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wieder Garnisonkirchplatz heißt – abbiegt.
Explosionen kamen bei der Pulverherstellung häufiger vor, weshalb die Pulvermühlen und Magazine 1716 vor die Stadt ins unbesiedelte Moabit verlegt wurden. Als im Oktober 1760 russische Truppen für fünf Tage Berlin besetzten (die nächsten Russen blieben 49 Jahre), erhielt ein Offizier mit 25 Mann den Befehl, diese preußischen Pulvermühlen zu demolieren. Der Trupp rückte weisungsgemäß ab und »verunglückte spurlos«, wie die Chronik düster zu berichten weiß.
In Berlin aber stürzten Türme auch ohne die Einwirkung von Explosivstoffen ein. Das berühmteste Baudesaster war der Abriss und Einsturz von Schlüters Münzturm auf dem Schlossplatz an der Hundebrücke. Das vorauszusehende Ereignis kostete den Baumeister seinen Job, dabei war der Berliner Baugrund wirklich nicht der beste. Die Kuppel auf dem Turm der Parochialkirche stürzte 1698 ein, im August 1734 traf es den Turm der neuerbauten Petrikirche. Dennoch liebten die preußischen Herrscher hoch aufragende Bauten und wollten auch die 1701 auf dem Gendarmenmarkt erbauten Kirchen mit Kuppel nach römischem Vorbild geschmückt sehen. In der Nacht zum 28. Juli 1781 fiel der Turm der Neuen Kirche (heute der Deutsche Dom) mit Getöse in sich zusammen.
Die Hochzeitskatastrophe von 1823
Die bleiernen Jahre nach den Befreiungskriegen waren keine glückliche Zeit für die preußische Metropole und ihre Einwohner. Die Hochzeit des Kronprinzen, des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV., mit der katholischen bayrischen Prinzessin Elisabeth am 29. November 1823 sollte das erste große Fest seit langer Zeit werden. Zugleich fand die Einweihung der Schinkelschen Schlossbrücke mit ihrem kunstvollen Geländer statt, die sich noch ohne die Figuren an Stelle der alten Hundebrücke über den Kupfergraben schwang. Vor dem Zeughaus hatte man eine Säulenhalle für 300 Ehrenjungfrauen errichtet. Noch war die neue Brücke für den Wagenverkehr gesperrt. Bei der abendlichen Illumination kam das Gerücht auf, überhaupt niemand dürfe die Brücke passieren. Die Menschenmenge, voller Angst, etwas von dem Schauspiel zu verpassen, drängte panikartig zum Kupfergraben, wo eine schmale Notbrücke die einzige Verbindung zum Lustgarten bot. Der Platz und die Brücke waren dem Ansturm nicht gewachsen. Das Geländer zum Spreekanal am Zeughaus hielt nicht stand; die Menschen wurden von den Nachdrückenden ins eisige Wasser gestoßen. Schreie gellten durch die Dunkelheit. Alle wollten sehen, was vorn passiert, und drängten immer mehr über die Uferkante. Das Fazit: dreißig zertretene, ertrunkene, erfrorene Kinder und Frauen. Kein gutes Omen für die Ehe des künftigen Königs, die denn auch kinderlos blieb.
Schon im Juli 1709 hatte der Einsturz der Cavalierbrücke (in der Nähe der heutigen Liebknecht-Brücke) 18 Menschenleben gefordert, von den Geretteten »sind die meisten bald darauf gestorben …«. Versammelt hatten sich die Berliner damals, um das Feuerwerk zu Ehren des Sieges Peters des Großen über die Schweden zu sehen.
Am 29. Juli 1817 brannte das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt vollständig aus; in der Nacht vom 18. zum 19. September 1843 erleuchtete der Brand des königlichen Opernhauses Unter den Linden die Stadt taghell. Beide Gebäude wurden schnell wiederaufgebaut.
Die Zeiten wurden immer unruhiger. 1845 gab es am Hamburger Tor in der heutigen Torstraße Steinwürfe gegen die Ordnungsmacht, 1846 die Kartoffelrevolution am Oranienburger Tor. Berlin näherte sich unaufhaltsam der Märzrevolution von 1848, deren Erfolge so mager ausfielen wie die aller Revolutionen in Deutschland.
Böse Zungen sprechen von zwei wesentlichen Ergebnissen: Der König wurde gezwungen, den Hut vor den gefallenen Märzkämpfern zu ziehen, und am Brandenburger Tor brannte der hölzerne Zirkusbau nieder. Die Reaktion schien endgültig zu triumphieren. Es sollten weitere vierzig Jahre vergehen, bis endlich auch Bismarcks rigide Sozialistengesetze der Vergangenheit angehörten. Daran, dass Berlin die Hauptstadt einer stockreaktionären Monarchie blieb, änderte auch das nichts.
Neue Zeiten, neue Katastrophen und Unruhen
Mit dem beginnenden Bauboom der Gründerjahre hielt in Berlin die Schlamperei beim Hausbau Schritt. 1865 starben innerhalb von drei Wochen 33 Menschen bei Neubaueinstürzen, was endlich zu einer Verschärfung der Baukontrollen führte. Dennoch forderte auch die moderne Technik ihren Preis. Am 2. September 1883, also immerhin 45 Jahre nach Einführung der gefährlichen Dampfrösser, erlebte die Stadt im Bahnhof Steglitz ihr erstes großes Eisenbahnunglück, das 43 Todesopfer forderte. Bei der Hochbahn hingegen vergingen nur sechs Jahre, bis es zu einem ersten Unfall kam. Am Bahnhof Gleisdreieck – zu dieser Zeit wirklich noch ein solches – fuhr am 26. September 1908 ein Zug einem anderen in die Flanke und stieß einen Waggon vom Viadukt in die Tiefe. 18 Passagiere starben dabei, und mehr als 20 wurden schwer verletzt.
Das erste Tunnelunglück am 9. Mai 1917 zwischen Alexanderplatz und Schönhauser Tor (Rosa-Luxemburg-Platz) ging mit dreißig Verletzten und einer großen Panik etwas glimpflicher aus.
Obwohl von Luftverkehr noch nicht die Rede sein konnte, kam es auch über der Stadt zu ersten Unfällen. Seit 1884 existierte das Ballon-Detachement der Schöneberger Eisenbahntruppen, das als spätere Luftschifferabteilung ab 1901 in Tegel stationiert war.
Anlässlich der Großen Gewerbeausstellung 1896 in Treptow führte der Leipziger Buchhändler Dr. Hermann Wölfert sein Luftschiff Deutschland vor, das nach mehreren geglückten Probefahrten am 12. Juni 1897 nach einer Vergaserexplosion abstürzte. Wölfert und sein Mechaniker starben. Fünf Monate später gelang dem Unteroffizier Jagels mit dem starren Luftschiff eines Holzhändlers aus Agram die Jungfernfahrt auf 350 Metern Höhe, bevor das Gefährt auf dem unbebauten Schöneberger Südgelände strandete. Graf Zeppelin war ein aufmerksamer Beobachter des Vorfalls. Er war auch mutig genug, 1911 in Karlshorst mit dem halbstarren Luftschiff SSL 2 der Siemens-Schuckert-Werke aufzusteigen. Im gleichen Jahr forderte der Motorflug in Johannisthal sein erstes Todesopfer. Vom dortigen Flugplatz riss der Wind am 4. März 1912 ein Parseval-Luftschiff samt Sicherungsseil und daranhängendem Ballonmeister mit sich. Erst hinter dem Karlshorster Luftschiffhafen blieben das Luftschiff und die Leiche des unglücklichen Ballonmeisters in den Baumkronen hängen. Am 17. Oktober 1913 schließlich explodierte das Luftschiff L 2 über Adlershof und verursachte den Tod von 25 Menschen.
Am Boden sorgten eher Feuer und Explosionen für mittlere Katastrophen. So stand das prächtige und moderne Hotel Kaiserhof schon wenige Tage nach seiner Eröffnung im Oktober 1875 in hellen Flammen. Allerdings war der Bau mit 2,75 Millionen Mark gut versichert, was Anlass zu mancherlei Verdächtigungen bot …
Weniger Schaden richtete im Mai 1894 das sogenannte Kaiserfeuer auf einem Bauernhof in Gatow an, wo Seine kaiserliche Majestät Wilhelm II. höchstpersönlich gerade mit seiner Dampfjacht Alexandria aufkreuzte und gemeinsam mit der Mannschaft das Großfeuer bekämpfte. Als ein ungläubiger Spandauer Feuerwehrmann äußerte: »Mann, det jloobste doch selber nich, dettste Wilhelm bist!«, bewies es ihm der Kaiser durch stramme Befehle – und vermutlich durch seinen zu kurzen Arm.
Am 7. Januar 1898 brannte die gerade modernisierte Borsigmühle an der Spree in Moabit. Kein Wasser vermochte die haushohen Flammen zu löschen. Die gesamte Spreefront des Riesenbaus stürzte zusammen mit dem großen Kran und einigen tausend Tonnen Roggen in den Fluss. Das Restgemäuer brannte noch 14 Tage und wurde schließlich gesprengt. Die Firma Borsig gab den Standort auf und zog nach Tegel. Die Tanklager auf dem Nobelshof im östlichsten Winkel von Rummelsburg wurden dagegen noch weitere fünfzig Jahre genutzt, nachdem dort im November 1910 drei Millionen Liter Benzin explodiert waren und wochenlang brannten.
Die soziale Lage breiter Bevölkerungsschichten war nahezu unerträglich und führte zu immer neuen Unruhen. 1863 kam es zu Mieterunruhen am Moritzplatz, im März 1872 behinderte ein Streik den Bau der Siegessäule, und im Juni desselben Jahres kam es nach der Zwangsexmittierung eines Tischlers zu den Blumenstraßenkrawallen, bei denen 102 Polizisten zumeist durch Steinwürfe und 160 Zivilisten durch Säbelhiebe verletzt wurden. Die erregten Massen zerstreuten sich erst nach zwei Tagen, als das Polizeipräsidium mit dem Einsatz von Militär drohte. 33 »Aufrührer« wurden zu Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt.
Im Sommer 1885 streikten in Berlin 12 000 Maurer für höhere Löhne und für den Neunstundentag, fünf Jahre später waren es 40 000 Arbeiter, die für den Zehnstundentag in den Streik traten. Als die Polizei beim Moabiter Aufstand