Wenig Work, viel Travel. Desirée Tischner
letzter Stopp für heute ist Lunenburg: die historische Altstadt ist UNESCO-Weltkulturerbestätte, dazu auch noch die einzige der Region. Den besten Blick darauf hat man vom gegenüberliegenden Golfplatz. Wie auch in den anderen Orten herrscht in der „Altstadt“ ein ganz besonderes maritimes Flair, die Menschen sind super freundlich und man fühlt sich sofort wohl und will wiederkommen. Doch gibt es an der South Shore nicht nur reizvolle Städte, auch die Natur hat einiges zu bieten. Und so führt uns unser nächster Ausflug zu „The Ovens“. Es handelt sich hierbei um einen sogenannten Natural Park direkt am Meer, zu dem man über eine kurvenreiche Straße gelangt. Mir wird auf der Fahrt etwas übel (meine Mutter vermutet in Verbindung mit meinem derzeit sehr gesunden Appetit schon eine Schwangerschaft), nachdem wir angekommen sind und ich ein paar Mal ein- und ausgeatmet habe, legt sich das zum Glück aber schnell und ich kann gemeinsam mit den anderen die Schönheit des Parks genießen. Wir laufen entlang der Klippen auf dem Sea Cave Trail, wobei wir immer wieder steile Wege zu kleinen Höhlen und Steinbalkonen hinunterklettern und so hautnah mitbekommen, wie sich die Wellen ihren Weg bahnen und der Atlantik wild an den Felsen bricht. Leider ist bei unserem Besuch gerade Ebbe, so dass wir das Schauspiel nicht in vollem Umfang miterleben können. Aber dennoch ist die ganze Geschichte recht eindrucksvoll. Wunderschöne Natur, herrliche Stille und außer uns keine Menschenseele weit und breit zu sehen – so haben wir uns Kanada vorgestellt!
Lunenburg hält sich bedeckt
Die frische Luft macht hungrig, weshalb wir per Fähre zur „La Have Bakery“ weiterfahren. Die sehr süße kleine Bäckerei mit angeschlossenem Café im gleichnamigen Ort bietet appetitliche Sandwiches und erlesene Cookies an. Im Anschluss steht ein gemütlicher Spaziergang am Rissers Beach auf dem Programm, bevor wir zurück in unser Ferienhaus kehren, um den Tag ausklingen zu lassen.
Das Ferienhaus befindet sich, wie bereits geschrieben, am Minamkeak Lake und ist nur durch eine holprige Schotterstraße zu erreichen. Höhepunkt ist die Zufahrt von der Straße zum Haus, die extrem steil verläuft, so dass ängstliche Personen das Gefühl bekommen könnten, sie fahren direkt in den See weiter, sollten die Bremsen mal versagen. Das Häuschen selbst ist recht geräumig und schnell leben wir uns dort ein. Die Lage bietet herrliche Ruhe, genau das Richtige, um in Kanada anzukommen. Bei trockenem Wetter sitzen wir gerne mit einem Glas Wein auf der Terrasse, bei ungemütlicher Wetterlage verziehen wir uns auf die Couch. Daniel und ich beweisen uns schnell als richtige Kanadier und schnappen uns zum Sonnenuntergang ein paar Mal das zum Haus gehörige Kanu, um es auf dem See auszufahren oder sammeln Feuerholz im Wald.
Während unserer Zeit in Nova Scotia bekommen wir auch einen ersten Eindruck der kanadischen Radiolandschaft, wir empfangen hier im Ferienhaus nämlich nur zwei Sender, die ihren Hörern gerne auch mal mehrere Stunden lang Bingo als Programm bieten, was sehr eintönig werden kann, wenn der Moderator die gezogene Zahl ansagt und dann eine halbe Minute ohne Sprechen verstreichen lässt, in der die Hörer die Gelegenheit haben, ihre Bingokarten auf die entsprechende Zahl zu prüfen und womöglich, im Fall einer vollen Zahlenreihe, beim Sender anzurufen.
Rissers Beach
Wir fahren auch noch mal zurück nach Halifax und möchten dort eigentlich gerne ein bisschen herumbummeln. Aber die Stadt präsentiert sich mal wieder von ihrer regenreichsten Seite, so dass sich unser Ausflug auf den Besuch des Pier-21-Museums beschränkt, was uns jedoch total begeistert. Der Pier 21 am Hafen von Halifax war von 1928 bis 1971 zentrale Anlaufstelle für Einwanderer, die hier mit dem Schiff aus aller Herren Länder ankamen. Quasi das Ellis Island Kanadas. Die Dauerausstellung des Museums verleiht einen umfassenden Eindruck, wie das damals alles ablief, insbesondere durch die vielen persönlichen Berichte von Einwanderern, die in kurzen Videos ihre Sicht auf die Geschehnisse und Erlebnisse am Pier darstellen. Das Ganze wird neben der kurzweiligen Präsentation durch persönliche Erinnerungsstücke abgerundet. Unser Highlight jedoch ist ein sehr stimmungsvoller 20-minütiger Film, der Immigranten porträtiert, die erst in den letzten Jahren nach Kanada kamen. In kurzen Bildern stellen sich die einzelnen Personen vor und beschreiben ihre Reise nach Kanada, das Einleben und den Alltag. Jede Person hat ihre eigene Geschichte und untermalt mit der richtigen Musik hat der Film tatsächlich Gänsehautfaktor. Auch wenn es sich bei uns nur um eine kleine und temporäre „Einwanderung“ handelt, so finden wir uns dennoch teilweise in den einzelnen Personen wieder und können ihre Hoffnungen, Ängste und Freuden teilen. Mir entweicht beim Zuschauen spontan ein Tränchen der Rührung. Der Besuch hinterlässt auf jeden Fall einen bleibenden und vor allem prägenden Eindruck.
Sonnenuntergang am Minamkeak Lake
Einen weiteren Höhepunkt unseres Aufenthalts im maritimen Nova Scotia stellt unsere Wanderung im Kejimkujik National Park Seaside Adjunct dar. Es gibt im Landesinneren den Kejimkujik National Park und an der Küste eben dessen Erweiterung. Die Sonne bahnt sich gerade ihren Weg durch die Wolken, als wir ankommen, und frohen Mutes wandern wir entlang des Haupttrails los. Wir erleben eine himmlische, nahezu unberührte Landschaft. Durch Buschland geraten wir an die felsige Küste, haben einen Ausblick auf herrliche, weiße Sandstrände, erspähen, wie erhofft, die auf einem Felsen sonnenbadenden Robben, stapfen über viele Steine, die von abertausenden kleinen schwarzen Spinnen bevölkert sind, und uns läuft sogar ein Stachelschwein über den Weg, welches allerdings umgehend bei unserem Anblick Reißaus nimmt. Wir sind anschließend ziemlich geschafft und fallen im Örtchen Summerville Beach zur Cocktailhour ein, bevor wir es uns am Abend im Häuschen gemütlich machen, bei einer Kartenrunde und unserem lieb gewonnen Radioprogramm: Bingo Wednesday.
So vergehen unsere ersten zwei Wochen in Kanada wie im Flug und es kribbelt schon langsam in unseren Fingern: Wir wollen „on the road“, neue Abenteuer erleben und verborgene Orte entdecken. In wenigen Tagen heißt es daher: „Bye bye parents, hello roadtrip!“
Parlez-vous québécois? (Desirée)
Blick auf Montréal
Parlez-vous québécois?
Eine letzte Umarmung, ein letzter Kuss und schon sitzen Daniel und ich in unserem Auto und starten in den ersten Roadtrip dieses Reisejahres. Es geht heute 520 Kilometer nach Fredericton, die Hauptstadt der Nachbarprovinz New Brunswick. Da uns die Hotelauswahl dort nicht wirklich überzeugen konnte und wir ohnehin dieses Jahr ganz viel Neues ausprobieren möchten, haben wir uns für eine Nacht Couchsurfing entschieden. Denn wenn man ein Jahr reist, kann man sich leider nicht jede Nacht ein luxuriöses Hotelbett leisten, und so lernen wir zusätzlich schnell Land und Leute kennen – denken wir zumindest. Couchsurfen wurde ins Leben gerufen, um über jegliche Grenzen hinweg den kulturellen Austausch und den gegenseitigen Respekt zu fördern und die Welt enger zusammenwachsen zu lassen. Und günstig ist es vor allem auch. Das Konzept sieht vor, dass man fremden Menschen seine „Couch“ kostenfrei zur Übernachtung zur Verfügung stellt und sich daraus vielleicht der ein oder andere nette Plausch entwickelt. Was haben die Anbieter der Couch davon? Nun, vielleicht sind sie einfach nur nett und lernen gerne neue Menschen kennen. Aber heutzutage, und vor allem als kritischer Deutscher, macht einen eine solche Offenheit wohl eher skeptisch. Der Erfolg des Netzwerks spricht allerdings für sich und durch ein Bewertungs- und Verifizierungssystem werden Risiken auch weitestgehend ausgeschlossen.
Couchpremiere
Über die Internetplattform haben wir Jenna gefunden, eine Mitzwanzigerin, die gemeinsam mit ihrem Mitbewohner Adam die Couch in ihrem Wohnzimmer zur Verfügung stellt. Wir sind aufgeregt, insbesondere natürlich ich, denn ich mache mir im Vorfeld mal wieder viel zu viele Gedanken: Wo werden wir parken? Wie läuft das Couchsurfen ab? Sind wir zu irgendetwas