische Punkte auf dem Programm. Der größte davon ist sicherlich der Autokauf, denn wir wollen in diesem Jahr sehr viel hin- und herreisen und mobil sein. Kanada ohne Auto? Guter Witz! Über Facebook hatten wir im Vorfeld schon Kontakt mit einem jungen Paar aus Deutschland aufgenommen, das treffenderweise vorhat, sein eigenes Work & Travel-Jahr Mitte bis Ende Mai in Nova Scotia zu beenden und diesen Abschluss mit dem Verkauf seines Autos zu krönen. Bei dem guten Stück handelt es sich um einen weißen Ford Explorer, Baujahr 2000, ausgestattet mit zwei Schlafsäcken und vielen bunten Aufklebern. Der Preis sowie die Beschreibung klangen ansprechend und bereits von Deutschland aus vereinbarten wir einen Treffpunkt für Probefahrt und, im besten Fall, Übergabe bzw. Kaufabwicklung. So begibt es sich, dass wir uns an einem, mal wieder, regnerischen Morgen in Bridgewater auf dem Supermarktplatz mit Andy und Julia treffen. Beide machen einen freundlichen Eindruck, das Auto, was ja viel wichtiger ist, ebenso. Wir verbinden die Probefahrt nützlicherweise gleich mit der Fahrt zur Zulassungsstelle und wie es so oft im Leben der Fall ist, nimmt alles irgendwie ganz unkompliziert seinen Lauf.

      Unser Kennzeichen!

      Die Verkäufer, wie auch wir, haben alle erforderlichen Dokumente dabei, die Dame in der Zulassungsstelle ist sehr kundenfreundlich. Bevor wir jedoch unsere Kennzeichen erhalten, müssen wir zunächst noch die Versicherung abschließen. Zu viert hüpfen wir also wieder ins Auto und fahren zur Versicherungsgesellschaft, die ich schon aus Deutschland kontaktiert hatte. Gesetzlich vorgeschrieben ist hier in Nova Scotia nur die Haftpflichtversicherung und die ist für Ausländer, die durch das ganze Land und auch noch durch die USA reisen möchten, leider vergleichsweise unverschämt hoch. Viel später in unserem Reisejahr erfahren wir diesbezüglich aber eine schöne Überraschung, was wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erahnen. Zurück in der Zulassungsstelle können wir dann den Autokauf perfekt machen und sind mächtig stolz, als wir unser Nova-Scotia-Kennzeichen in den Händen halten. Die Verkäufer schauen uns ganz ungläubig an, als wir ihnen die Scheine in die Hand drücken. In diesem Moment werde ich kurz stutzig - gibt es vielleicht doch eine Macke am Auto, die wir übersehen haben? Scheinbar haben sie nicht damit gerechnet, dass sie den geforderten Preis erzielen. Mist! Wieso haben wir nicht gehandelt? Weil wir so froh waren, gleich einen fahrbaren Untersatz zu finden und keine Lust hatten, weiter zu suchen. Deswegen wahrscheinlich …

      Auf eine gute Zusammenarbeit

      Umgehend erfährt unser neuer Freund seine erste Belastungsprobe, denn wir müssen Andy und Julia ins gut eine Stunde entfernte Halifax zurückfahren. Auf dem Rückweg verirren wir uns natürlich prompt das erste Mal und beschließen, dass dringend ein Navi her muss. Als wir es am späten Nachmittag unversehrt zurück ins Ferienhaus schaffen, empfangen uns dort meine Eltern schon mit einem prickelnden Kaltgetränk, um standesgemäß auf den Familienzuwachs (definitiv ein Wunschkind!) anzustoßen. In den nächsten Tagen werden wir unseren neuen Freund noch in eine Werkstatt für einen gesetzlich vorgeschriebenen Safety Check bringen müssen und dann ist unser Schätzchen aber fit for the road!

      Fast sind wir nun schon so ganz richtig in Kanada angekommen. Wir wollen aber in den ersten Tagen die weitere notwendige Bürokratie hinter uns bringen, damit wir im Anschluss noch ein paar Tage entspannten Urlaub gemeinsam mit meinen Eltern verbringen können. So haben wir zeitnah einen Termin bei der ortsansässigen Bank ausgemacht, um ein Konto zu eröffnen. Eigentlich ist das ein Kinderspiel, aber wir werden nicht zum letzten Mal an die Grenzen unserer eigentlich sehr soliden Englischkenntnisse gebracht. Die Bankensprache wie „pre-authorized debit, direct deposit, wire transfer, your debit card has a tap-function, the fee for May will be pro-rated …“ klingt für uns recht Chinesisch, aber unsere Bankberaterin Sheryl (man ist hier gleich per Du) erklärt uns geduldig alle Vertragsdetails und irgendwie ist dann doch alles ganz einfach und nach einer Stunde ist das Konto eröffnet, halten wir unsere EC-Karten in der Hand (die hier Debit Cards heißen), haben unsere Pin selbst ausgewählt und die ersten Loonies (so wird insbesondere die 1-Dollar-Münze auch genannt) auf unser Konto eingezahlt. Als Daniel ein paar Tage später dem Bankangestellten vom Empfangsschalter im Supermarkt zufällig wieder begegnet, wird er gegrüßt wie ein alter Bekannter. That’s Canada!

      Beim kanadischen Pendant des Bürgeramts beantragen wir unsere Sozialversicherungsnummer, was auch wieder total unkompliziert und entspannt abläuft. Es scheint so, als würde jeder hier auf uns warten. Die Nummer, die hier nur SIN genannt wird, benötigen wir, wenn wir mal gegen Geld arbeiten wollen. Aber das scheint alles noch ganz weit entfernt, immerhin – wir sind nun vorbereitet.

      In den nächsten Tagen können wir dann einfach nur Touristen sein. Meine Eltern waren schon mehrmals hier und freuen sich, uns ihre Lieblingsplätze zeigen zu können. Es ist schön, mal nichts selbst planen zu müssen und einfach nur hinterher zu dackeln. Im Laufe dieses Reisejahres wird uns noch manch ein graues Haar wegen der weiteren Reiseplanung wachsen, aber auch dies wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.

      Fischerdorf an der South Shore

      Unser Ferienhaus befindet sich an der South Shore Nova Scotias, die der meistbesuchte Küstenabschnitt der Provinz ist. Pittoreske Fischerdörfer, weiße Sandstrände und gestreifte Leuchttürme prägen das maritime Bild, das sich uns hier bietet. Unser erster Ausflug führt uns zur bekannten Peggy‘s Cove – bei Regen potenzieller Schauplatz für Horrorstreifen, im Sonnenschein ideale Kulisse für Rosamunde-Pilcher – Filme. Grund genug, uns dort, im Rahmen einer Fahrt entlang der Leuchtturmroute, mal umzusehen. Das Fischerdorf, ca. 45 Kilometer von Halifax entfernt, gilt als eines der beliebtesten Ausflugsziele Kanadas. Glücklicherweise startet die Saison hier aber erst ab Juni, so dass momentan nicht viel los ist und wir von Busladungen verschont bleiben. Schön und malerisch ist es allemal, wir verweilen für einen kurzen Foto- und Besichtigungsstopp, decken uns im einzigen Shop am Platz mit frisch gebackenen Cookies ein und fahren weiter entlang der Leuchtturmroute, so wird der Highway 3 auch genannt, in Richtung Chester.

      Das Städtchen gilt gemeinsam mit Mahone Bay und Lunenburg als Aushängeschild der South Shore, insbesondere im Sommer werden hier zahlreiche Besucher angelockt. Die Hauptstraße von Chester besteht aus einem Restaurant, einem Café, einem Theater, einer Bank und einem Souvenirladen, den wir natürlich umgehend heimsuchen, die ersten Postkarten wollen schließlich geschrieben werden. Im Prinzip war es das schon, es ist noch deutlich Vorsaison, somit spielt sich hier derzeit nicht so viel ab. Direkt an der Waterfront lockt jedoch ein weiteres pubähnliches Restaurant, das wir zum Lunch aufsuchen. Es ist draußen zwar frisch, aber sonnig, und so ergattern wir einen Tisch auf der Terrasse direkt am Wasser. Laut Daniel gibt es hier die allerbeste Seafood Chowder der Welt oder zumindest Kanadas.

      Peggy’s Cove

      Seafood Chowder im Rope Loft, Chester

      Weiter südlich gelangt man nach Mahone Bay. Auch hier spielt sich das Leben quasi nur auf einer Straße ab. Aber die Anzahl der kleinen individuellen Lädchen, die zum Bummeln einladen, ist schon etwas größer als beim zuvor besuchten Nachbarn. Im Sommer wimmelt es angeblich nur von Touristen, insbesondere, wenn im Spätsommer das alljährliche Piratenfestival stattfindet und die Stadt in eine andere Zeit versetzt.


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